Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 21.1908

DOI Artikel:
Atz, Karl: Der Thron Salomos in ältester Form
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4126#0092

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
151

1908. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5.

152

Komposition insofern eine verschiedene, daß
die Löwen auf den Stufen sich lustig tummeln
und die Figuren eigene Sockel haben. In Brixen
fehlen alle Löwen, auf den Stufen stehen ganz
andere Figuren und die Brustbilder über den
stehenden wie dort, sind auch nicht zu sehen.

Eigenartig ist, daß in Bebenhausen unten
am Vordergrunde oder Unterbau des Thrones
das Bild des thronenden Königs Salomo mit
Szepter und befehlender Geberde dargestellt
ist, um so den Beschauer so recht klar und
deutlich an dessen Thron zu erinnern.

In Brixen nimmt die großartige symbo-
lische Darstellung des Thrones Salomos die
ganze Wandfläche über dem Chorbogen ein
und setzt sich bis in die Mitte der Schiffs-
wände fort, wo die Nebenbilder eines ver-
wandten und gleich großartig aufgefaßten
Hauptbildes der Westwand beginnen. Auf
den obersten der sechs Stufen des Thrones
ist der Thronsitz aufgestellt; er hat doppelten
verzierten Fußschemel und abgerundete Rück-
lehne. Darauf hat eine schlanke stattliche
Frauengestalt in majestätischer Ruhe Platz ge-
nommen. Ihr gerundetes Gesicht mit großen,
weitoffenen Augen umrahmt fein geordnetes
Haar und darauf liegt ein buntes Kopftuch.
Auch eine Art ganz niedriger Mitra anstatt
der Krone fehlt nicht als Schmuck des hehren
Hauptes und dahinter breitet sich ein großer
gelber Nimbus aus. Der lange auf der Brust
durch eine Agraffe zusammengehaltene Mantel
von sehr hellrosaroter Farbe wallt in einem
langen welligen Zipfel über das eine Knie
hinunter und läßt das violette Gewand größten-
teils sichtbar. Die beiden Hände halten ein
langes über den Schoß ausgebreitetes Band.
Leider ist jede Spur der Inschrift verwischt;
zweifelsohne war eine solche vorhanden, da
wir ihre Spuren auf den Bändern der Neben-
figuren verfolgen können. Was war etwa
darauf zu lesen ? — Sedes Sapientae? — Da-
für stimmt die oben bereits erklärte Bedeutung
des Thrones Salomos, auf welchen Maria in
würdiger Weise als die weiseste unter den
Menschen im neuen Bunde sich nieder-
gelassen hat. Über ihr wölbt sich ein Rund-
bogen, von dem sich Segmente auch über die
übrigen Figuren hinziehen. Alle diese Bogen
hatten eine Inschrift erhalten, wie noch Reste
davon bezeugen. Der Bogen über Maria ist
leider leer. In Bebenhausen erhielten sich
an dieser Stelle noch die Worte: Sicut dies,

zu welchem nach der Schrift zu ergänzen wäre:
codi thronus <eius) aus Psalm 89, 30. Man könnte
auch an die Stelle denken: Rex Salomon fecit
thronum ex ebore grandem (III R. 10, 18).
Den Hintergrund der ganzen Figurenreihe
bildet Jerusalem in Form einer Reihe von
zusammenhängenden Gebäuden und einzelnen
Türmen und die Fläche darunter ist dunkel-
blau bemalt.

Hart neben dem Thron Mariens stehen
vier nimbierte, jugendliche Gestalten in buntem
Gewände. Jene zwei weiblichen zu ihrer
Linken tragen selbst Kopftücher wie die hehre
Königin; sie „umarmen und küssen sich".
Schade, daß ihre Schriftbänder nun leer sind,
nur auf dem Bogen über ihnen ist noch das
Wort: Pax zu lesen. Wahrscheinlich stand
auf ihren Bändern zu lesen: Justitia et pax
osculatae sunt (Psalm 84, 11). Auf der anderen,
rechten Seite steht eine jugendliche männliche,
bebaitete und eine weibliche Figur in trau-
licher Haltung nebeneinander; auf ihren leeren
Bändern dürfte die andere Hälfte des zitierten
Verses zu lesen gewesen sein, nämlichÄfisericordia
et veritas obviaverunt sibi, ähnlich wie die Jung-
frauen am nämlichen Platze in Bebenhausen
auf ihr Band geschrieben haben.

Bemerkenswert ist ferner, daß in Brixen
die Figuren auf der obersten Stufe des Thrones
knien und zwei vornehme bebartete Könige
mit schönen Kronen auf den Häuptern dar-
stellen. An welche Könige Israels sollen wir
da denken ? An David und Salomo ? Letzterer
ist, wie bereits bemerkt wurde, in Bebenhausen
selbst im Bilde dargestellt. Welche Texte der
Schrift beide einstens zur Schau trugen, dafür
fehlt jeder Anhaltspunkt auf ihren Spruch-
bändern. Dasselbe muß leider auch von den
ansehnlichen Figuren an der Stirnseite des
Thrones bemerkt werden; es sind vermutlich
Propheten, welche in demütiger, stark vor-
geneigter Haltung des Körpers ihre tiefste
Huldigung darbringen. Von zwei anderen
Gottesgesandten des alten Bundes sind nur
die Brustbilder zu sehen.

Auf der zweiten Stufe des Thrones (evan-
gelienseits) steht laut Aufschrift am Bogen der
Apostel Paulus in großartiger Gestalt eines
Greises mit langem grauen Barte. Welche
Stelle über die Sapientia in seinen Briefen
dürfte hier etwa verwendet gewesen sein? —
Factus est nobis sapientia (Cor. I, 1,30)? —
Eine verwandte Figur folgt auf der dritten
 
Annotationen