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Zeitschrift für christliche Kunst — 21.1908

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Kolberg, Josef: Ein mittelalterlicher Flügelaltar der Pfarrkirche zu Braunsberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.4126#0020

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1908. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1.

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das in einem viereckigen Troge liegende Kind
anbetet, öffnet sich der Blick durch das Fenster
auf eine mit Bäumen bestandene Landschaft
und spitztürmige gotische Kirche; Hirten, zwei
Männer, eine Frau eilen dem Stalle zu. —
Vor dem göttlichen Kinde auf dem Schöße
seiner Mutter hat sich ein greiser König in
kostbarem, mit weißem Hermelinkragen ver-
brämtem Gewände auf die Kniee niedergelassen.
Ehrfurchtsvoll hält er ihm das geöffnete
Schmuckkästchen entgegen und führt das
Händchen an seine Lippen: ein Schmuckstück
hat das Christkind bereits herausgegriffen. Im
Hintergrunde stehen die beiden andern Könige
mit ihren Geschenken, der eine ist ein Mohr.
— Um den in die Tiefe des Bildes hinein-
gestellten Sarg Mariens knieend geschart
schauen die Apostel zum Himmel hinauf.
Gottvater, ein würdiger greiser König in
prächtig gemustertem Brokatgewand, und Gott-
sohn halten hier die jugendlich aussehende,
zum Himmel 'erhobene Mutter des Herrn
zwischen sich in den Händen. Engel tauchen
aus eigenartig stilisierten Wolkenbändern, wie
sie Dürer auf den ersten Blättern seiner
Apokalypse zeichnet, auf, und tragen die Ge-
benedeite empor.

VVerden die inneren Flügel geschlossen, so
sehen wir auf ihrer Außenseite die vier hei-
ligen Jungfrauen, welche das Mittelalter mit
besonderer Vorliebe im Bilde verherrlichte.

„Barbara mit dem Turm,
Maigaretha mit dem Wurm,
Katharina mit dem Radel
Sind die drei heiligen Madel",

sagt von ihnen der altbairische Spruch. Hier
hat sich den dreien als vierte noch Dorothea
mit Schwert und Apfelkörbchen, in der Hand
einen Rosenzweig haltend, zugesellt. Alle
Gestalten der acht Felder, welche bei ge-
schlossenen Innenflügeln erscheinen, sind vor
eine zur halben Höhe des Bildes aufsteigende
Brüstung auf gemustertem Fliesenboden hin-
gestellt; über die Brüstung schaut das Blau
des Himmels hinein. Die vier heiligen Jung-
frauen sind ziemlich nach demselben Modell
gearbeitet: allen eigen sind das kleine Kinn
mit zierlichem Mündchen, die kleine nur an
der Spitze sich unschön verdickende Nase,
das hochgewölbte obere Augenlid mit hoch-
geschwungener Braue, die hageren Wangen,
die hohe viereckige Stirn, welche oben ganz
frei von Haaren ist; der Körper ist lang und

dünn gereckt, der Hals sitzt auf der un-
natürlich schwach entwickelten Büste; am
besten proportioniert ist noch St. Katharina,
mit zarter Andeutung der Brüste und schönem
Ansatz des freien Halses. Dennoch erfreuen
sie durch ihren zarten Liebreiz und den
glücklich gewählten Wechsel der Farbe in der
schlicht herabfallenden Gewandung, bei welcher
zum Teil wieder das aus Flandern importierte
Granatapfelmuster kräftige Wirkungen hervor-
ruft.

Auf den Außenflügeln sind oben zwei
weibliche, unten zwei männliche Heilige ein-
ander gegenübergestellt, St. Anna Selbdritt
und St. Birgitta, St. Georg und St. Christo-
phorus, die beiden ersten sehr würdige Ma-
tronen, deren alternde Züge durch den ins
Gesicht herabhängenden Schleier stark verhüllt
sind; St. Georg, ein ernst blickender Jüngling
in blondem, bis auf die Schultern herab-
fallendem Lockenhaar, dessen ohnehin hagere
Gestalt durch das eng anschließende Panzer-
kleid besonders stark kenntlich wird, in gutem
Gegensatz zu dem schon in reiferem Mannes-
alter stehenden Christophorus.

Freilich ist die Farbe bei den Bildern
etwas matt. Die Leuchtkraft der Farben der
Gebrüder Eyck oder eines Hans Memling
und mancher andern Zeitgenossen hat unser
Maler nicht erreicht.. Immer wieder aber
kehrt der Blick zu dem Hauptbilde und den
beiden Stiftern darauf zurück. Schwerlich be-
sitzen wir in ihnen Porträts der Schenkgeber.
Die Mutter Katharina, eine geborene Truncze-
mann, für deren Unterhalt der Sohn noch
1469 durch Verschreibung seiner sämtlichen
beweglichen und unbeweglichen ererbten Habe
aufs liebevollste Sorge getragen hatte, war
wohl inzwischen, nachdem sie noch den Ritter
Benedikt Schoneveste geheiratet hatte, ihrem
ersten Manne Thomas längst ins Grab gefolgt,
und auch Thomas Werner war am 23. Dezem-
ber 1498, in Leipzig dahingeschieden und
in der Paulskirche daselbst begraben wor-
den, ohne wohl seinen Freunden und An-
verwandten in der Heimat ein Bild seiner
Züge zu hinterlassen. Sein Kopf hier zeigt
denn auch in typischer Weise das unan-
genehme Hervortreten der Backenknochen,
ähnlich wie die Apostelköpfe auf der Himmel-
fahrt Maria, Aber schon wegen der Tracht,
in welcher die beiden Personen erscheinen,
sind diese Bilder von besonderer Bedeutung.
 
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