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Zeitschrift für christliche Kunst — 6.1893

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Heft 10
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Stiassny, Robert: Jörg Breu von Augsburg, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4305#0164

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291

1893.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 10.

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tragung, entsprechen. Die Geburt Christi trägt
auf dem Kleidersaum Maria die durch einen
Mantelzipfel abgeschnittene Bezeichnung:

Dieselbe wird durch eine zweite Kapital-
inschrift auf der Gewandborte des Leviten in
der „Beschneidung" vervollständigt, die mit
Ergänzung der übermalten Lettern lautet: 15(0) 1
• IAR • (M) ACHT • (D) IS . (^IR (W) AR . . .
Die Jahreszahl 1501 findet sich von neuerer
Hand auf der Geburt und Anbetung derKönige
nochmals aufgesetzt.

Der Stilcharakter der Gemälde, unabhängig
von der Selbstbezeichnung des Künstlers be-
trachtet, hätte kaum jemals auf die Vermuthung
ihrer Augsburger Herkunft geführt — mag der
bräunliche Gesammtton und eine Gestalt wie
die des mittleren Königs auf der Anbetung
auch entfernt an Jugendbilder Burgkmairs er-
innern. Vielmehr tragen die altertümlichen
Kompositionen in ihrer handwerklich derben
Ausführung das Gepräge einer entlegenen Pro-
vinzialkunst, und in den wüsten Schilderungen
der Leidensszenen auf den Aufsenseiten macht
sich eine Aehnlichkeit mit baierisch-österreichi-
schen Bauernbildern weit stärker geltend als
vereinzelte Anklänge an die in Deutschland so
allgemein verbreitete Kupferstichpassion Schon-
gauer's. So drängt sich die Annahme auf, dafs
der junge Künstler den Altar, dessen Reste
vorliegen, auf seiner Gesellenfahrt am Bestim-
mungsorte selbst gemacht habe, und diese Hypo-
these gewinnt einen äufseren Stützpunkt durch
eine Mittheilung des Hrn. Stiftsbibliothekars,
Georg Baumgartner in Herzogenburg, derzufolge
in dortigen Klosterurkunden der Geschlechts-
name „Prew" im XVI. und XVII. Jahrh. mehr-
fach vorkommt, daher einer in der Umgebung
ansässigen Familie angehört haben dürfte, die
möglicherweise mit ihren Augsburger Xamens-
genossen zusammenhing.2)

2) Ein den Herzogenburger Tafeln verwandtes Ge-
mälde in der Prälatur des Stiftes Lilienfeld (N.-Oesterr.),
der hl. Benedikt, der den Erlöser vom Kreuze nimmt, er-
wähnt Sacken a.a.O. S.20; ein zweites in derGalerie
zu Pommersfelden (Nr. 219), eine Darstellung der christ-
lichen Kelter, Frimmel in den »Kl. Galeriestudien«!,Gl.

Nach einer anderen süddeutschen Gegend,
den Bodensee, verweist uns die nächste sichere
Leistung Breu's, ein bisher übersehener Holz-
schnitt vom Jahre 1504 (Schreiber »Manuel
de l'amateur de la gravure« II, Nr. 2022). Das
höchst seltene Blatt, dessen Bekanntschaft ich
Dr. M. Lehrs verdanke, (altkolorirte Exemplare
im Stuttgarter Kabinet, der Kupferstichsammlung
Friedr. August II. in Dresden und der Albertina
zu Wien), zeigt die Madonna in statuarischer
Auffassung auf einem Sockel, zwischen den
hh. Conrad und Pelagius, innerhalb eines
gothischen Portals; in den Zwickeln über dem
Kleeblattbogen desselben die typologisch ge-
dachten Figürchen des ersten Elternpaares. In
der Ecke rechts unten das hier zum ersten Male
auftretende Monogramm des Künstlers; ein
kleines gothisches b mit einem durch den
Schaft kreuzweise geschobenen i. Vorne am
Sockel der Madonnenfigur lehnt das Wappen
des Bestellers, des Konstanzer Bischofs Hugo
von Alten-Landenberg (1496—1532), desselben
kunstfreundlichen Kirchenfürsten, dessen Stifter-
bildnifs wir auf dem sogen. Landenbergischen
Altar der Karlsruher Galerie (Nr. 48) und einer
Predella der Sammlung zu Donaueschingen
(Nr. 62) erblicken. Die gefallsame Anordnung
der Darstellung, die schlanken, wohlverstandenen
Formen und sprechenden Köpfe beurkunden
den Herzogenburger Flügeln gegenüber einen
bedeutenden Aufschwung der Kunst Breu's,
auf den das Beispiel seines begabteren Alters-
genossen Burgkmair gewifs nicht ohne Einflufs
geblieben war (s. die Abb.). Zeitlich und stilistisch
schliefst sich an dieses Blatt ein zweiter mono-
grammirter Holzschnitt unmittelbar an, die
Kreuzigungsgruppe (Passavant2), welche seit
1505 in verschiedenen Missalien Verwendung
findet (Abb. Hirth-Muther »Meister-Holzschnitte«
Tafel 91). In der naturalistischen Figur des
Gekreuzigten erkennt man Geist und Hand
der Herzogenburger Passionsbilder, in der vor-
nehm gewendeten Marienfigur und dem fein-
geschwungenen Profil des Johanneskopfes den
Reifser des Madonnenholzschnittes von 1501
unschwer wieder.

In den folgenden Jahren verlieren sich die
Spuren der Thätigkeit Breu's; nur von unter-
geordneten dekorativen Arbeiten erfahren wir,
die er 1506 in der Moritzkirche zu Augsburg
besorgte (Vischer, a. a.' O., S. 579). Dafs der
Künstler aber auch höheren Ansprüchen genügen
 
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