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Zeitschrift für christliche Kunst — 6.1893

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Heft 2
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Tafel III
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Schnütgen, Alexander: Ein geschnitzter Sakristeischrank aus der spätromanischen Periode
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https://doi.org/10.11588/diglit.4305#0043

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1893. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 2.

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Museums Aarsberetning« 1890, Nr. IV) wohl der
älteste ist. Der Zither in Halberstadt bewahrt
aufser den überaus zahlreichen und werthvollen
Paramenten und Metallgeräthen noch zwei ro-
manische Holzschränke, von denen der eine
plump im Aufbau, aber mit grofsen Heiligen-
figuren bemalt, der an-
dere mit ausgeschnitte-
nen Vogelfigurationen
geschmückt ist.

Ein ähnliches, nur
viel gröfseres, reicheres,
schöneres und besser
erhaltenes Exemplar
befindet sich in der St.
Sylvestrikirche zu
Wernigerode. Eine
sorgfältig ausgeführte
Zeichnung desselben
hat Baumeister Boesser
im Jahre 1869 der »Zeit-
schrift des Harzvereins
für Geschichte u. Alter-
tumskunde.« (II, 162,f.)
besorgt. Neuerdings hat
Bildhauer Kuntzsch
i. Wernigerode von dem
Original eine photo-
graphische Aufnahme
machen lassen. An sie
knüpft die hier beige-
fügte Abbildung, sowie
die folgende Beschrei-
bung an, zu der ich
die Notizen der Güte
des Herrn Kuntzsch
verdanke, der das merk-
würdige Möbel in sei-
ner Kunstanstalt schon
wiederholt hat nach-
bilden lassen.

DieHöhe desSchran-
kes beträgt 2,33, die
Breite 0,90, die Tiefe
0,58 vi. Er ist ganz aus gespaltenen Eichen-
bohlen im einfachsten Holzverbande hergestellt.
Auf den beiden unteren Schwellen, die durch
das Bogenstück verspannt sind, ruhen Seiten-
und Rückenwände. Die Lisenen (rechts und
links der Vorderwand) sind mit Holznägeln an
den Seiten befestigt. Wie wenig dieser Verband
als genügend erachtet wurde, beweisen die rings

Geschnitzter Sakristeischrank aus der
spätromanischen Periode.

um den Schrank geführten Eisenbänder, die vorn
in Charniere übergehend, das Gehänge für die
Flügelthüren bilden. Diese scheidet ein den
Schrank horizontal theilender Boden, dem zur
Bildung des Giebelbehälters ein zweiter Boden
entspricht, auch hier die unmittelbare Unterlage
der Thüre. So ist das
ganze Gefüge ein durch-
aus konstruktives: Die
beiden aufsteigenden
Leisten,zwischen denen
die Flügelthüren sich
bewegen, nehmen das
Kopfstück nicht als
Aufsatz, sondern als
eingespannte Füllung
auf und die eingebun-
denen Böden sorgen
für den Horizontalver-
band. Dafs an diesem
Schranke die Verzie-
rungen auf die Unter-
stücke, die Schlagleiste
■ und den Aufsatz sich
beschränken,entspricht
durchaus seiner prak-
tischen Bestimmung.
Ganz besondere Sorg-
falt ist auf die künst-
lerische Ausgestaltung
der kräftigen Schlag-
leiste verwendet. Ihren
fortlaufenden Schmuck
bilden in einer flachen
Kehle liegende ge-
schmiedete Fünfblatt-
Nägel, welche durch
sehr originelle und vir-
tuos behandelte Reliefs
unterbrochen werden.
Eine charakteristische
Maske schliefst sie nach
unten ab, über ihr er-
scheint ein von zwei
auch seitwärts ausgebildeten Lilien bekrönter
Topf heim, darüber, neben dem zum Theil hinter
ihm sich verbergenden Schlüsselschild, ein noch
weiter ausladender bärtiger Kopf mit Strähnen-
haar und Lilienkrone. Mit einem von zwei Löwen-
köpfchen bekrönten Topfhelm beginnt die obere
Schlagleiste, deren wiederum das Schlüsselschild
begleitende Verstärkung in einem ornamentirten
 
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