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1908.
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1.
18
Werner trägt einen schwarzen, an Hals- und
Ärmelöffnungen mit braunem Pelz besetzten
Talar, darüber einen weißen, faltigen, vorn
geschlossenen, nach allen Seiten tief hinab-
fallenden, am Halse große Falten schlagenden
Mantel; darauf ruht ein weißer, mit schwarzen
Schwänzchen besetzter, bis über die Schultern
reichender Pelzkragen. Ein Vergleich mit dem
freilich mehr als 150 Jahre älteren Bilde im
Frauenburger Dom, welches der Domherr
Bartholomäus Boreschow gestiftet hat,1) zeigt,
daß dies die Tracht der ermländischen Dom-
herrn damals gewesen: der Hauptunterschied
in der Kleidung des Boreschow besteht nur
darin, daß der Mantel Armschlitzen hat.
Noch eigenartiger ist die Mutter gekleidet.
Ein schwarzer Mantel, der von dem hoch-
stehenden Kragen an in fein geordneten
rundlichen Parallelfalten herabfällt und an der
vorderen Öffnung mit der Borte eines reich
gemusterten Sammet- oder Seidenbrokats be-
setzt ist, umhüllt die ganze Gestalt. Den
Kopf bedeckt eine tief auf die Stirne herab-
reichende Haube aus gesteiftem Leinenzeug,
welches an den Seiten eingeknickt ist und mit
den Enden über die Ohren bis unter den
Mantelkragen sich hinabzieht. Für unser
modernes Auge erinnert diese Kleidung der
reichen Patrizierfrauen des XV. Jahrh. stark
an klösterliche Tracht.
Wo unser Altar enstanden ist, wird sich
vorläufig schwer entscheiden lassen. Es
müßten zu diesem Zwecke erst die anderen
in der Provinz befindlichen mittelalterlichen
Altäre genau verglichen werden, insbesondere
müßten auch die jetzt nicht ungehindert zu-
gänglichen Flügelaltäre der Marienkirche zu
Danzig mit in Betracht gezogen werden. Wenn
aber die neuere Forschung mehr und mehr
zu dem Ergebnis kommt, daß die allermeisten
Erzeugnisse mittelalterlichen Kunstfleißes im
Lande selbst entstanden sind, so liegt es nahe,
ähnliches von unserm Altar anzunehmen.
1500 wird ein Maler Paul Schonnehoff als
Käufer eines Hauses in Braunsberg genannt:
vielleicht darf er als Schöpfer des Altares an-
gesprochen werden.
') Abbildung bei Bö tticher, »Bau- u. Kunstdenk-
mäler der Provinz Ostpreußen«, Heft 4. Ermland,
S. 100 (sehr dürftige Reproduktion).
Freilich begegnet diese Zuweisung doch
auch gewissen Bedenken. Schonnehoff ist uns
sonst weiter ganz unbekannt; wir wissen nicht,
daß er irgend welche künstlerischen Arbeiten
ausgeführt hat. Auch andere Arbeiten, welche
sicher von Braunsberger oder ermländischen
Meistern ausgeführt worden wären, lassen sich
nicht nachweisen. Vom Maler Ambrosius
Schadwalt, welcher 1576 das Bürgerrecht er-
langen wollte, forderte der Rat der Altstadt
Braunsberg, er solle den Predigtstuhl malen.1)
Der Maler scheint den Auftrag ausgeführt zu
haben, aber wie seine Arbeit ausgefallen ist,
wissen wir nicht: die Kanzel ist nicht mehr vor-
handen. Zu Ende des Jahrhunderts waren
Braunsberger Meister nicht imstande, Arbeiten
von geringerem künstlerischem Werte zu leisten.
Als 1595 die Decke des Braunsberger Artus-
hofes gemalt werden sollte, wurde damit der
Königsberger Maler Hans Blosch betraut.
Das schönste Denkmal hat sich Werner
durch seine Stiftung zum Besten studierender
Braunsberger gesetzt. Fünfzig Jahre hatte er
als Professor der Künste und der Theologie
an der Universität Leipzig gewirkt, zweimal
stand er als Dekan an der Spitze der Artisten-
fakultät, 1464 wurde ihm die Würde des Rekto-
rats zuteil; in seinem Testamente vom 2. Januar
1498 ordnete er an, daß die Zinsen eines
Kapitals von 600 Gulden für zwei in Leipzig
studierende Braunsberger auf sechs Jahre ver-
wendet würden; käme ein besonderes preußi-
sches Kolleg in Leipzig zustande, so sollten
die 30 Gulden diesem zugute kommen, doch
so, daß einer oder zwei Studenten aus des
Testators Geburtsstadt das Stipendium auf
6 Jahre bis zur Erlangung des Magistergrades
erhielten. Das preußische Kolleg wurde zwar
nicht gegründet, aber seit Anfang des XVI.
Jahrh. ist einer großen Anzahl Braunsberger
und auch anderswoher gebürtiger Studenten,
vergönnt gewesen, sich auf Grund dieses
Stipendiums in Leipzig akademische Bildung
anzueignen.
Die photographische Aufnahme des Altars
hatte Herr Pfarrer Günther, Mühlhausen i. Ostpr.,
zu liefern die Güte.
Braunsberg.
Kolberg.
l) Braunsb. Ratsarch. F. 127.
1908.
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1.
18
Werner trägt einen schwarzen, an Hals- und
Ärmelöffnungen mit braunem Pelz besetzten
Talar, darüber einen weißen, faltigen, vorn
geschlossenen, nach allen Seiten tief hinab-
fallenden, am Halse große Falten schlagenden
Mantel; darauf ruht ein weißer, mit schwarzen
Schwänzchen besetzter, bis über die Schultern
reichender Pelzkragen. Ein Vergleich mit dem
freilich mehr als 150 Jahre älteren Bilde im
Frauenburger Dom, welches der Domherr
Bartholomäus Boreschow gestiftet hat,1) zeigt,
daß dies die Tracht der ermländischen Dom-
herrn damals gewesen: der Hauptunterschied
in der Kleidung des Boreschow besteht nur
darin, daß der Mantel Armschlitzen hat.
Noch eigenartiger ist die Mutter gekleidet.
Ein schwarzer Mantel, der von dem hoch-
stehenden Kragen an in fein geordneten
rundlichen Parallelfalten herabfällt und an der
vorderen Öffnung mit der Borte eines reich
gemusterten Sammet- oder Seidenbrokats be-
setzt ist, umhüllt die ganze Gestalt. Den
Kopf bedeckt eine tief auf die Stirne herab-
reichende Haube aus gesteiftem Leinenzeug,
welches an den Seiten eingeknickt ist und mit
den Enden über die Ohren bis unter den
Mantelkragen sich hinabzieht. Für unser
modernes Auge erinnert diese Kleidung der
reichen Patrizierfrauen des XV. Jahrh. stark
an klösterliche Tracht.
Wo unser Altar enstanden ist, wird sich
vorläufig schwer entscheiden lassen. Es
müßten zu diesem Zwecke erst die anderen
in der Provinz befindlichen mittelalterlichen
Altäre genau verglichen werden, insbesondere
müßten auch die jetzt nicht ungehindert zu-
gänglichen Flügelaltäre der Marienkirche zu
Danzig mit in Betracht gezogen werden. Wenn
aber die neuere Forschung mehr und mehr
zu dem Ergebnis kommt, daß die allermeisten
Erzeugnisse mittelalterlichen Kunstfleißes im
Lande selbst entstanden sind, so liegt es nahe,
ähnliches von unserm Altar anzunehmen.
1500 wird ein Maler Paul Schonnehoff als
Käufer eines Hauses in Braunsberg genannt:
vielleicht darf er als Schöpfer des Altares an-
gesprochen werden.
') Abbildung bei Bö tticher, »Bau- u. Kunstdenk-
mäler der Provinz Ostpreußen«, Heft 4. Ermland,
S. 100 (sehr dürftige Reproduktion).
Freilich begegnet diese Zuweisung doch
auch gewissen Bedenken. Schonnehoff ist uns
sonst weiter ganz unbekannt; wir wissen nicht,
daß er irgend welche künstlerischen Arbeiten
ausgeführt hat. Auch andere Arbeiten, welche
sicher von Braunsberger oder ermländischen
Meistern ausgeführt worden wären, lassen sich
nicht nachweisen. Vom Maler Ambrosius
Schadwalt, welcher 1576 das Bürgerrecht er-
langen wollte, forderte der Rat der Altstadt
Braunsberg, er solle den Predigtstuhl malen.1)
Der Maler scheint den Auftrag ausgeführt zu
haben, aber wie seine Arbeit ausgefallen ist,
wissen wir nicht: die Kanzel ist nicht mehr vor-
handen. Zu Ende des Jahrhunderts waren
Braunsberger Meister nicht imstande, Arbeiten
von geringerem künstlerischem Werte zu leisten.
Als 1595 die Decke des Braunsberger Artus-
hofes gemalt werden sollte, wurde damit der
Königsberger Maler Hans Blosch betraut.
Das schönste Denkmal hat sich Werner
durch seine Stiftung zum Besten studierender
Braunsberger gesetzt. Fünfzig Jahre hatte er
als Professor der Künste und der Theologie
an der Universität Leipzig gewirkt, zweimal
stand er als Dekan an der Spitze der Artisten-
fakultät, 1464 wurde ihm die Würde des Rekto-
rats zuteil; in seinem Testamente vom 2. Januar
1498 ordnete er an, daß die Zinsen eines
Kapitals von 600 Gulden für zwei in Leipzig
studierende Braunsberger auf sechs Jahre ver-
wendet würden; käme ein besonderes preußi-
sches Kolleg in Leipzig zustande, so sollten
die 30 Gulden diesem zugute kommen, doch
so, daß einer oder zwei Studenten aus des
Testators Geburtsstadt das Stipendium auf
6 Jahre bis zur Erlangung des Magistergrades
erhielten. Das preußische Kolleg wurde zwar
nicht gegründet, aber seit Anfang des XVI.
Jahrh. ist einer großen Anzahl Braunsberger
und auch anderswoher gebürtiger Studenten,
vergönnt gewesen, sich auf Grund dieses
Stipendiums in Leipzig akademische Bildung
anzueignen.
Die photographische Aufnahme des Altars
hatte Herr Pfarrer Günther, Mühlhausen i. Ostpr.,
zu liefern die Güte.
Braunsberg.
Kolberg.
l) Braunsb. Ratsarch. F. 127.