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Zeitschrift für christliche Kunst — 21.1908

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Graus, Johann: Von Freisings deutscher Kolonisation in den Ostalpenländern: Kirchliche Denkmäler
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https://doi.org/10.11588/diglit.4126#0110

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185

1908

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 6.

186

äußersten Grenze des Zulässigen vorschreitende
Schlankheit der Arkadenpfeiler, ihre gedehnte
Aufstellung bis zur Schiffweite selbst, so daß
wenigstens für das Hauptschiff quadrate Ge-
wölbejoche resultieren, ist ein meines Erachtens
sehr bemerkenswertes Zeichen für das Streben
spätgotischer Baumeister, auch bei der Drei-
schiffigkeit der Hallenkirchen eine gewisse
Einheitlichkeit des Raumes zu erzielen,
selbstverständlich zum Behufe der unabweis-
baren Notwendigkeit, das im Schiffe ver-
sammelte Volk in tunlichste Verbindung zu
bringen mit der Liturgie an dem Schauplatze
des Altares. Die Periode späterer Baustile
übte im gleichen Streben die Errichtung ein-
schiffiger Kirchen mit organisch angegliederten
Kapellenreihen. (Vergleiche hierzu die treff-
lichen Bemerkungen des Baumeisters Max
Hasak im Handbuch der Architektur 4. Band
3. Heft 1902.) Die Eigentümlichkeit der
Architektur last sich mehr als bei den Fenstern,
Türen, Streben abschätzen an den Pfeiler-
kapitalen und Gewölben des Schiffes und Hoch-
chores. Die ersteren sind ausgestattet mit
dem Akanthusmotive in symmetrisch auslegen-
den Blattflächen aufsteigend, darüber kleinere
Exemplare volutenartig sich kräuseln. Von
italienisch gotischen Kapitalen, wie man
am Dogenpalaste in Venedig in der Erd-
geschoßhalle sie sieht, war der Skulptor
obiger Pfeilerkapitäle nicht allzufern. Die
Rippengewölbe ferneres zeigen eine ziemlich
komplizierte Sternzeichnung und die auffallend
reiche Ausstattung mit zahlreichen und durch-
aus ornamentierten Schlußsteinen an sämtlichen
Durchdringungsstellen der Rippenläufe. In
der Mitte jedes Gewölbefeldes stellt die Schluß-
steinausstattung einen Heiligen im Brustbild
oder ganzer Figur, auch mit der Beigabe von
Nebenfiguren vor; die seitlichen Schlußsteine
haben bauschige Rosetten und nur eine Minder-
zahl davon ist durch Wappenschilde gebildet,
von denen ein Paar Steinmetzzeichen tragen.
Von den figurierten reproduziert einer die
hl. Gottesmutter im Strahlenscheine, ein anderer
den hl. Apostel Jakob, einen segnenden Bischof,
Engel mit Spruchbändern, die vier Evangelisten-
symbole, auch Zunftembleme wie eine Helle-
barde der Waffenschmiede. Für die Besetzung
aller Rippenkreuzungen von Stern- und Netz-
gesvölben, die an einer Anzahl von krainerischen
gotischen Kirchen nachgewiesen werden muß
(Krainburg, St. Primus ob Stein, Idria, Ehren-

grub, Friedhotkirche von Tolmein) ist die Bau-
schule in Bayern zu suchen, wo für Bauten
bestimmter Landstriche dieselbe Übung fest-
gestellt und insbesondere für die Häufung
vieler und durch Figuren und Ornamente
gebildeter Schlußsteine eine besondere ■— die
Burghauser Schule angeführt wird (Kunst-
denkmale Bayerns 1. Band 1. Teil S. 1541).
Hervorragend zum Vergleich mit den Gewölbe-
zierden von Bischoflak bieten sich dar die in
ihrer ursprünglichen Form noch erhaltenen
Turmhallen der dem Bistume Freising unter-
stehenden Kirche Tuntenhausen mit reich
gegliederten Sternrippengewölben und Halb-
figuren von Heiligen an allen Kreuzungs-
punkten, davon in jedem Joche nicht weniger
als 21 sich gruppieren. Ein Blick auf die
Tafel 225, die eine dieser Gewölbe in Unten-
sicht wieder gibt, läßt keinen Zweifel übrig,
daß zwischen der Bauübung im bayerischen
Nordwesten und jener im bayerischen Vor-
orte freisingischer Kolonien ein Zusammenhang
bestanden hat. Dies ist um so überzeugender,
als für Bischotlak und Tuntenhausen auch
Bauherr und Bauzeit dieselben waren. Die
Inschrifttafel an der erwähnten Turmhalle
von Tuntenhausen nennt als Bauherrn fast
mit gleichen Ausdrücken, wie das am Hoch-
schlosse zu Bischoflaak steht,,Philipps pischoffen
zu Freysing pfalzgrauen bey Reyn, Herzog in
obr und nider bayren . ." und den Bauanfang
1515 sowie das Ende 1533. (K. F. i. Bayern I.
l.S. 1675.) Bei der schlichten Anlage des
ganzen Kirchenbaues kann auch für sein
Äußeres nichts Erhebliches an Wirkung er-
wartet werden; leider haben Versuche der
Neuzeit des abgelaufenen Jahrhunderts, den
Kirchenraum durch Seitenkapellen zu ver-
größern und „stilgerecht" zu restaurieren, dem
Außenansehen nur Abbruch getan, und im
Innern gerade an der Stelle des Hauptaltars
ein ästhetisch und stilistisch höchst mißratenes
Aufsatzgebilde eingeschwärzt, das dem alten
edlen Bauwerke nur zum Nachteil gereicht.
Der Bauzeit der Kirche gehört von seinem
Inhalte bedauerlich nicht einmal eine Statue
an; ein paar Marmoraltäre XVIII. Säkulums
mit guten neuen Bildern in den Seitenschiffen
sind noch das Erquicklichste, den Mangel
älterer Werke minder fühlbar zu machen.

Verlassen wir das alte Freisingische Städt-
chen und wandern durchs enge Stadttor über
den hohen, weitgespannten Brückenbogen zum
 
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