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Zeitschrift für christliche Kunst — 17.1904

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Kuhn, Johann: Polychrome Einzelheiten von der kunstgeschichtlichen Ausstellung zu Erfurt 1903
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https://doi.org/10.11588/diglit.4094#0197

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309

1904. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 10.

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als Uni-Vergoldung, mag sie als reiches imi-
tiertes Damast- oder Brokatmuster in Anwen-
dung kommen, ist die idealste und darum
auch würdigste und passendste Fassung für
Marienskulpturen. Davon war man selbst noch
in der Barock- und Rokokoperiode überzeugt;
denn man vergoldete die Gewänder der Pro-
zessionsmadonnen und färbte die Karnatien
naturgemäfs. In den nachmittelalterlichen Kir-
chen des Frankenlandes hat sich eine sehr grofse
Anzahl derartig ausstaffierter Bilder erhalten.
Keinem anderen Pigmente wird in den Schriften
des alten und neuen Testaments, in jenen der
Kirchenschriftsteller und der mittelalterlichen
Symboliker eine so vielfache und tiefe sinn-
bildliche Bedeutung beigelegt wie dem Golde.6)
Es sinnbildet z. B. die Verklärung, den Reich-
tum an Schätzen, die Gottes- und Nächsten-
liebe, die Weisheit, die Reinheit und Lauterkeit,
also Eigenschaften und Tugenden, die zu Maria
in der engsten Beziehung stehen. Den Ein-
wand, es könne nur durch Blau eine Haupt-
tugend Mariens, nämlich die Demut versinn-
bildlicht werden, kann jeder auch nur einiger-
mafsen mit der Askese vertraute Laie wider-
legen. Die Erhöhung oder Verklärung, die
Bereicherung mit Gnadenschätzen, die Liebe
zu Gott und den Nächsten usw. mufs ja nach
der Lehre der Schrift und der Geisteslehrer
die Demut notwendig zur Voraussetzung haben.
Es ist also auch im Golde enthalten, was durch
die blaue Farbe symbolisiert werden soll.

Zu den schon oben besprochenen Grofs-
kahlenberger Schreinen gehört eine Statue des
Erzengels St. Michael, deren Fassung sich gut
zur Nachahmung eignet und auf die wir des-
halb noch im einzelnen aufmerksam machen
wollen. Die Flügel des Engels und der mit
grün lasiertem Futter versehene Mantel sind
vergoldet. Auf die glänz versilberte Tunika ist
ein granatapfelähnliches Streuornäment gelegt,
welches in Gold und tiefroter Lasurfarbe aus-
geführt ist. Der unter den Füfsen der Haupt-
figur liegende Luzifer hat schwarze Färbung.

Mehrere ausgestellte Marmorskulpturen, ein
die Anbetung der hl. drei Könige darstellendes
Relief aus der St. Andreaskirche zu Halberstadt

e) Vergl. Sauer, »Symbolik der Kirchengebäude
und seiner Ausstattung«. Freiburg (1902), i. Reg. d.
Art. „Gold"; ferner J. Kuhn, »Die Bemalung der
kirchlichen Möbel und Skulpturen«. Düsseldorf (1901)
S. 33 ff.

sind nur teilweise bemalt. Die Kronen, das
Haar, die Gewandsäume und der Schmuck der
sämtlichen Figuren sind vergoldet. An der
Krone der Gottesmutter sind aufser Gold noch
Spuren von Rot sichtbar. An einigen noch zu
der Hauptgruppe gehörigen kleinen Figuren
zeigen auch die Fleischteile eine lebensfarbene
oder naturgemäfse Bemalung. Eine teilweise
Polychromierung läfst auch eine im gotischen
Haus zu Wörlitz aufbewahrte Alabasterfigur
eines der hl. drei Könige erkennen. Die er-
höhten Ornamente des Mantels sind abwech-
selnd durch Vergoldung und blaue Färbung
hervorgehoben.

An untergeordneten, bemalten, mittelalter-
lichen Möbeln hat die Ausstellung wenig
Nennenswertes geboten. Das interessanteste
und zugleich älteste Stück war ein romanischer
geschnitzter Holzkasten in Form eines Löwen
aus dem fürstlichen Schlosse zu Schwarzburg.
Der Staffierer desselben gab der linken, für ge-
wöhnlich dem Beschauer zugekehrten Seite der
Figur eine eigenartige Ornamentation. Er sparte
nämlich an den Oberschenkeln des Vorder-
und Hinterfufses, gleichsam als Maskierung
dieser Glieder, im Kreidegrunde Wappenschilde
aus und gravierte neben und über dem Schild-
rande mit dem Repariereisen eine Anzahl von
kräftigen Schneckenlinien ein. Wie es scheint,
diente ihm als Vorlage für letztere Dekorations-
weise irgend eine byzantinische Arbeit ■— viel-
leicht ein Seidengewebe — mit stilisierten
Bestien, deren Hauptgelenke öfters durch der-
artige Spiralen markiert worden sind. Da der-
selbe aber (wahrscheinlich aus Rücksicht auf
den adeligen Besteller) auf die Anbringung der
Wappenschilde nicht verzichten wollte, mufste
er das byzantinische Ornament seitlich von den
Schilden und damit auch seitlich von den
Schenkeln anordnen. Dabei verfuhr der Künstler
wie so mancher andere mittelalterliche Kopist
orientalischer Motive; er häufte das entlehnte
Muster. Ähnlich haben es bisweilen auch
abendländische Bildhauer und Maler der roma-
nischen Periode mit der den morgenländischen
Email-Elfenbein- und Metallwerken entnomme-
nen Faltengebung gemacht.') Nach Fertig-
stellung des ornamentierten Kreidegrundes
wurde die Gestalt mit einer Zinnfolie belegt
und hierauf mit Goldlack überzogen; die Mäh-

7) Goldschmidt, »Studien zur Geschichte der
sächsischen Skulptur«. Berlin (1902) S. 15.
 
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