211
1893.
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST
Nr. 7.
212
traste vom hellen Weifs zum Ockergelb, feurigem
Roth, weichem Grün, bis zum tiefen Schwarz-
blau zeugen von ebenso gesundem Sinn, wie von
Frische und Kraft. Die Hauptzüge der Ein-
theilung des Teppichs sind durch weifse Streifen
hervorgehoben, auch weithin wirksam und die
farbigen Füllungen sind durch den Gegensatz
zum Weifs in dem vollen Werth einer gesättigten
Stimmung zusammengehalten. Wir begegnen
hier den kräftigsten Gegensätzen vom hellen
Weifs bis zum Ockergelb, Terrakottaroth bis
zum tiefsten Dunkelblau und Schwarz. Von
einer verwaschenen Färbung, wie so manche
moderne Fenster aufweisen, ist nichts zu merken,
und bei all den lebhaften Kontrasten ist die voll-
kommene Wirkung des Flachmusters von un-
übertroffenem Reiz.
Leider ist auf einzelne neueste Erzeugnisse
des Orients die Erfindung und Anwendung der
Anilinfarben nicht ohne verderbliche Wirkung
geblieben, indem diese bequeme, aber weder halt-
bare, noch in den Farbentönen harmonische Art
die alte mühsame, aber solide und künstlerisch
schöne Technik der Färberei zu verdrängen
drohte; deshalb ist auch hier zwischen den in
Farbe und Form besseren älteren Leistungen
zu unterscheiden. Was der ganzen Erscheinung
des Teppichs bei allem Reichthum seiner Farben
die Stimmung verleiht, sei kurz beschrieben, da
durch ähnliche Mittel dieselbe auch in anderen
Fällen entsteht. Der weifse Faden hat seine
Naturfarbe, ist nicht rein weifs gebleicht, son-
dern mehr oder weniger gelblich, bei einzelnen
Exemplaren bis zum Bräunlichen abgetönt, da
auch Kameelhaar vielfach zur Verwendung
kommt. Derselbe Xaturton, der als Weifs ver-
wandt wird, dient beim Färben der übrigen
Farben als Unterlage und bricht das Blau,
Roth u. s. w. nach dieser Nuance hin. Er gibt
allen Farben etwas Gemeinsames, gerade, wie
im goldenen Licht der Nachmittagssonne ein
„kirchlichen Teppichmuster", auf welche immer noch
die zahlreichen Reflektanten angewiesen sind. Eine
Reform ist auf diesem Gebiete um so dringlicher, je
gröfser das Bedürfnifs nach solchem Festschmuck für
Wandbehang wie Altarslufenbekleidung ist und je reicher
die Mittel sind, die dafür aufgeboten werden. Schon
öfters habe ich für Vorschläge auf diesem Gebiete
nach mittelalterlichen Vorbildern, die äufserst selten
sind, Umschau gehalten und Andere dazu angeregt.
Einstweilen mag es sich empfehlen, mit orientalischen
Teppichen und deren Nachbildungen sich zu begnügen,
unter Verzicht auf kirchlich-symbolische Motive. H.J
warmer Schmelz über die sämmtlichen Farben der
Landschaft ausgebreitet ist, der jeden Kontrast
der kalten Töne mildert und den warmen erhöhte
Gluth und hervortretende Wirkung verleiht.
Bei den alten Glasfenstern verwandten die
alten Meister auch kein reines weifses Glas, es
war meistens etwas grünlich oder bräunlich. Bei
Herstellung der farbigen Gläser wurde dieses
gefärbt oder diente als Unterlage unter den
Ueberfanggläsern, brach also die Farbe zu einem
Ton in der betreffenden Nuance.
Als man bei den ersten Wiederbelebungs-
versuchen der Glasmalerei neue Gläser zu fabri-
ziren versuchte, glaubte man als eine Errungen-
schaft moderner Technik es erreichen zu müssen,
nicht nur ein reines weifses Glas zu erzeugen,
sondern auch jene gebrochenen milden Töne
der alten Gläser zu übertreffen, indem man
die ungebrochenen Töne, wie sie als Muster
auf den Farbentafeln des Spektrums angegeben
werden, in ihrer ganzen Schärfe und spektral-
analitischen Reinheit herstellte. Man zuckt heute
mitleidig die Achseln über die traurigen, mit
solchem Material hergestellten Erzeugnisse der
Glasmalerei. Anstatt sich an eine bestimmte
geringe Zahl harmonischer Töne, wie bei den
Alten zu binden, suchte man eine gröfsere Zahl
der verschiedensten Farben zu bekommen, deren
Anwendung viele Mifstöne in den einzuschla-
genden Farbenakkord brachte und anstatt einige
wenige Töne gleichmäfsig über das ganze Fenster,
wie im alten Teppich, zu verbreiten, dadurch
jene Einheit des Totaleindrucks herzustellen,
häufte man an einigen Stellen Farbengruppen,
die in anderen Theilen desselben Fensters nicht
wiederkehrten und jeder Zusammenhang war
verloren. Wie nothwendig es ist, nicht nur in
demselben Fenster die gleichen wenigen und gtit
gestimmten Töne unverbrüchlich festzuhalten,
sondern auch durch die ganze Dekoration einer
Kirche in Glas- und Wandmalerei durchzuführen,
zeigen am besten solche Kirchen, welche das
Unglück hatten, aus verschiedenen Händen
moderne, starkwechselnde Dekorationsmalereien
und eben solche Fenster zu besitzen.
War schon in der Brechung der Farben durch
den Grundton des Weifs eine Annährung der-
selben untereinander vorhanden, so kam bei der
weiteren Behandlung durch Ueberzug und Be-
malen sämmtlicher Gläser mit nur einem grün-
lichen oder röthlichen Grisailton eine weitere
harmonische Bindung der einzelnen Farben hin-
1893.
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST
Nr. 7.
212
traste vom hellen Weifs zum Ockergelb, feurigem
Roth, weichem Grün, bis zum tiefen Schwarz-
blau zeugen von ebenso gesundem Sinn, wie von
Frische und Kraft. Die Hauptzüge der Ein-
theilung des Teppichs sind durch weifse Streifen
hervorgehoben, auch weithin wirksam und die
farbigen Füllungen sind durch den Gegensatz
zum Weifs in dem vollen Werth einer gesättigten
Stimmung zusammengehalten. Wir begegnen
hier den kräftigsten Gegensätzen vom hellen
Weifs bis zum Ockergelb, Terrakottaroth bis
zum tiefsten Dunkelblau und Schwarz. Von
einer verwaschenen Färbung, wie so manche
moderne Fenster aufweisen, ist nichts zu merken,
und bei all den lebhaften Kontrasten ist die voll-
kommene Wirkung des Flachmusters von un-
übertroffenem Reiz.
Leider ist auf einzelne neueste Erzeugnisse
des Orients die Erfindung und Anwendung der
Anilinfarben nicht ohne verderbliche Wirkung
geblieben, indem diese bequeme, aber weder halt-
bare, noch in den Farbentönen harmonische Art
die alte mühsame, aber solide und künstlerisch
schöne Technik der Färberei zu verdrängen
drohte; deshalb ist auch hier zwischen den in
Farbe und Form besseren älteren Leistungen
zu unterscheiden. Was der ganzen Erscheinung
des Teppichs bei allem Reichthum seiner Farben
die Stimmung verleiht, sei kurz beschrieben, da
durch ähnliche Mittel dieselbe auch in anderen
Fällen entsteht. Der weifse Faden hat seine
Naturfarbe, ist nicht rein weifs gebleicht, son-
dern mehr oder weniger gelblich, bei einzelnen
Exemplaren bis zum Bräunlichen abgetönt, da
auch Kameelhaar vielfach zur Verwendung
kommt. Derselbe Xaturton, der als Weifs ver-
wandt wird, dient beim Färben der übrigen
Farben als Unterlage und bricht das Blau,
Roth u. s. w. nach dieser Nuance hin. Er gibt
allen Farben etwas Gemeinsames, gerade, wie
im goldenen Licht der Nachmittagssonne ein
„kirchlichen Teppichmuster", auf welche immer noch
die zahlreichen Reflektanten angewiesen sind. Eine
Reform ist auf diesem Gebiete um so dringlicher, je
gröfser das Bedürfnifs nach solchem Festschmuck für
Wandbehang wie Altarslufenbekleidung ist und je reicher
die Mittel sind, die dafür aufgeboten werden. Schon
öfters habe ich für Vorschläge auf diesem Gebiete
nach mittelalterlichen Vorbildern, die äufserst selten
sind, Umschau gehalten und Andere dazu angeregt.
Einstweilen mag es sich empfehlen, mit orientalischen
Teppichen und deren Nachbildungen sich zu begnügen,
unter Verzicht auf kirchlich-symbolische Motive. H.J
warmer Schmelz über die sämmtlichen Farben der
Landschaft ausgebreitet ist, der jeden Kontrast
der kalten Töne mildert und den warmen erhöhte
Gluth und hervortretende Wirkung verleiht.
Bei den alten Glasfenstern verwandten die
alten Meister auch kein reines weifses Glas, es
war meistens etwas grünlich oder bräunlich. Bei
Herstellung der farbigen Gläser wurde dieses
gefärbt oder diente als Unterlage unter den
Ueberfanggläsern, brach also die Farbe zu einem
Ton in der betreffenden Nuance.
Als man bei den ersten Wiederbelebungs-
versuchen der Glasmalerei neue Gläser zu fabri-
ziren versuchte, glaubte man als eine Errungen-
schaft moderner Technik es erreichen zu müssen,
nicht nur ein reines weifses Glas zu erzeugen,
sondern auch jene gebrochenen milden Töne
der alten Gläser zu übertreffen, indem man
die ungebrochenen Töne, wie sie als Muster
auf den Farbentafeln des Spektrums angegeben
werden, in ihrer ganzen Schärfe und spektral-
analitischen Reinheit herstellte. Man zuckt heute
mitleidig die Achseln über die traurigen, mit
solchem Material hergestellten Erzeugnisse der
Glasmalerei. Anstatt sich an eine bestimmte
geringe Zahl harmonischer Töne, wie bei den
Alten zu binden, suchte man eine gröfsere Zahl
der verschiedensten Farben zu bekommen, deren
Anwendung viele Mifstöne in den einzuschla-
genden Farbenakkord brachte und anstatt einige
wenige Töne gleichmäfsig über das ganze Fenster,
wie im alten Teppich, zu verbreiten, dadurch
jene Einheit des Totaleindrucks herzustellen,
häufte man an einigen Stellen Farbengruppen,
die in anderen Theilen desselben Fensters nicht
wiederkehrten und jeder Zusammenhang war
verloren. Wie nothwendig es ist, nicht nur in
demselben Fenster die gleichen wenigen und gtit
gestimmten Töne unverbrüchlich festzuhalten,
sondern auch durch die ganze Dekoration einer
Kirche in Glas- und Wandmalerei durchzuführen,
zeigen am besten solche Kirchen, welche das
Unglück hatten, aus verschiedenen Händen
moderne, starkwechselnde Dekorationsmalereien
und eben solche Fenster zu besitzen.
War schon in der Brechung der Farben durch
den Grundton des Weifs eine Annährung der-
selben untereinander vorhanden, so kam bei der
weiteren Behandlung durch Ueberzug und Be-
malen sämmtlicher Gläser mit nur einem grün-
lichen oder röthlichen Grisailton eine weitere
harmonische Bindung der einzelnen Farben hin-