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Zeitschrift für christliche Kunst — 6.1893

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Heft 7
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Tafel VII
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Stummel, Friedrich: Teppichartige Wirkung, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4305#0125

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213

1893. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 7.

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zu. Allein auch dieses vorzügliche Mittel, etwaige
in der Herstellung nicht gebrochene Töne durch
diesen Ueberzug zu einer einheitlichen Stim-
mung zu verbinden, wurde im Anfange der
dreifsiger Jahre nicht in diesem Sinne gebraucht.
Sehr oft sieht man an den damals entstandenen
Fenstern, dafs man helle Farben, besonders das
Weifs so stark mit Grisail deckte, dafs der Glanz
desselben sich vollständig verlor, und indem man
farbige Gläser ganlicht oder doch nur sehr
wenig überzog, brachte man den unerhörten
Unsinn fertig, dafs ein Blau oder Roth heller
wirkte, als das daneben stehende Weifs, ein voll-
ständiges auf den Kopf Stellen jeder Farben-
ordnung und harmonischen Stimmung. In der
Musik würden die Meisten sich bei den falschen
Tönen nicht gestimmter Instrumente die Ohren
zuhalten, aber für Farbenton beginnt erst all-
mählich das Gefühl sich zu erschliefsen, und
die unempfindliche Dickhäutigkeit ist oft dort
am stärksten vertreten, wo man, statt zu em-
pfinden, „wissenschaftlich" zergliedern und kriti-
siren will.

In der Glasmalerei hat man seit einigen
Jahren einen erfreulichen Wandel zu verzeichnen.
Nicht nur, dafs man in den Fabriken begonnen
hat, den alten Tönen nachgebildete Glastafeln
herzustellen, sondern einige Ateliers haben auch
durch Anwendung der Patina neue Leistungen
ihrer Glasmalerei um einige Jahrhunderte älter
aussehen gemacht, sodafs manches alte Original
neben solcher Arbeit von heute gar rein und
frisch aussieht. Maafshalten ist auf diesem Ge-
biete nothwendig, und es ist wohl zu bedenken,
dafs neben der Stimmung durch solch' einen
bräunlichen Schmelz, theils von den alten Mei-
stern gemacht, theils durch das Oxyd im Laufe
der Jahrhunderte gemehrt, der wichtigere Vor-
zug der alten Kunst in der feinen Wahl der
wenigen harmonischen Töne bestand und in der
meisterhaften Geschicklichkeit, bei dieser Be-
schränkung durch die Vertheilung über grofse
Flächen und mannigfache Wiederholung in ge-
ordneten Zwischenräumen Wirkungen hervor-
zubringen, welche reich an Abwechslung zu
sein scheinen. Man kann ein schlechtes modernes
Fenster durch den Ueberzug von Asphaltlack
in den Farben erträglicher machen, aber ein
Kunstwerk im Sinne der Alten ist es damit um
keinen Grad mehr geworden. Die Erkenntnifs
von der Wichtigkeit der Farbenstimmung wird
einem Jeden klar durch die Beobachtung, dafs,

bevor wir aufweite Entfernung den dargestellten
Gegenstand erkennen, sich schon in solcher
Entfernung die farbige Totalerscheinung auf-
drängt und schlecht gestimmt, Mifsbehagen in
der Seele des feinfühligen Beschauers erzeugt.
Das aber nicht allein, sondern bei näherem
Hinzutreten wird das Erkennen durch einen
richtigen Tonsatz gefördert, und wie der Wohl-
laut eines volltönenden Organs das Ohr des
Hörers entzückt und den Sinn für die Auf-
nahme der Rede erschliefst, so wird auch die
stilvolle Zeichnung durch eine stilvolle Behand-
lung der Farbe ihren vollen Ausdruck erlangen
und das Auge des sinnigen Beschauers mit un-
auslöschlichen Eindrücken erfüllen.

In der Wasserfarbenmalerei auf Pergament
und Wand liegt ein ähnlicher Vorgang zu Grunde,
eine einheitliche Stimmung hervorzubringen, wie
solcher bei der Färbung der ungebleichten gelb-
lichen Wolle zur Herstellung der Orientteppiche
vorher beschrieben ist. Die Farbe des Mörtels
und Pergamentes hat den ähnlichen gelblichen
Ton, wie die Naturwolle. Indem man auf diesen
Grund die Farben dünn auftrug, wirkte diese
Unterlage durchscheinend mit zur Brechung der
Farbe; aber auch bei deckendem Auftrag beein-
fiufst solch' ein Grund die Tonbildung, indem
es dem empfindlichen Auge des Malers unmög-
lich war, in die so vorhandene Stimmung Un-
harmonisches hineinzusetzen.

In der Oelmalerei bieten die zahlreich er-
haltenen Tafelbilder eine reiche Gelegenheit, zu
beobachten, wie sorgfältig die Alten den Kreide-
grund zu benutzen verstanden. Durch die auf's
Sorgfältigste aufgetragenen Lasuren schimmelt
die mit kräftigen Strichen auf den Kreidegrund
gezeichnete erste Formenandeutung hindurch.
Man sieht die Konturen wie auch die schrägen
Strichlagen der Schattirung, und in oftmaligem
dünnen Auftrag der Oelfarbe ist diese erste An-
gabe zur weichen Rundung der Schatten, zu
stimmungsvollem Schmelz und zu einer gesät-
tigten Fülle des Tones durchgebildet. In der
späteren Zeit machte man von einem dicken,
undurchsichtigen Auftrag der Farbe Gebrauch,
doch so, dafs über diesen, als gut getrocknete
Unterlage, die Lasuren gebracht wurden, welche
einen saftigen, tiefwarmen Ton über die hellere
und trocken aussehende Unterlage ausbreiteten.
Es war nichts Seltenes, dafs man über das
fertige Bild im Ganzen einen bräunlichen Ton
zog; den Fimifs, an sich schon gelblich, durch
 
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