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Zeitschrift für christliche Kunst — 6.1893

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Heft 9
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Atz, Karl: Alte Werke der Kunst und des Kunsthandwerkes auf der heurigen Landesausstellung zu Innsbruck
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https://doi.org/10.11588/diglit.4305#0157

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277

1893. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.

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eklektische Anlage, so dafs das eine vorzüglich gelingt
und reizend wirkt, während anderes daneben weniger
befriedigt, ja oft verstöfst, z. B. in den Körperverhält-
nissen, im Ausdruck, in der Behandlung der Köpfe
u. dgl. In Folge dessen schreibt auch Wilhelm Lübke
diesen Gossensafser Altar mit Wahrscheinlichkeit schwä-
bischen Einflüssen zu. Einen ausländischen Künstler,
welchen er noch für einen Meister in Innsbruck fälsch-
licher Weise hält, vgl. seinen Aufsatz: „Alte Kunst-
werke in Tirol", Beilage zur »Allgem. Zeitung« 1883
Nr. 208, 209, finden wir nach »Ferd. Zeitschrift« vom
Jahre 1892 in Hans Mueltscher aus Ulm. Dieser hat
erwiesenermafsen den grofsartigen Hochaltar für
die Pfarrkirche der Stadt Sterzing gemacht,
aber viel früher, nämlich schon 1456. Davon war ein
Stück der noch vorhandenen Flügelthüren in der Aus-
stellung zu sehen; es stellt den Tod der allerseligsten
Jungfrau dar. Robert Vischer bemerkt in seinen »Studien
zur Kunstgeschichte« S. 456: „Dieses Bild sei von
gröfserer Bedeutung." Maria, gar zarten Körperbaues
und fein geschnittenen Gesichtes, beobachtet eine vor-
nehme Lage auf dem hochaufgerichteten Sterbelager,
umgeben von den gefällig gruppirten Apostelfiguren,
welche weite, weich gefaltete Gewänder tragen. Petrus,
mit Albe, Stola und Pluviale angethan, segnet die
sanft Dahinscheidende, in der Mitte hinter der Bett-
stelle stehend; der Apostel mit der Sterbekerze, der
nächste dem Haupte Mariens, hält sich mit der Linken
den Mund zu, was etwas zu realistisch und zu dem
Absterben der hl. Jungfrau nicht ganz passend er-
scheint ; ein Anderer zu F'üfsen bedeckt trauernd mit
beiden Händen sein Gesicht, zwei lesen aus einem
Buche, von denen jener im Vordergrunde sitzend allein
unter allen Anderen durch grofsen Nimbus ausgezeichnet
ist, etwa Johannes? — Wieder ein Anderer schaut sehr
gerührt fest gegen Himmel, alle Uebrigen zeigen eine
sehr grofse Theilnahme an der erschütternden Szene,
deren Schilderung der Künstler meisterhaft wiederzu-
geben weifs.

Ein wahres Kleinod bildete ein kleiner Flügelaltar
aus dem Ansitze Zimmerlichen zu Völs im Eisak-
thale stammend, welchen Hermann Ritter v. Widmann
letztes Jahr um 20 000 fl. gekauft und dem Museum
in Innsbruck zum Geschenke gemacht hat. Er ist
innen mit 36 Emailbildern geschmückt, von denen
jedes Stück ungefähr die Breite von 18, die Höhe
von 16 cm hat, — und als die gröfste existirende Suite
zusammenhängender Emailtafeln bekannt. Die Tafeln
sind so geordnet, dafs 18 auf dem Mitteltheil, — Schrein
kann man es nicht nennen — und 9 auf jeder Flügel-
thüre zu stehen kommen. Schmale Holzstreifen trennen
sie voneinander. Die Darstellungen sind aus dem
Alten und dem Neuen Testamente genommen, be-
ginnen mit dem Sündenfalle und schliefsen mit dem
jüngsten Gerichte ab; sie erinnern an A. Dürer's kleine
Passion und die Herstellung der Tafeln wird dem
Colin NouiHier von Limoges um 1588 zuge-
schrieben. Die Konturen sind öfter unbestimmt, je-
doch verhälttiifsmäfsig fein gehalten, häufig golden;
die meist hellen Farben sind klar und kräftig, aber
stets sich wiederholend, während der Hintergrund
durchaus kräftig blau mit vielen goldenen Sternen be-
setzt erscheint. Alle Tafeln sind gut erhalten. Aufsen

auf den Flügelthüren ist Maria Krönung und Christus
am Kreuz mit Maria und Johannes gemalt, die aber
keinen gröfseren Kunstwerth haben. Der hölzerne Auf-
bau endigt in einem Eselsrücken, innerhalb dessen die
Dreifaltigkeit eingesetzt ist, deren Titel die Schlofs-
kapelle führt.

Enge schliefst sich ein reizendes, ganz kleines
Renaissance-Flügelaltärchen an, wenn man ein
Schaustück, einer gothischen Monstranz im Baue ver-
wandt, mit Flügelthüren und auf ziemlich hohem Fufs,
so nennen will. Es besteht aus Ebenholz und gehört
dem Benediktinerkloster Marienberg in Vinstgau. Wird
das gar zierliche Ganze schon durch die überreichen,
aufgelegten .Silberverzierungen werthvoll und schätzens-
werth, so steigert sich noch weiter unser Interesse
daran durch die wunderbaren Miniaturen von Anton
Wierix aus Amsterdam, wie er sich selbst verewigt
hat, aus dem Jahre 1609. Die Hauptdarstellung im
Schreine bildet die Geburt Christi, wo dem Heiland
von den Hirten und den drei Weisen zugleich gehuldigt
wird. Innen auf den Flügeln sehen wir die Beschneidung
und Opferung, aufsen die Verkündigung in Flachrelief
aus Silber, etwas breit gehalten. Die Malerei ist figuren-
reich, in lieblichen Farben und jedes Figürchen aufseist
fein mit gröfstem Fleifs unmittelbar auf dem Holz-
grunde ausgeführt.

Von „gemalten Mittelstücken alter Flügelaltäre"
sind zu nennen: Eine Krönu ng'JMariens, d. h. zwei
Engel halten eine Krone über dem Haupte der hl. Jung-
frau; es ist eine Allartafel aus der Kirche in Utten-
heim, nun in der v. Vintlerischen Sammlung zu Brun-
eck. Der Maler ahmte bei seiner Komposition einen
gewöhnlichen viereckigen Holzschrein nach, wo zwei
mit Fialen bekrönte Strebepfeiler schwach geschweifte
Wimberge tragen und den gröfseren Mittelraum von
zwei schmäleren Seitenräumen theilen. Im Mittelfeld
thront die Gottesmutter in weilen blauen Mantel gehüllt,
den sie über einem reich dessinirten Kleide trägt. In
sinniger Ruhe neigt sie anmuthig ihr Haupt und be-
trachtet mit halbgeöffneten Augen das göttliche Kind,
welches auf ihrem rechten Knie sitzt und von der
Mutter eine Birne in Empfang nimmt. Hinter dem
Throne halten die zwei bereits erwähnten Engel mit
der einen Hand einen goldrothen Damastteppich aus-
gespannt, mit der anderen die Blälterkrone. Zu beiden
Seiten stehen in den Nebennischen rechts St. Marga-
retha, links St. Barbara mit gegen Maria vorgeneigten
Köpfen in halber Vorderansicht, Gestalten voll jugend-
licher Schönheit und majestätischer Ruhe. Erstere trägt
auf ihrem fein gebildeten Kopf mit rosig angehauchten
Wangen einen weifsen, grün und roth umwundenen
Turban, ähnlich wie St. Michael und ein paar Engel am
M. Pacher'schen Altar in Gries bei Bozen, so dafs aus
diesem Nebenumstand und mehr noch aus anderen ver-
wandten Zügen gefolgert wird, diese Altartafel sei ein
Werk dieses Meisters, während Andere es einem tüch-
tigen Schüler desselben und schon dem XVI. Jahrh.
zuschreiben, wofür sie wichtige Gründe anzugeben wissen
{> Mitth. d. k.k. Centr.-Kommiss.« 1883 S. 58 und »Ferd.
Zeitschr.« 1891 S. 72.)

Ein grofses schönes Bild gehörte der Pfarrkirche
von Hall an, schmückt nun den Renaissance-Altar der
Fieger'schen Kapelle über der Vorhalle und stellt den
 
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