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Zeitschrift für christliche Kunst — 6.1893

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Heft 10
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Stiassny, Robert: Jörg Breu von Augsburg, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4305#0167

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297

1893. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST _ Nr. 10.

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Wie dieses Madonnenbild von einem bei
dem Künstler ungewöhnlichen, allerdings schon
durchaus weltlichen Schönheitsempfinden Zeug-
nifs ablegt, so überrascht sein drei Jahre später
entstandener Holzschnitt „Christi Ver-
spottung" (Passavant 1) durch das Geschick
dramatischer Schilderung und die malerische
Kühnheit, mit der ein geschlossener Helldunkel-
effekt angestrebt ist (Abb., Muther »Deutsche
Bücher-Illustration« II, Tafel 175). Das signirte
Blatt (92 X 66 mm) erschien in Wolfgang von
Män's »Leiden Jesu Christi«, Augsburg, bei
H. Schönsperger 1515. Unter den 29 übrigen
Illustrationen dieses Andachtsbuches rühren die
wenigen, welche nicht Burgkmair und Schäuffe-
lein angehören, gleichfalls von Breu her. Es sind
dies die ihm bereits von Muther a. a. O. zuge-
theilte Darstellung „Christus vor Pilatus", ferner:
„Kaiphas in der Rathsversammlung", die„Geifse-
lung" und ■— allem Anscheine nach — das Voll-
bild der Schlufsseite: der Verfasser des Büchleins,
ein Kaplan Kaiser Maximilians, mit Maria und
Johannes, in Verehrung des Schmerzensmannes
(140x95 mm).

Aus dem Jahre 1518 besitzen wir wieder
ein durch das Monogramm beglaubigtes Tafel-
bild des Künstlers, die Anbetung der Könige
in der Hospitalkirche zu Koblenz (ca.
160X 80 cm). Das infolge Vergilbens des Fir-
nisses stark nachgedunkelte Gemälde mit seinen
fast lebensgrofsen, individuellen Gestalten, von
breitem, sorgfältig verschmolzenem Vortrag,
weist neben stehenden Eigenthümlichkeiten
Breu's, wie dem verkniffenen Ausdruck meh-
rerer Köpfe, dem giftigen Blaugrün und Karmin
in den Gewändern, sowie den kalten Lichtern
im Fleische, auch einige, ihm fremde Züge,
namentlich in der Zeichnung auf. Dieselben
kommen wohl zum Theil auf Rechnung des
niederländischen Einflusses, am ersten des Massys,
der sich nach dem von Scheibler bestätigten
Urtheil Kuglersf»Kl.Schriften« II, 314) indem
Gemälde bemerklich macht, besonders im Kopfe
des greisen Königs. Die Gesammtauffassung
bleibt aber augsburgisch und bietet manche
Berührungspunkte mit der Art G. Giltlingers.
Ein echtes Stück Augsburger Renaissance ist
der Arkadenhof des Hintergrundes, in welchem
die Garden des Mohrenkönigs im Stechschritte
aufmarschiren. Eine augsburger Patrizierpersön-
lichkeit endlich hat zur Gestalt des zweiten
Königs Modell gestanden; wir begegnen wenig-

stens demselben Kopfe auf zwei Bildern des
älteren Holbein, einmal unter den Zuschauern
auf dem Martyrium der hl. Katharina von 1512
in der Augsburger Gallerie, das andere Mal in
einem 1513 datirten Portrait der Sammlung
Lanckoronski in Wien, von dem drei alte Kopien
bekannt sind (vgl. »Jahrb. f. Kunstw.« V, 195).
Künstlerische Beziehungen zum Vater Hol-
bein verrathen zwei Glasgemälde Breu's,
früher im Fuggerhause, gegenwärtig bei Konser-
vator v. Huber in Augsburg (Photogr. Hoefle;
vgl. »Zeitschr. d. histor. Vereins für Schwaben
und Neuburg« I, 318). Die eine der beiden in
Grisaillemanier meisterhaft ausgeführten Rund-
scheiben (D. 22 cm), welche mit dem Monogramme
bezeichnet ist, führt ein auch kulturgeschichtlich
interessantes Innenbild vor, die Wohnstube eines
Augsburger Geschlechterhauses, in welcher der
Hausherr, seine Frau zur Seite, Marktleute für
in Empfang genommene Nahrungsmittel ent-
lohnt;3) die zweite Scheibe stellt eine Turnier-
szene, ein sog. „welsches Gestech über das Dill"
dar. Auch sonst scheint Breu als Visirer für Glas-
maler thätig gewesen zu sein. Eine von Rosen-
berg a. a. O. erwähnte Federskizze, mit dem Bitt-
gang römischer Frauen zu Coriolan im Berliner
Kabinet dürfte freilich erst nachträglich auf das
Rundformat zugeschnitten worden sein (D. 24cm;
braun lavirt, auf gebräuntem Papier); auch steht
die Eigenhändigkeit des unsicher gezeichneten
Blattes trotz des aufgesetzten Monogrammes
nicht aufser Zweifel. Jedenfalls Originalscheiben-
risse Breu's waren hingegen sechs in der näm-
lichen Technik entworfene Monatsdarstellungen
„in der Rondung", mit seinem Zeichen, welche
im Inventar der Kunstsammlungen des Erzherzogs
Leopold Wilhelm aufgeführt werden (»Jahrb. d.
kunsthist. Sammlung d. österr. Kaiserhauses« I,
Urkundentheil, pag. CLXIII). (Schlafs folgt.)

Wien, August 1&93. Robert Stiassny.

3) Hrn. v. Huber verdanke ich den Hinweis auf
eine freie Wiederholung dieser Szene auf einem Lein-
wandgemälde aus der zweiten Hälfte des XVI. Jahrh.
im Sitzungssaale des Augsburger Rathhauses, welches
das winterliche Markttreiben auf dem Karolinenplatze
der alten Reichsstadt schildert. Es gehört zu einem
Cyklus von Jahreszeitenbildern, dessen drei andere
Stücke sich auf Schlofs Leulstetten am Starnberger
See befinden. Eines der letzteren soll die Bezeichnung
„Vogtherr" tragen, die nur auf den jüngeren Maler
dieses Namens gehen kann, der 1541 die Malergerechtig-
keit in Augsburg erhält und mit Burgkmair Sohn 15-15
das bekannte Geschlechterbuch herausgibt.
 
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