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Zeitschrift für christliche Kunst — 6.1893

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Heft 7
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Tafel VII
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Stummel, Friedrich: Teppichartige Wirkung, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4305#0123

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209

1808.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 7.

'210

Teppicharti

I. Die Farbenstimmung.

[er Ausdruck „teppichartige Wirkung"
ist zu einem Schlagwort geworden,
welches so oft angewandt wird, dafs
es der Mühe werth erscheint, über
die Bedeutung dieses Ausdruckes, wie er heute
benutzt wird, Einiges zu sagen und ferner fest-
zustellen, in welcher Weise die alten Kunstwerke
romanischer und gothischer Epochen den Anfor-
derungen an „teppichartige Wirkung" genügten.
In Bezug auf die Wand- und Glasmalereien
hö.t man gewöhnlich die Erklärung: „Es darf
die Wand nicht durchbrochen werden und da,
wo der Architekt dieselbe als Fenster durchbrach,
soll die Verglasung diese Oeffnung schliefsen."
Daraus wird weiter gefolgert, dafs in der Zeich-
nung jede Anwendung der Perspektive diese
teppichartigeWirkung vernichte. Es wird defshalb
als ein grofser Vorzug alter Figurenzeichnung
gepriesen, dafs kein Glied irgendwelche Ver-
kürzung zeigt und die Füfse, wie herabhängend
zu baumeln scheinen. Kein Fufsboden soll den-
selben eine Standfläche bieten, denn jeder Fufs-
boden müfste eine perspektivische Raumtiefe
zeigen. Ein architektonischer oder landschaft-
licher Hintergrund ist verpönt, und es bleibt
der Kunst verboten, dem Gegenstand durch die
Darstellung des Ortes, der Gegend, wo er sich
abspielt, eine die Handlung ergänzende Erklä-
rung zu geben. Jegliche Schattenwirkung würde
die Figuren runden, hervortreten lassen und klar
voneinander scheiden; da man aber unter
„teppichartigerWirkung" absolut die Fläche ver-
steht, so raufe Alles platt sein, jede Schattinmg
ist verboten, nur die Kontur ist zulässig.

In der Farbenwirkung ist es eine bekannte
Thatsache, dafs jede helle Farbe aus dem dunkeln
Grunde hervortritt und dafs im Gegensatz zum
Weifs jede Farbe zurückweicht, tiefer zu liegen
scheint, je mehr sie sich dem Schwarz nähert.
Das Schwarz aber drückt ein Loch, eine voll-
ständige Tiefe aus. Um nun keine Löcher in
die Wand zu malen und kein Hervortreten und
Zurückweichen in die Fenster zu bringen, hat
man die teppichartige Wirkung dadurch inne-
zuhalten geglaubt, dafs man alle Farben mög-
lichst gleichwerthig nahm, d. h. die hellen Farben,
das Weifs stark tonte oder ganz vermied und
dann blasses Rosa, Blau u. s. w. in den wässe-
rigsten Abschwächungen anwendete und den

ge Wirkung.

dunkeln Farben ihre Tiefe nahm. Dunkelblau
und dunkelviolett, die Bässe in der Farben-
stimmung der Alten, sind zu einem hellen
Himmelblau und zu einem schrillen Hellblau-
violett geworden. Da von einem Hervortreten
keine Rede mehr ist, so läuft Alles wirr durch-
einander, und da jede Farbe gleichmäfsig hell
schreit, so thun einem die Augen weh.

Diese in Vorstehendem angeführten Ansichten
kann man des Oefteren, bald einzeln, bald ins-
gesammt aussprechen hören, je nachdem der
betreffende Kunstfreund glaubt, über einzelne
Eigenschaften der Malerei unterrichtet zu sein.
Wie mächtig die Forderungen des kunstver-
ständigen Publikums an den schaffenden Künstler
sind, können die mannigfachen Leistungen auf
dem Gebiete der Glas- und Wandmalerei in den
letzten zwanzig Jahren beweisen, deren schlechte
Eigenschaften gröfstentheils aus der Anwendung
obiger Grundsätze resultiren.

Welche Teppichart gab für genanntes Schlag-
wort durch ihre gute Wirkung die Veranlassung,
als mustergültig hingestellt zu werden?

Wir besitzen zunächst als Fufsbodenbelag
den Orientteppich in seinen verschiedenen Arten,
je nach der Landschaft, welche ihn erzeugte, in
Muster und Farbe verschieden, gleich aber in
seiner vorzüglichen, unübertroffenen Eigenart als
Flachornament von höchster koloristischer Wir-
kung. Schon zu den Zeiten der Griechen und Rö-
mer gesucht („Alexanders Teppiche"), nahm er im
Mittelalter eine bevorzugte Stellung ein als Be-
lag der Stufen des Altares. Zahlreiche Malereien
des Mittelalters, sowie die Schatzverzeichnisse
der Kirchen erzählen von diesen „übers Meer"
gekommenen Teppichen, von denen verhältnifs-
mäfsig nur wenige Exemplare auf uns gekommen
sind. Es wäre zu wünschen, dafs Alle, welche
sich für teppichartige Wirkung interessiren, da-
für sorgten, dafs derartige Orientteppiche wieder
die Stufen unserer Altäre schmücken. Der Ver-
gleich mit den Teppichen moderner, sogen,
kirchlicher Muster würde über mustergültige
Farbengebung viel Belehrung verbreiten können
und zeigen, wie weit wir von einer guten Farben-
wirkung abgekommen sind.1) Die frischen Kon-

') [Schwer und roh in der Zeichnung der Orna-
mente und namentlich der symbolischen Thiermuste-
rungen, noch viel roher in der Farbenauswahl und
Zusammenstellung sind durchweg die wenigen sogen.
 
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