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Zeitschrift für christliche Kunst — 21.1908

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Atz, Karl: Der Thron Salomos in ältester Form
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https://doi.org/10.11588/diglit.4126#0094

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1908. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5.

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Ruhe und gerader Ansicht auf dem über
mehrstufigem Schemel stehenden Sitze sich
niedergelassen. Vor sich hält sie mit beiden
Händen ein großes, leeres „Kreuz" und kann
somit als großartig gedachtes Sinnblid der
„Kirche" betrachtet werden. Hart zu ihrer
Rechten stehen zwei liebliche Jungfrauen, die
wie alle anderen Figuren um den Thron herum,
nimbiert sind. Links finden wir an der näm-
lichen Stelle wie am Chorbogen zur Rechten
neben der holden weiblichen Gestalt auch
eine zarte jugendlich „männliche". Wie inter-
essant wäre es, wenn sich wenigstens die eine
oder andere Inschrift aut den Spruchbändern
erhalten hätte. Vor dem Thronsitze kniet auf
der einen Seite eine ernste männliche Figur
kräftigen Alters mit schönem bebarteten Kopfe,
auf der anderen ein zarter Jüngling. Auf jeder
der sechs Stufen hat sich eine schlanke, nobel
gekleidete Jungfrau aufgestellt. Der Mantel
von zweien wird auf der einen Schulter mit
einer Agraffe zusammengehalten, was die ganze
Figur leicht in der Bewegung und sehr malerisch
macht; ein paar andere Thronassistenten sind
durch Kopftücher ausgezeichnet. Auf dem
Schriftbande von einer kann man noch lesen:
Que sup .... Die Ergänzung ist schwierig,
da uns kein verwandtes Gemälde bekannt ist.
Die zwei Figuren an der Vorderseite des
Thrones stehen hier in tiefgebückter Stellung;
sie sind mittleren Alters, tragen kurze Barte,
leicht umgeworfen sind ihre Mäntel mit fast
fliegenden Enden, wohl ein Prophet und ein
Hoherpriester, nach der niedrigen gerundeten
Kopfbedeckung. Von den daneben wieder-
kehrenden Brustbildern zeigt uns jenes zur
Rechten, ein Kahlhopf die Worte: Verebar
Dm. A. Cra. M. P . . . . und die ehrwürdige
Gestalt gegenüber \jKni. I. D . . . .

Da in den Beziehungen der thronenden
Gottesmutter nach der mittelalterlichen Symbo-
lik die größte Mannigfaltigkeit herrscht, so
dürfte sie auch hier in der Personifikation
der Kirche, begleitet von ihren Tugenden
zu erkennen sein. Es sind zunächst die
Tugenden, welche Maria bei der Verkündigung
in ihrem Benehmen und Worten nach dem
Kommentar der Stelle Lucas I, 29 ff. so klar
ausgedrückt hat, als 1. Verecundia (turbatio);
2. Prudentia (cogitabat); 3. Modestia (sermonis);
4. Castitas (non cognosco virum).

Die Wahl von Altvätern, Propheten und
Heiligen in unseren Bildern, welche sonst
häufiger nur in der Kunst der griechischen
Kirche als Begleiter der Verherrlichung Marias
gewählt werden, deutet auf lombardisch-byzan-
tinische Einflüsse hin und dürfte selbst auf
einen italienischen Künstler schließen lassen.
Daher könnte bei der fast gänzlichen Er-
mangelung der betreffenden Inschriften an
jene gedacht werden, welche die griechische
Kirche aus den Weissagungen des alten Testa-
mentes nach Didron Manuel p. 147, 290 ff.
und Annales IV. 67 geradezu vorschreibt.

Was den Charakter der Gemälde anbelangt,
so zeigt der erste Blick auf dieselben, daß
der alte Meister hohen Ernst und ruhiges
Auftreten mit der nötigen Bewegung der ein-
zelnen Gestalten anstrebt und auch erreicht.
Allerdings werden so vornehme Personen, wie
hier zumeist gewählt sind, nach den Prinzipien
der alten Kunst immermehr traditionell be-
handelt. Modellierung ist wenig vorhanden,
oder nur schwach angedeutet, dennoch aber
auch bei diesem einfachen Vorgehen ein be-
stimmter Ausdruck in den mitunter schönen
und individuellen Köpfen fast durchaus zu-
stande gebracht. Nach gefälligen, ja noblen
Motiven ordnet sich die Kleidung, und sicher
geführt sind die Konturen. Die Farben sind
im Vergleich zu jenen an den Ornamenten
der Friese etwas matt, ja unbestimmt, so z. B.
begegnet uns nirgends ein entschiedenes Rot
oder Blau. Die wellenförmigen tief herab-
gleitenden Zipfel der Mäntel, vorzugsweise an
der thronenden Königin, erinnern bereits an
frühgotische Einflüsse; diesen gegenüber über-
rascht, daß die Mäntel einzelner Nebenpersonen
nach byzantinischer Mode auf der rechten
Schulter geknöpft sind. Zwischen diesen beiden
Erscheinungen dürfte die Entstehungszeit der
Gemälde liegen, nämlich die Mitte des XIII.
Jahrh. Die Technik scheint nicht nur ein-
fache Tempera auf trocknem, sondern auf
nassem Grunde, aber auch nicht ein eigent-
liches Fresko zu sein. Ob man als Meister
dieser Gemälde den Maler Hugo (Huzo)
annehmen darf, der sich um 1214 im Gefolge
des großen Kunstfreundes Conrad, Bischof
von Brixen (1202—1216) findet, muß dahin-
gestellt bleiben.

Terlan. Karl Atz.
 
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