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Zeitschrift für christliche Kunst — 6.1893

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Heft 6
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Fisenne, Lambert von: Zweischiffige Kirchen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4305#0097

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Abhandlungen.

Zweischiffige Kirchen.

Mit 10 Abbildungen,
ie ungemein rege Thätigkeit auf dem

O DO

Gebiete der Kirchenbaukunst macht
die Frage, welche Form des Grund-
risses sich wohl am meisten für
eine Pfarrkirche empfehle, zu einer brennenden.
Wiederholt ist dieselbe denn auch schon in
dieser Zeitschrift behandelt worden und zwar
gleich im ersten Jahrgange. Zuerst wurde die
einschiffige Kirche als Typus einer Pfarrkirche
hingestellt (I. 153—1G4), die Unhaltbarkeit
dieser Ansicht aber gleich darauf dargelegt
(I. 235—240 u. 271—280). Es ist meiner An-
sicht nach überhaupt verfehlt, wenn man irgend
eine Grundrifsform als Modell anführen will.
Die Kirchen müssen eben den jeweiligen Ver-
hältnissen und Mitteln entsprechend entworfen
werden, dann kommt auch etwas Richtiges zu
Stande, und gerade hierin hat sicli der Archi-
tekt als Meister zu zeigen. Es ist sehr zu be-
dauern, dafs in dem Haschen nach pikanten
Lösungen der Hauptzweck des Baues ganz
aufser' Acht gelassen wird. Die Architekten
wollen manchmal nur eine schöne, bestechende
Aufsenansicht erzielen und da bleibt für das
Innere nur das Nothdürftigste übrig. Ist es
nicht ganz natürlich, wenn man einen solchen
Prachtbau ansieht, dafs man mit hochgespann-
ter Erwartung eintritt, um das Innere zu be-
wundern? Und dann die furchtbare Enttäu-
schung! Aufsen eine Verschwendung kostbaren
Hausteinmaterials, reiche Formenentwickelung.
mit einem Wort eine Pracht ohne Ende: und
im Innern? Kahle Wände, gemauerte und ver-
putzte Pfeiler, nicht einmal ein llausleingesims
oder Blattkapitäl, alles Kalk- oder Cementputz.
So haben die alten Meister nicht gebaut Da
stimmte das Aeufsere mit dem Innern überein,
da sah man, dafs die Kirchen auch im Innern
sich als Gotteshäuser kennzeichneten. In den
meisten Fällen ist sogar mehr Werth auf die
innere Ausstattung der Kirchen gelegt als auf
die äulscre.

Von der einschiffigen bis zur Siebenschif-
ligen Kirche sind im Mittelalter alle Grundrifs-

anlagen vertreten, indem dieselben sich immer
dem Zwecke und den Bedürfnissen anpafsten.
Wenn ich also heute ein Wort über zweischif-
fige Kirchen sagen will, so mufs ich mich von
vorne herein gegen die Annahme verwahren,
als wollte ich diese als die allein richtige Form
für Pfarrkirchen hinstellen. Ich will nur eine
Grundrifsdisposition erläutern, die in neuerer
Zeit nur ausnahmsweise einmal angewendet
wird, obwohl sie in manchen Fällen den Vor-
zug vor dreischiffiger oder einschiffiger Anlage
verdiente. Ich weifs ja nur zu gut, wie sehr
man, besonders bei den Herrn Geistlichen, auf
Widerspruch stöfst, wenn man davon spricht,
eine Pfarrkirche zweischiffig zu gestalten. Das
könne nicht schön sein, heifst es da, eine Pfeiler-
oder Säulenreihe mitten vor dem Altar, da sähe
ja die Hälfte der Leute den Altar nicht, und
wenn der Priester sich am Altar dem Volke
zuwende, sähe er vor eine Säule, und was dann
solcher Einwendungen mehr sind. Wenn man
diesen Herren einmal eine zweischiffige Kirche
zeigen könnte, so würden sie rasch von ihren
Vorurtheilen befreit sein, denn es gibt aufser
der einschiffigen Anlage eben keine, in der man
besser den Altar von allen Punkten der Kirche
aus sehen kann, als gerade die zweischiffige;
wenn der Priester vom Altar aus starr der
Achse der Kirche entlang sehen will, so sieht
er freilich nur die Säulenreihe, bei einer drei-
schiffigen Kirche, sieht er aber dann den ge-
wöhnlich leeren Mittelgang. Auch wurde mir
entgegengehalten, dafs, wenn die zweischiffige
Kirche wirklich so praktisch wäre, weshalb denn
so wenige solcher Kirchen gebaut worden wären.
Hierauf kann ich entgegnen, dafs es nicht
wenige, sondern sehr viele zweischiffige Kirchen
gibt. Die ,,k. k. Centralkommission zur Er-
forschung und Erhaltung der Kunst- und histo-
rischen Denkmale" in Oesterreich hat in ihren
trefflichen Publikationen über 60 zweischiffige
Kirchen beschrieben. In der Eifel ist fast die
Hälfte der Kirchen zweischiffig; an der Mosel
gibt es noch eine ganze Reihe solcher An-
lagen, und ich glaube nicht fehl zu gehen, wenn
ich behaupte, dafs es im Mittelalter nahezu
ebensoviele zweischiffige als einschiffige Kin hen


 
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