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Zeitschrift für christliche Kunst — 6.1893

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Heft 11
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Firmenich-Richartz, Eduard: Der Meister der heiligen Sippe
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https://doi.org/10.11588/diglit.4305#0187

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33c

1893.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 11.

336

dem reuigen Petrus und steigt zur Vorhölle
hinab. In wilder Schlucht treiben Teufel ihren
Spuck um die Leiche des erl längten Judas.
(Photographie Hanfstängl.)

Andere Kreuzigungsbilder von bescheide-
nerem Umfang und schwächerer Durchführung
besitzt das Germanische Museum Nr. 29 (Klass.
Bilderschatz Nr. 499) und die Kirche zu
Vallendar bei Ehrenbreitstein.n)

Mehrere Kunstgelehrte benannten nun
unsern Sippenmeister nach einem andern, leider
nicht mehr intakten Altarwerk des Kölner
Museums Nr. 115, dem Sebastiansaltar, einer
Stiftung der gleichnamigen Bruderschaft in der
Kölner Augustinerkirche, dessen Mitteltafel wir
hierin Lichtdruckreproduktion(Taf. IX) beifügen.

Die ganze Legende ihres Patrons mufste
der Maler der Bruderschaft ausführlich auf
Goldgrund veranschaulichen; die figurenreichen
Hauptgruppen ergänzen zahlreiche Episoden
im Hintergrund.

Die Hauptszene des linken Flügels schildert
die begeisterte Predigt Sebastians, in welcher
er die Märtyrer Markus und Marcellianus im
Gcfängnifs tröstet, ihre Angehörigen und den
Kerkermeister Claudius erschüttert und be-
kehrt. In der Ferne ermahnt er, von einem
Engel unterstützt, die genannten Heiligen zum
Ausharren im Glauben und heilt Zoe, die
taubstumme Gemahlin Nikostrats. Als Christ
wird Sebastian dem Gericht Diokletians zu-
geführt, der ihn mauretanischen Bogenschützen
zur Hinrichtung übergibt.

Auf der Mitteltafel steht Sebastian halb
entblöfst an einen Baum gefesselt, den Pfeilen
der Heiden preisgegeben, welche ihn durch-
bohren, doch nicht zu tödten vermögen. Noch
lebend findet Irene, die Wittwe des Castulus,
den Märtyrer und pflegt ihn mit Beistand
eines Engels. Wunderbar genesen tritt Sebastian
wiederum vor den Kaiser und bedroht ihn
mit den Strafen des Himmels.

Vorn auf dem rechten Flügelbild wird der
Heilige im Beisein Diokletians mit Stöcken er-
schlagen; seinen Leichnam werfen die Henker
in eine Kloake, Lucina empfängt im Traum
Kenntnifs von dieser Entweihung, goldiger

n) Triptychon. Mittelbild Kreuzigung Christi. Auf
den Flügeln innen: Anbetung und Geburt Christi, aufsen-,
Verkündigung und Darstellung im Tempel (restaurirt).
Lehfeldt »Bau- und Kunstdenkmäler des Regierungs-
bezirks Koblenz« (1886) S. 215.

Lichtschein bezeichnet den Suchenden den
Ort der Schändung, in feierlicher Prozession
werden die sterblichen Ueberreste in den
Katakomben beigesetzt.

Dieser reiche Stoff ist mit Geschick ge-
ordnet; die Legende wird in lebhaft, fast munter
bewegten Figuren ohne all/.ugrofse Tragik be-
richtet. Die Farben sind etwas undurchsichtig
und schwer, das Inkarnat ist hart röthlich.
Die Aufsenseiten der Flügel schmücken sechs
Heiligengestalten. (Photogr. A. Schmitz.) Die
Augsburger Gallerie besitzt zwei grofse Tafeln
mit ähnlichen Charakterfiguren, St. Augustin,
Andreas, Hieronymus und ein Bischof.

In dem Altar Nr. 43—45 der Münchener
Pinakothek mit der Beschneidung Jesu und
den Heiligen Johannes Bapt, Johannes Ev.,
Bartholomäus — Maria Magdalena, Christina
Barbara ist die spätere Manier völlig aus-
geprägt Die Stifterbildnisse nebst Wappen
des kölnischen Geschlechtes Questenberg und
eine Marke, die sich als Abzeichen der Familie
v. Aich erweist, versetzen dies Werk, welches
aus der Kölner Columbakirche herstammt, in
das erste Jahrzehnt des XVI. Jahrhunderts.
(Lith. von Strixncr. — Johann Questenberg
t 1538, vermählt mit Christina v. Aich, welche
1552 noch lebte.)

An der Schwelle einer neuen Kunstperiode
endet die Thätigkeit des Sippenmeisters. Die
Jahreszahlen, welche sich mit seinen Haupt-
werken verknüpfen, verbieten es, ihn direkt
zu den Schülern und Nachfolgern des Quinten
Massys zu rechnen, die erst seit ca. 1515 der
Kölner Malerschule neue Bahnen eröffnen.
Zwar waren die grofsen Schöpfungen des
Antwerpener Meisters seit dem Jahre 1509
schon bald nachher auch einzelnen einheimi-
schen Kölnern, z. B. dem Meister von StSeverin,
bekannt geworden, auf die Entwicklung des
älteren Sippenmeisters kann aber dem Löwen er
Triptychon der hl. Familien oder der Grab-
legung der Antwerpener Schreinerzunft kein
Einflufs mehr zugestanden werden, denn das
Lebenswerk unseres Kölner Malers liegt mit
dem Jahre 1510 vollendet und abgeschlossen
vor uns. Die entscheidende Phase, welche
tief in seine ganze Kunstweise einschnitt,
seinen Farbengeschmack völlig umgestaltete,
müssen wir um das Jahr 1490 ansetzen. Es
scheint, dafs der jugendliche Künstler damals
eine Reise nach Flandern unternommen hat
 
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