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Zeitschrift für christliche Kunst — 6.1893

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Heft 7
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Firmenich-Richartz, Eduard: Stephan Lochner, der Meister des Dombildes
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Tafel VII
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https://doi.org/10.11588/diglit.4305#0119

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201

1803. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 7.

202

wisses Ungeschick des Künstlers. Die Figuren
sind kräftig und untersetzt. Aufser den reichen
Trachten dokumentirt sich der Modegeschmack
zumeist in der geschwungenen Haltung der
Frauen, ihren schmalen, abfallenden Schultern,
dem etwas schweren, allzu hochstirnigen Kopfe.
Gerade die Gesichter haben leider durch Ueber-
malung und starkes Abreiben vielfach gelitten,18)
den vollen Eindruck des ursprünglichen Lieb-
reizes bietet heute nur noch das Antlitz der
hl. Jungfrau im Bilde der Verkündigung. In den
Charakterköpfen der Männer ging der Maler
so weit in der Individualisirung, dafs man hier
mehrfach Porträts, unter anderm auch das des
Künstlers selbst vermuthete.19) Ein Meisterwerk
in Modellirung und Zeichnung ist der leider auch
nicht mehr ganz intakte Kopf des greisen Melchior.

Ein besonderes Kennzeichen einer eigen-
artigen Formensprache, die Hände werden vom
Meister des Dombildes sehr voll und fleischig
gebildet, sie verbreitern sich merklich ; die kurzen
Finger zeigen rundliche Nägel.

Die lebhafte Farbenwirkung der Gemälde
beruht auf den kräftigen leuchtenden Tönen,
welche der Maler unvermischt gegeneinander
setzt. Neben dem dunkelblauen Hermelinkleide
der Madonna steht der leuchtendrothe Damast-
mantel und der maigrüne Ueberwurf der ver-
ehrenden Magier. Ebenso glüht auf den Flügel-
bildern in den Gewändern ein intensives Roth
neben Dunkelblau und Gelblichgrün. Die Pracht
des farbigen Schimmers wird noch gehoben durch
die strahlenden Rüstungen, in denen sich das
Tageslicht spiegelt, die glitzernden Perlen, das
Pelzwerk, Sammet, Brokat und Stickereien. In
der Ausführung aller Details kann sich der Meister
kaum erschöpfen, er schildert die blinkenden
Goldgefäfse, den Schmuck der Frauen mit der-
selben Geduld, wie die bunten Blumen, Kräuter
und Gräser, welche zu Füfsen seiner Gestalten
einen üppigen Teppich bilden, er übersieht nicht
einmal den kriechenden Käfer am Boden.

In der Gewandbehandlung liegt zwischen
den Innen- und Aufsenseiten ein gewisser Um-
schwung des Geschmacks. Im Innern sehen wir

18) Ueber eine „Auffrischung" des üombildes,
welche Arnold Bruyn um 15ü8 unternahm, vgl. Merlo
im •Kölner Domblatt« (1862), Nr. 211 und des Ver.
fassers Schrift •Bartholomäus Bruyn und seine Schulet
(1891), S. 2!) ff.

'•) Vgl. Mohr .Köln in seiner Glanzzeit« (1885),
.180 ff.

grofse Faltenmassen in rundlichem, manchmal
etwas knitterigem Bruche, auf den Aufsenseiten
legt sich das Kleid Mariae und der Ornat des
Engels etwas kleinlich in zahlreichen scharf-
kantigen Falten und Wülsten; der Meister folgt
hier offenbar dem Vorbild des Hubert van Eyk.
Auch die Schilderung des ganzen Interieurs mit
seinem Hausrath erinnert an das Beispiel des
Genter Altarwerkes. Im Uebrigen erräth man
den Einflufs der realistischen, niederländischen
Richtung mehr in der ganzen lebendigen Auf-
fassungsweise und der Lust an naturwahrem
Detail, als dafs Stil oder Technik direkt auf
ein abhängiges Verhältnils hindeuteten. Die Oel-
malerei der Brügger Schule blieb dem Meister
des Dombildes offenbar noch unbekannt.

Lochner's sehr bestimmt ausgeprägte Formen-
sprache ermöglicht es, auch andere Gemälde
dem Meister zuzuweisen und seinen Entwick-
lungsgang zu verfolgen.

Zunächst beanspruchen wir für den jugend-
lichen Künstler20) das (im erzbischöfl. Museum
ausgestellte) Marienbild des Kölner Priester-
seminars.21) Die Madonna mit dem Veilchen war
vollständig übermalt, als A.Brasseur das Gemälde
1852 näher prüfte und zu reinigen unternahm.
Da verlor sich denn der später angedichtete Zug
süfslicher Koketterie aus dem Antlitz, ein barocker
Thronsessel verschwand und unter dem über-
malten Fliesenboden sprofsten Waldblumen und
Beeren hervor. Doch mufste der glückliche Ent-
decker immerhin auch vieles von dem Seinigen
hinzufügen. Fast die Hälfte des Kopfes Maria,
grofse Partieen der Gewandung, die Inschriften
der Spruchbänder22) U. s. w. sind nicht eben
tadellos erneuert worden.

Crowe und Cavalcaselle knüpften an dieses
Bild die Hypothese einer intimeren Wechsel-

"J Als frühes fugendwerk Lochner's galt auf der
Düsseldorfer Ausst. 1880 auch ein Triptychon: Maria
umgeben von den Symbolen ihrer Jungfräulichkeit (aus
A. Test. u. Physiologus), zwölf Propheten— Augustinus
und Hieronymus im Prov.-Museum zu Bonn.

21) 2,101/, m h., 0,99 m br. .Org. f. christl. K.«
(1853), III, Nr. 7, S. 54 ff. Lübke im »D. Kunstblatt«,
S. Mai 1855, Nr. 18, S. 157. Farbendruck der Arundel
Society, zahlreiche Lith., Stahlst., Holzschn. Tafel VII.

—) Die Inschriften lauten auf dem Spruchband
Gottvaters: „in Carilate perpetua dilexi te." Beim
hl. Geiste: ,,Hec requies nie in seculum Seculi:." Bei
den Engeln: „Hec est que veseivit (statt neseivit) tho-
rum in delie-to (delicto)." Bei der Stifterin: „Dulcis
de nato veniam michi virgo rogato. . . . Insta u(t)
se(mper) . . , videam tunc (?) sine fine quiescam."
 
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