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Zeitschrift für christliche Kunst — 21.1908

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Creutz, Max: Rheinische Goldschmiedeschulen des X. und XI. Jahrhunderts, [3]: Köln, Aachen und Essen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4126#0138

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23 7

1908.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8-

238

Reichenau-Trierer Kunstkreises bereitet sich
dieser streng lineare Stil vor. Er wird am
deutlichsten verkörpert in dem Lebenswerke
eines Benediktinermönches, des Rogerus von
Helmershausen, des Theophilus der „Schedula
diversarum artium", der aus den Traditionen
der rheinischen Goldschmiedewerkstätten her-
auswuchs, sie nach Norden und Osten ver-
breitete und schließlich durch sein überlegenes
Können die rheinischen Werkstätten des XII.
Jahrh. wieder vorbereitete. Der Name (nach
einer Beischrift „Qui et Rugerus") bedeutet
mehr wie ein zufällig überlieferter Künstler-
name. Er ist der erste Künstler des Mittel-
alters, dessen Lebenswerk ein erschöpfendes
Bild der damaligen künstlerischen Anschauung
gestattet, der erste, der von eigenem boden-
ständigen Können durchdrungen war. Mit
ihm beginnt der Anfang einer neuen Zeit, das
Erwachen einer heimischen, wenn man will
nationalen Kunstübung, die er selbst als etwas
Eigenes betont. (Schedula diversarum artium,
Vorwort): „Du also, wer immer du seist,
teuerster Sohn, schätze wertvolle und nutz-
reiche Dinge nicht gering, gleichsam weil sie
die heimische Erde von selbst und un-
verhofft hervorgebracht". Rogerus ist für die
heimische Kunst in jeder Beziehung ein Neuerer
und Bahnbrecher. Er greift die ottonischen
Traditionen auf und verarbeitet sie in neuer
und eigener Weise. Die Hauptwerke des
Rogerus sind durch von Falke19) zusammen-
gestellt, andere Werkstattarbeiten wurden vom
Verfasser hinzugefügt.20) Inzwischen sind andere
Werke aufgetaucht, die den Zusammenhang
besonders deutlich machen. Ein Kreuz im
Frankfurter Kunstgewerbemuseum zeigt den
Zusammenhang mit den abgebildeten Kölner
Elfenbeinen und den Essener Kreuzen, und
deutet den Weg der Weiterentwicklung zu
den Hildesheimer Kruzifixen in Berlin an
(Abb. 5).21)

Besonders der Kruzifixus des II. Essener
Kreuzes (nach Humann) vermehrt hier aufs
deutlichste den Bestand der Kölner Arbeiten.
Zu den bedeutendsten Arbeiten der Rogerus-
werkstatt gehören die Hildesheimer Sarko-
phage der hh. Epiphanius und Godehard, und

19) »Rheinische Schmelzarbeiten des Mittelalters.»
-°) »Bericht der Berliner Kunstgeschichtlichen Ge-
sellschaft« 1907. V.

2i) Die Photographie verdanke ich der Freundlich-
keit des Herrn von Trenkwald.

es ist bei diesen vor allem für die Frage
der Identität des Rogerus-Theophilus wichtig
hervorzuheben, daß die Worte der Schedula
völlig auf die Hildesheimer Sarkophage zu-
treffen. Vor allem das Kapitel LXXVII von
getriebener Arbeit, die mit dem Meißel über-
gangen wird, stimmt besonders in der Be-
tonung des Linearen völlig mit der technischen
Ausführung der Hildesheimer Sarkophage über-
ein. Neuerdings ist von Adolf Rosenberg die
alte Streitfrage wieder aufgegriffen worden, ob
Theophilus der Verfasser der Schedula diver-
sarum artium wirklich identisch sei mit dem
Benediktinermönch Rogerus - Helmershausen.
In seiner Arbeit über Niellotechnik führt der
Verfasser die alten Gegengründe gegen die
Behauptung Ilgs an, daß der Name Rogerus
für den Autor der Schedula erst im XVII. Jahrh.
auftauche und zwar auf dem relativ jungen
Umschlage der älteren unter den beiden Wiener
Handschriften, ferner, daß die Emailtechnik
am Paderborner Tragaltare nicht vorkomme.
Nun sind bei eingehender Betrachtung die
übereinstimmenden Merkmale ungleich größere;
doch wird man diese Frage niemals dadurch
lösen können, daß man willkürlich einige Über-
einstimmungen oder Unterschiede mit diesem
aus dem Lebenswerk des Rogerus zufällig
Erhaltenen herausgreift, es scheint vielmehr
wesentlich, die in der künstlerischen Anschau-
ung der Zeit begründete technische und theore-
tische Auffassung des Künstlers sowohl wie
seiner Zeit zu vergleichen, und dann die Gründe
abzuwägen für die Tatsache „Theophilus, qui et
Rugerus". Denn sicherlich wiegen die zahl-
reichen Übereinstimmungen der theoretischen
Erörterungen der Schedula mit der praktischen
Ausführung der Werke des Rogerus, und
nur mit diesen, ferner die, wenn auch späte
Notiz „Qui et Rugerus" schwerer wie der
kleine, immer wieder gegen die Identität ins
Feld geführte Umstand, daß an dem Pader-
borner Tragaltar zufällig kein Email zur An-
wendung kam. Und man kann ganz allgemein
sagen, daß ein Schriftsteller von der Bedeutung
eines Theophilus Spuren seiner Wirksamkeit
hinterlassen haben muß. Diese können jedoch
nur in der Zeit um 1100 und nur in den
Werken des Rogerus von Helmershausen er-
halten sein, der in seiner Zeit sowohl wie in
der rheinischen Kunst des XII. Jahrh. von
einzigartiger Bedeutung war.

Köln. Max Creutz.
 
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