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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 27.1917

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Heft 12
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Stern, Dorothea: Mittelalterliche Wandgemälde aus dem Großherzogtum Hessen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26489#0308

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zem, mit bunten Rosetten
gemustertem Grund steht
das Wunder in Weiß, Hell-
rot und einem seltsamen
Grün. Sehr fein ist die
Silhouette des Ritters.
Mit seinem auserlesen
modischen Anzug scheint
er direkt aus Dijon, der
burgundischen Hauptstadt
und Aentrale damaliger
höfischer Eleganz, daher-
zukommen, genau so ivie
die hl. drei Könige des
Ortenberger Altarü. Die
Prinzessin, die so freudig
erstaunt ihre Auglein auf-
reißt, zeigt sich ebenso im
Halbprofil und trägt eine
ähnliche Krone wie die
Heiligen dort. Noch näher
steht ihr Gesichtstypus den
Glasmalereien aus Parten-
heim in Rheinhessen (jetzt
im Darmstädter Museum),
die ihrerseits eine auffal-
lende Abhängigkeit vom
Ortenberger Altar zeigen
(Abb. 12).

Der Maler des Georg-
bildes machte auch das
Jüngste Gericht derselben
Kapelle in Michelstadt
(Abb. 13 u. 14). Hier sind
die weiblichen Köpfe den
Partenheimern sehr ver-
wandt, auch dic Stellungen
der Figuren und die seit-
wärts schleifenden Blicke
bieten Analogien. Echt
mittelrheinisch ist daS frohe,
fast schalkhafte Gebaren der
Seligen, und selbst in der
Hölle scheints nicht ganz
so gruselig herzugehen wie
sonst. Doch wird, reich-
lich konservativ für die
Mitte des Jahrhunderts,

an der hergebrachten
flächigen Darstellungsart
und möglichsterAusnutzung
der Silhouette festgehalten.

Ob die mittelrheinische
Wandmalerei an der dem
15. Jahrhundert so wich-
tigen Entwicklung des
raumdarstellenden Kön-
nens später einen tätigen
Anteil genommen, läßt sich

Abb. 13.

Michelstadt.

Abb. 14.

Michelstadt.

nicht sagen, denn es sind
aus dieser Ieit verhältnis-
mäßig wenige und nicht
sehr bedeutende Werke er-
halten. Die Beherrschung
der räumlichen Probleme
und ihre Verwertung zu
einer ganz eigenartigen
Wirkung, wie sie das große
Verkündigungsfresko der
Walpurgiskirche zu Als-
feld (Oberhessen) gegen
1500 zeigt, berührt völlig
überraschend. Sind die
Übergangsstusen verloren?
Oder liegt es vielleicht im
Wesen der von Anfang an
konservativen mittelrheini-
schen Kunst, altbewährte
Art erst dann gegen neue
einzutauschen, wenn sich
mit deren Mitteln frei und
großzügig walten ließ?

Auf die Abbildung der
Alsfelder Verkündigung
mußte wegen der teilwei-
sen Ierstörung des Bildes
verzichtet werden. Die
Komposition ist eigentüm-
lich dadurch, daß sie auf
die Iwickel des großen
Spitzbogens, der die West-
empore trägt, gemalt ist.
Maria und der Engel sind
so, zuseiten des Bogens,
weit voneinander entfernt.
Jhrem herkömmlichen Bei-
einander entrückt, sind aber
die Figuren auf eine neue
Art wieder verbunden:
durch die Darstellung des
Raumes, in dem sich die
Szene abspielt. Man sieht
in ein hofartiges, von
einem Mäuerchen umfrie-
detes Gemach; die Tür,
durch die der Engel trat,
gibt den Blick auf grüne
Wiesen frei. Der große
Iwischenraum zwischen den
Figuren wird durch eine
lange, mit Teppichen be-
legte Bank und ein schräg
gestelltes, vielteiliges Lese-
pult ausgefüllt. VomEngel
zu der knienden sehr lieb-
lichen Maria hinüber flat-
tert ein langes Schrift-
band. KeingeringerMeister
 
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