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Zeitschrift für christliche Kunst — 6.1893

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Heft 8
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Justi, Carl: Studien aus der historisch-europäischen Ausstellung in Madrid, [2]
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Beissel, Stephan: Die mittelalterlichen Mosaiken von S. Marco zu Venedig, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4305#0134

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231

1893. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

232

er oft in solchen Kindchen ist, hat nie die Rück-
sicht auf ihre Bedeutung vergessen, er hat das
Kind bald durch das zärtliche Verhältnifs zur
Mutter, bald durch einen Schimmer seiner höhe-
ren Natur (z. B. in der segnenden Geberde)
über das gewöhnliche erhoben. Auch in die
hl. Jungfrau ist durch die Vermischung der ar-
chaistisch steifen Haltung mit gemeinen Modell-
elementen ein unglücklicher, trübe-leerer Ge-
sammteindruck gekommen. Kurz, das von dem
altern Meister angedeutete, spielende Motiv ist in
diesem trotzig ungeberdigen Kinde und in seiner
„in dumpfer Blödigkeit befangenen" Mutter doch
gar zu nüchtern und ordinär herausgekommen.

Warum aber machte der sonst dem Natürlichen
zugewandte Meister mit seiner Umarbeitung
gerade vor diesem gespenstischen Mantel Halt?
— Doch es hiefse wahrlich dem Geschmacke des
Lesers gar zu wenig schmeicheln, wollte man
noch weiter solche Unwahrscheinlichkeiten mit
Worten umschreiben, und wir schliefsen mit dem
aufrichtigen Wunsche, dafs Dürer's „Madonna mit
der Nelke" bald in ihr früheres stilles Dunkel, im
Limbus der Namenlosen, zurückkehren möge, wo
sie übrigens in dem Meifsener Dombild, in der
geheimnifsvollen Venezianerin des Städel'schen
Stifts u. a. recht gute Gesellschaft finden würde.
Bonn. Carl Justi.

Die mittelalterlichen Mosaiken von S. Marco zu Venedig.

Mit 5 Abbildungen.

j~| tili und einsam trauert die verwitt-
wete Königin der Meere über den
Untergang ihrer Macht, über die Ver-
armung der alten Geschlechter und
den Verlust ihrer Freiheit. Kein Wagen, kein
Pferd belebt ihre Strafsen. Eiliger als anderswo
gehen die Einwohner durch die engen Strafsen hin,
rasch steigen sie die Brücken hinan und hinab,
welche sich hoch über das Netz der zahlreichen
Kanäle wölben. Regen Verkehr sieht man nur
in den wenigen Strafsen, die zu solchen Brücken
führen oder von ihnen kommen; in die zur Seite
gelegenen Gassen treten fast nur jene ein, welche
dort wohnen. Will der Fremde in sie einbiegen,
so warnt ihn ein freundliches oder neckisches:
..Non si passa." „Da kommt man nicht durch."
Selbst in der berühmten Verkehrsader, dem
von verfallenden Palästen umsäumten Canale
grande herrscht eine Stille und Ruhe, wie sie selten
in grofsen Städten, am wenigsten im lebhaften
Süden, gefunden wird. Leise dampfen die grofsen,
breiten Schiffe von einer Haltestelle zur andern,
vom rechten Ufer zum linken. Fast lautlos ver-
lassen die Einen das Schiff, die Andern drängen,
um geschwinde einzusteigen. Eintönig und kurz
erklingt der Ruf der Gondelführer und sind sie
hineingefahren in die engen Seitenkanäle, dann
wird es so einsam, dafs man lebhaft erinnert
wird an den Führer, der in den verödeten Strafsen
von Pompeji die Wege zeigt.

Aber wie reich und grofsartig entfaltet sich
das rege Leben der noch immer bedeutenden
Stadt auf dem Marcusplatze, einem der schönsten

der Welt. Was vergleicht sich mit diesem Blick
auf die weite, von feingegliederten Bauten um-
säumte Wasserfläche, was mit den Bogengängen
des Palastes der ehemaligen Dogen, was mit
der Facade von S. Marco! In fast verschwen-
derischer Pracht ist sie durch Farben und Gold,
durch Erz und Marmor belebt, durch Kunst-
werke fast aller christlichen Jahrhunderte aus dem
Orient und Occident verziert. Welche Fülle von
Mosaiken bietet die Vorhalle, welchen unüber-
sehbaren Reichthum das Innere! Unvergefslich
bleibt ihr goldener Schmuck und die Schaar der
Heiligen auf all ihren Wänden im Aeufsern wie
im Innern. Es wäre zu viel, die Darlegung der
verwickelten Baugeschichte, die Beschreibung
ihrer plastischen Bildwerke und ihres Schatzes
zu unternehmen. Versuchen wir ihre mittel-
alterlichen Wandmosaiken mit Rücksicht
auf den ikonographischen Zusammenhang, den
Stil und die Zeit der Entstehung kurz und über-
sichtlich zu behandeln. Wir beschränken uns
also auf ein Drittel der vorhandenen Mosaiken,
auf diejenigen der Wände und Kuppeln, mit Aus-
schlufs der den Boden zierenden und der nach
Schlufs des Mittelalters entstandenen.

Als Hülfsmittel diente zuerst das 1878—1888
erschienene gewaltige Werk Ongania's. Voll-
ständig gebunden und in ein eigenes Bibliotheks-
gestell untergebracht, ward es bis vor Kurzem
neu zu 3433 fcs. verkauft. Jetzt kann man es
bei einiger Kenntnifs der buchhändlerischen Ver-
hältnisse zu 1000 Mark erlangen. Trotz der
14 Folianten und 6 Quartbände mit 741 Tafeln
 
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