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Zeitschrift für christliche Kunst — 21.1908

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Schreiber, Wilhelm Ludwig: M. Bouchots Ansichten über die Erstlinge der Holzschneidekunst, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4126#0057

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1908.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 3.

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fabrique de Cambrai", und daß Jean Crus-
pondere 1391 30 sols „pro factura ymaginum
Hgnearum" erhielt. Bouchot gesteht, daß man
auch an Holzschnitzereien denken könne.

1398. Item pour une table de laiton
pesant XXII Iivres, baillee audict peintre pour
tailler en icelle plusieurs estampes, necessaires
pour la peinture de plusieurs choses ä faire
pour ladicte eglise (S. 52). Um eine „estampe"
im heutigen Sinne handelt es sich keinesfalls,
denn das verbietet der Nachsatz „necessaire
pour la peinture de plusieurs choses".
Jules Adeline sagt in seinem Lexique des
termes d'art: „On donne le nom general
„d'estampage" ä toutes les empreintes d'un
modele, d'un objet, grave, sculpte ou modele
en creux". Wozu die 22 Pfund schwere
Messingplatte gedient haben mag, ist also sehr
zweifelhaft, aber jedenfalls nicht zur Anfertigung
von Metallschnitten in unserm Sinne.

1393. A Jehan Baudet charpentier, pour
avoir fait et taille des moles et tables pour
la chapelle de Mondit seigneur (S. 53). Das
Wort ,,mole" oder molle", das heutige „moule",
entspricht unserer deutschen „Form" und man
bezeichnete damit Platten, die zum Zeug-,
Spielkarten- und Bilddruck dienten. Da sich
aber in einer Kapelle weder Spielkarten noch
Papierbilder verwenden ließen, so müssen wir
auf Formen für den Zeugdruck schließen. —
Hieran will ich gleich die Bemerkung knüpfen,
daß auch das „Bois Protat", das hier nur
kurz gestreift wird, dem aber M. Bouchot 1902
die bereits erwähnte Abhandlung „Un ancetre
de la gravure sur bois" gewidmet hat, eben-
falls für den Zeugdruck bestimmt war. Das
beweisen schon die kolossalen Dimensionen
der Holzplatte, deren Höhe 600 mm ist; ihre
Breite läßt sich zwar nicht mehr genau fest-
stellen, muß aber der Höhe annähernd gleich
gewesen sein.

Und nun erfolgt in der Aufzählung der
urkundlichen Belege gleich ein gewaltiger
Sprung: Bouchot verweist uns auf Lyon, wo
seit 1444 Kartenmacher und Formschneider
aktenmäßig nachweisbar sind. Dabei mutet
es uns etwas seltsam an, daß er (S. 37) so
viel von Jean de Dale spricht und dessen
Tätigkeit in die Zeit von 1450—1480 setzt,
während sein Gewährsmann Nat. Rondot, auf
dessen Buch „Les graveurs sur bois ä Lyon"
er sich beruft, ausdrücklich (S. 49) bemerkt,
daß jener von 1485—1515 tätig war. Ebenso

verfehlt ist sein Hinweis (S. 35) auf die „celebres
almanachs bretons qui portent des dates 1458,
1459, 1460 etc.", denn ich habe bereits im
Manuel Bd. IV S. 416 mitgeteilt, daß diese
Zahlen in sehr ungeschickter Weise gefälscht
sind und die Kalender erst dem XVI. Jahrh.
angehören, und ich kann mich auch auf
Praetor berufen, der sie ebenfalls nicht in
seinen Index der Druckwerke des XV. Jahrh.
aufgenommen hat.

Diese Angaben sind im Verhältnis zu dem
urkundlichen Material, das ich in meiner Ab-
handlung „Darf der Holzschnitt als Vorläufer
der Buchdruckerkunst betrachtet werden?"
(Zentralblatt für Bibliothekswesen Bd. XII
S. 254 ff., Sonderausgabe S. 54 ff.) für Deutsch-
land zusammengestellt habe, ziemlich belang-
los. Wir können „Drucker" (Zeugdrucker) seit
1356, „Formschneider" seit 1423, „Briefdrucker"
seit 1428, „Kartenmacher" seit 1433, „Brief-
maler" seit 1434 nachweisen, und seit etwa
1440 steigt die Zahl der mit der Holzschneide-
kunst in Beziehung stehenden Handwerker
ganz außerordentlich, und ihre Tätigkeit läßt
sich in fast allen größeren Städten, deren
Urkunden sich erhalten haben, verfolgen. Es
kommt hinzu, daß bei uns die Bücherillustratiön
1461 beginnt und zu Anfang der 70er Jahre
in Augsburg überaus fruchtbar ist; in Lyon,
als der ersten französischen Stadt, tritt sie hin-
gegen nicht vor 1478 (gleichzeitig mit Genf)
auf. Auch können wir uns auf eine beträcht-
liche Zahl von Blockbüchern berufen, während
Frankreich in dieser Beziehung fast nichts
aufzuweisen hat. Mag daher auch wohl der
Zeugdruck in Frankreich nicht nur früher,
sondern auch in größerem Umfange als bei
uns betrieben worden sein, so wird die all-
gemein verbreitete Ansicht, daß der Holz-
schnittbilddruck (auf Papier oder Pergament)
in Frankreich erst spät eingeführt worden sei
und vor dem Ende des XV. Jahrh. auch keine
große Rolle gespielt habe, durch nichts wider-
legt.

Ferner führt M. Bouchot ästhetische Gründe
ins Feld. Er sagt (S. 140) von dem S.Sebastian
(meine Nummer 1677): „Ce que les Bavarois
n'avaient pas., c'etait l'artiste capable de des-
siner et de graver une figure de ce genre",
und von der S. Dorothea (meine Nr. 1394):
„On a loisir de reconnattre combien cet art
s'eloigne des Oeuvres allemandes posterieures".
So zutreffend die letzte Bemerkung ist, so
 
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