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Zeitschrift für christliche Kunst — 6.1893

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Heft 12
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Beissel, Stephan: Die mittelalterlichen Mosaiken von S. Marco zu Venedig, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4305#0204

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3G5

1893.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 12.

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rinnt. Aehnliche Gestalten dienen in der Facade
als Wasserspeier.

Die III. Kuppel schildert die Ausgiefsung
des hl. Geistes. Oben in der Mitte schwebt die
weifse Taube über einem auf einem Throne
ruhenden Buche. Zwölf von ihr ausgehende
Strahlen steigen hernieder auf die im Umkreise
dargestellten Apostel. Zwischen den Fenstern
stehen sechzehn Paare, von denen jedes eines der
in der Apostelgesch. 2, 9 f. genannten Völker
vertritt. Jedes Paar ist in besonderer Tracht
gekleidet. Die Kuppel ist dadurch in ethno-
graphischer Hinsicht wichtig. Sie erinnert an
die weiten Fahrten und Handelsbeziehungen der
Venetianer und steht der zweiten Kuppel der Tauf-
kapelle nahe, worin ja die einzelnen Apostel
taufen und der Pathe in der Nationaltracht des
Landes erscheint, welches durch den betreffen-
den Apostel bekehrt ward. In den Zwickeln
der Kuppeln halten vier Engel Standarten mit
je einem der Worte: SCS, SCS, SCS, DATS,
der Rest des Trisagion folgt in einer grofsen,
rings um die Kuppel laufenden Inschrift.

Die Buchstaben dieser III. Kuppel sind denen
der II. und der IV. Kuppel gleich. Vgl. Sp. 239
n. 7. Man beachte das aus zwei Halbkreisen
bestehende E; C ist fast ebenso gebildet, nur
etwas schmäler, ähnlich das aus zwei Kreisen
gebildete O. Die Formen von G und D nähern
sich denen der Taufkapelle. Das Alphabet ist fast
gleichzeitig mit dem in der Mitte des XIV. Jahrh.
entstandenen der Taufkapelle. Nicht zu über-
sehen ist auch die lange und verhältnifsmäfsig
junge Form der diese drei Kuppeln begleitenden
Inschriften. Trotz ihrer Länge kann ich nicht
umhin, sie als wichtige Hülfsmittel zur Datirung
hierher zu setzen:

//. Dielte, quid statis, quid in etere consideratisf
Filius iste Dei, Jesus, cives Galilei,
Sumptus 11t a vobis abit, et sie arbiter orbis
Tudicii causa veniet, dare debita Jura.
TTT. + Spiritus inßammis super hos distillat ut amnis.
Corda replens munit atque amoris nexibus utiit.
Bitte variae gentes, miracula conspicientes
Fiunt credentes, vim linguae pereipientes.
TV. Christus regnat, Christus imperat, Christus vineit.
Est Deus, ubique faciens prodigia quaeque.
Cernitur in sanetis, docet hoc et vita Johannis.

Laut der Chronik des Marini Sanuti litten
die Kuppeln der Marcuskirche am 7. März 1419
stark durch einen Brand. Er war so heftig, dafs
das Blei wie Regen herabtropfte und alle ver-
hinderte, sich derKirche zu nähren undLöschungs-
versuche zu machen. Das Kreuz der Haupt-

kuppel schlug sogar durch das Gewölbe.1) Wie
viel oder wie wenig man in Folge dieses Mifs-
geschicks an den Mosaiken änderte, ist schwer
zu sagen. Dafs sie litten, also wenigstens einer
eingehenden Restauration bedurften, ist nicht
zu bezweifeln. Hat man vielleicht in der ersten
Hälfte des XV. Jahrh. die alten Originale kopirt?
Jenseits der III. Kuppel, also im Westen der
Kirche, findet man nur neuere Bilder des Welt-
gerichtes und apokalyptischer Darstellungen. Sie
sind vielleicht an die Stelle der älteren getreten.

II. Mosaiken aus dem Leben Christi
und seiner Mutter.
Auf und bei der nördlichen Wand unter
der IV. Kuppel (bei K in dem Spalte 363 ge-
gebenen Schema) ist in elf Szenen das Jugend-
leben Marias und Christi geschildert. Die acht
ersten Szenen befinden sich im grofsen Bogen,
die letzten auf der von ihm umrahmten Ab-
schlufswand. Ihr Inhalt ist folgender: „1. Der
hl. Zacharias" betet im Tempel (Protoevangelium
Jacobi c. 8, Thilo »Codex apoeryphus« p. 205).

2. Er hält einen Stab über Maria und Joseph.
Die reinste Jungfrau ist klein (als Kind) dar-
gestellt, Joseph reicht seiner Braut die Hand.

3. Ein Priester übergibt Maria, die stets ganz
dunkelblau gekleidet ist und neben der hier
und in den folgenden Szenen die bei allen
griechischen Madonnenbildern gebräuchlichen
griechischen Buchstaben (Meter Theou) stehen,
ein Gefäfs, worin sie die Farbe für den Vorhang
des Allerheiligsten bereiten soll. 4. Maria steht
mit jenem Gefäfs am Brunnen und schaut auf
zu einem hinter ihr erscheinenden Engel (Proto-
evangelium Jacobi c. 11 pag. 215). 5. Maria
und Elisabeth umarmen sich zwischen zwei
Gebäuden stehend; eine hinter Maria stehende
Magd öffnet den Vorhang der Hauspforte.
6. Maria, blau gekleidet und grofs gestaltet,

l) »Vite de' duchi di Veneziac, Muratori, Rerum
italicarum SS. XXII. col. 925. E la Croce grande,
ch'era sullaCupola grande cade, e sfondö la Cria,
ch'e dietro l'altar grande, e guastö un poco del braccio
di quel Cristo di mosaico e gran parte ne cadde
e fece gran danno alla detta Capeila, e alla Cupola
della Capella maggiore appresso la volta della porta
grande della Chiesa. Der Brand von 1439 schadete
weniger, 1. c. col. 1004 E. Nach »Monumenti artistici
e storici delle Provincie Venete« (1859) ward am
15. Mai 1419 beschlossen, Geld zu zahlen ,,propter
graves et magnas expensas necessarias fieri pro cubis
ecclesiae S. Marci". Aehnliche Beschlüsse fafste man
1452 und 1453.'
 
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