Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 21.1908

DOI article:
Poppelreuter, Josef: Fund eines altchristlichen Glases in Köln
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4126#0050

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
71

1908. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 3.

72

einem einfachen Zierzweck im Hause diente,
als daß es ausgesprochen zu einem sepulkralen
Zweck vor oder nach dem Tode der 4 Dar-
gestellten verfertigt worden wäre, so wenig
oder vielmehr noch weniger wie die zahllosen
andern in den Gräbern gefundenen Gefäße.
Das Miniaturporträt auf Gefäßen ist ohne
sepulkralen Zweck zwanglos erklärbar. Ist dem
aber so, dann ergibt sich auch unsere aus
den Katakomben geläufige Zusammenstellung
der biblischen Szenen als nicht notwendig für
die Totengruft erdacht. Es ist einfach die Bibel
an die Stelle der heidnischen Mythologie gesetzt,
die Darstellung aber gerade der wunderbaren
Rettungen ist ein Ausdruck der Glaubensfestig-
keit im allgemeinen, und ohne Bezug aufs
Grab können wir Kraus Worte aufnehmen:
(Geschichte I, p 135) es sind ,,Szenen, welche
die Macht und Güte des Erlösers veranschau-
lichen und der Ecclesia pressa die Zuversicht
endlicher Rettung geben und erhalten sollen."

Die Darstellungen. Es sind also
keinerlei Bildtypen auf unserem Gefäße an-
gebracht, die nicht schon in den Katakomben
ausgebildet wären. Indes sind doch starke
Abweichungen vorhanden. So fällt auf: die
Zutat von Adler und Aas bei Noah. Bei
Moses sind die trinkenden Kinder Israels eine
ebensolche Erweiterung. Daniel erscheint in
den Katakomben nicht gerade immer aber
doch meist völlig unbekleidet, ebenso auf den
sonstigen Goldgläsern (s. Vopel, Goldgläser
p. 67). Zu erwähnen ist auch noch die Grup-
pierung der beiden Jonasszenen in eine Um-
rahmung.

Im allgemeinen gesagt sind die Dar-
stellungen reicher als die römischen. Dies
haben sie aber gemein mit anderen außer-
römischen christlichen Kunstwerken: So er-
scheint eine erweiterte Darstellung der Arche
Noah in Trier auf dem bekannten Sarkophag
(Abb., Kraus, Geschichte I p. 136 Fig. 71),
Noah mit Adler und Aas in Algerien (Kraus,
Real-Enz. II, p. 500), Moses mit den trinken-
den Juden auf einem Mailänder Relief (ibid. II,
p. 430 Abb. Fig. 265). Das Elfenbeingefäß aus
Sammlung Garthe (ibid. I, p. 343 erwähnt) gibt
wenigstens die starke Abweichung im Kostüm:
Daniel in orientalischer Tracht.

Ge samt k omp o siti on. Überaus an-
sprechend ist an unserem Glase die Einteilung
der Fläche mit Hilfe der Kreise und Doppel-
kreise. Man ersieht hier deutlicher, woran

man bei einfacheren Kreisornamenten auf
Gläsern nicht gleich denkt, daß der Kunst-
handwerker die für die große Dekorations-
kunst seiner Zeit bezeichnenden kompartimen-
talen Einteilungen auf das Gefäß sehr geschickt
überträgt. Wandmalereien, Mosaiken usw. geben
die Analogien. Die ganze Behandlung der vege-
tabilischen Ornamentik zeigt ein schon voll-
endetes Empfinden für Flachdekoration: Ver-
wandte Leistungen spätantiker Kunst findet
man denn auch bei Techniken, denen die
Flachdekoration von Natur eigentümlich ist,
bei tauschierten Arbeiten, Emails, Mosaiken,
Textilien.

Wenn nun auch unser Stück in die ein-
heimische Technik sich vortrefflich einfügt, so
fällt es doch in einem allgemeineren Punkte aus
den Beständen unserer heimischen Antiquarien
heraus: es ist dies der Geschmack in der Flächen-
füllung, der horror vacui. Die Verbindung
der Flachstilisierung mit dieser intensiven
Füllung spricht uns schon von dem Nahen
einer Kunstepoche, deren Reize nicht mehr
in den Naturformen, sondern eben in der Kraft
des Stils in Verbindung mit einem intensiven
Kolorismus — man denke an die Wirkung
des Gold auf Blau — liegen.

Wenn nun unsere Arbeit in diesem horror
vacui sich abhebt, bildete dann dieser Ge-
schmack sich durch den einfachen Rückfall
ins Primitive in unserer Provinz, oder sind
Einflüsse von anderswoher zu vermuten? Ich
bin geneigt, an das letztere zu glauben, und
zwar aus dem Grunde, weil sich der gleiche
Geschmack an anderen Objekten bei uns zu
Lande zeigt, die auf den Osten hinweisen: An
Mosaiken, an den durchbrochenen Silber-
arbeiten von Dolchscheiden usw., an vereinzelten
keramischen Objekten. Das Mosaik ist das
„opus Alexandrinum" par excellence! An den
durchbrochenen Arabesken der Dolchscheiden
hat man vom ersten Bekanntwerden den Zu-
sammenhang mit dem Orient richtig durch-
gefühlt. Ihre Verwandtschaft mit, dem Stil der
Mschattafassade habe ich früher auseinander-
gesetzt (Kunstgesch. Gesellsch. Februar 1906).
Jene keramischen Objekte, die ich hier anführe,
sind zwei kleine 1898 ausgegrabene Gefäße
unserer Sammlung mit gepreßten Reliefs: sie
sind grün glasiert, deuten also damit aus
unserem Kunstbereich heraus nach außen hin.
Daß die Technik der fondi d'oro auf Alexan-
drien zurückgeht, vermutet Vopel (Goldgläser
 
Annotationen