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Zeitschrift für christliche Kunst — 6.1893

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Heft 7
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Firmenich-Richartz, Eduard: Stephan Lochner, der Meister des Dombildes
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Abhandlungen.

Stephan Lochner, der
Meister des Dombildes.

Mit 2 Lichtdrucken (Taf.VI.VIl).

[1s im Beginne unseres Jahr-
hunderts ein frischer natio-
naler Sinn, getragen von
schwärmerischer Begeiste-
rung sich der Erforschung
der deutschen Vergangenheit
zuwandte, erschienen auch
die Reste altheimischer
Kunst in neuem Lichte,
wirkten wiederum in nie
),/ alternder Schönheit befruch-

tend auf den neuerwachten deutschen Geist.
Neben der erhabenen Ruine des Kölner Domes
stand aber damals das Altarbild der Stadtpatrone
Kölns im Mittelpunkte der Betrachtung; beide ver-
knüpfte ein inniges Band idealer Vorstellungen.
Die poetischen Ergüsse Friedrich von Schlegel's,
die Tagebuchnotizen und Briefe seines Freundes
Sulpiz Boisseree, Wallrafs überschwengliche
Schilderung bilden hierfür ein werthvolles Zeug-
nifs und spiegeln gleichzeitig den berauschenden
Phantasieeindruck wieder, den der Altar in der
Rathhauskapelle auf die Romantiker ausübte.

Der kühnste Traum schien verwirklicht; man
besafs auf rheinischem Boden eine durchaus eigen-
artige mittelalterliche Kunstschöpfung, welche
durch den Ausdruck überirdischer Empfindungen
und heitere Lebensfülle sich den gepriesensten
Emanationen christlichen Ktinstgeistes zur Seite
stellen konnte, und in dem man ein zauber-
kraftiges Palladium gegen jede Bevormundung
„wälschen Geschmackes" zu besitzen wähnte.

DerWärme des poetischen Gefühls und einem
ehrlichen Patriotismus verdanken wir so Vieles
und Grofses, dafs wir den Männern, welche das
Studium der vaterländischen Kunst anbahnten,
manchen Irrthum, Schiefheiten des Unheils und
ein wahrhaft naives Spiel mit wissenschaftlichen
Problemen zu Gute halten können. Es lohnt die
Mühe, sich die Anschauungen über unser Dom-
bild zur Zeit der Wiederentdeckung deutscher
Kunst zu vergegenwärtigen.

Im Jahre 180-1 waren die Brüder Boisseree'1

in Begleitung F. von Schlegel's von ihren ge-
meinsamen Kunststudien in Paris in die Hei-
math zurückgekehrt. „Bertram hatte noch eine
Erinnerung von dem grofsen Altargemälde der
Stadtpatronen in der Rathhauskapelle, welches
auch in allen altern Büchern, die von Köln
handeln, als sehr kunstreich und berühmt an-
geführt wird. Dasselbe war seit mehreren Jahren
aus der Kapelle verschwunden, der Patriarch,
so nannte man den Rathskaplan, war nämlich
und mit ihm der Gottesdienst abgeschafft wor-
den. In jenen Zeiten der Umwälzung hatte
jedoch der um die Alterthiimer der Stadt sehr
verdiente Professor und Kanonikus Wallraf ver-
anlafst, dafs das Bild in ein abgeschlossenes Ge-
wölbe beseitigt und dadurch vor Zerstörung und
Verschleuderung gerettet wurde. Auf nähere
Nachfragen erfuhren wir, der lang verborgen
gehaltene Schatz sei seit Kurzem in einem der
Säle des Rathhauses wieder aufgestellt. Wir
eilten hin und konnten die Herrlichkeit und
Eigenthümlichkeit des ganz ausgezeichneten Bil-
des mit Schlegel2) nicht genug bewundern."

Man wurde nicht schlüssig, ob man es
.,wegen seiner Vortrefflichkeit gleich auf den
berühmtesten unter allen Namen", auf Albrecht
Dürer taufen solle, oder ob Hans Holbein
„wegen der frischen, weichen und kraftvollen
Karnation in den Köpfen" mehr Vaterrechte auf
diese Schöpfung besäfse; doch „diese Treue und
Wahrheit der Auffassung und der Farben" schien
Gemeingut des alten Stils, „ein Erbtheil der van
Eyk und so auch das Schlichte, Gerade und
Ernste der Gestalten und Gesichter mehr in dieser
Art." Aber — „es ist noch etwas darin, was
man in den Gemälden jener drei Künstler doch
nicht fühlt; die Blüthe der Anmuth ist diesem
beglückten Meister erschienen, er hat das Auge
der Schönheit gesehen und von ihrem Hauch
sind alle seine Bildungen übergössen. So allein
wie Angelico unter den altern, oder Rafael,
der Maler der Lieblichkeit, unter den neueren
Italienern steht, so einzig ist dieser unter den
Deutschen. Er hat die himmlische Phantasie

') »Sulpiz Boisseree. I, S. 28, Stuttgart 18G2.
2) Friedrich von Schlegel »Dritter Nachtrag
alter Gemälde«, Europa IV, S. 130 ff.
 
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