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Zeitschrift für christliche Kunst — 21.1908

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Reiners, Heribert: Das Chorgestühl des Domes zu Köln, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4126#0161

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1908. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.

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springt. Die Nebenszene zeigt einen Guitarre
spielenden Jüngling und ein Mädchen, das
zu den Tönen der Musik tanzt. Zur Charak-
terisierung der Szenerie ist zwischen beide ein
Baum gestellt, an dem zwei Meerkatzen hin-
aufklettern. Der Künstler gibt hier zwei Szenen
aus dem Weltleben, Sport und Tanz, die in
dieser Weise auf den Spiegelkapseln wieder-
kehren und ebenso, als Ausdruck der Weltlust
auf dem Trionfo della morte im Campo
santo zu Pisa und beim Maler der spainschen
Kapelle von S. Maria Novella. Die Voluten
der Wange setzen das Thema fort, indem die
linke einen springenden Schalksnarren, die
rechte einen Jüngling mit einer Geige aufnimmt.
Auf der Gegenwange (Abb. 7) sehen wir in
dem rechten Vierpaß eine reichgewandete Frau
mit erhobener Rechten auf einen Mann vor
ihr einreden, der sich aber von ihr kehrt. Ur-
sprünglich stand zwischen beiden ein Baum,
dessen Überreste noch vorhanden. Die zweite
Darstellung zeigt einen sitzenden, jungen Mann,
der, die Hände auf der Brust gefaltet, mit
geneigtem Haupte auf die Worte eines Mönches
hört. Diese Szenen sind nur aus dem Gegen-
satz zu denen der ersten Wange verständlich.
Dort verbringen die jungen Leute ihre Zeit
auf der Jagd, hier widmet der Jüngling seine
Stunden dem Anhören des Gotteswortes; jener
begibt sich durch Spiel und Tanz in die Ge-
fahr der Sünde, dieser flieht die Versuchung
und wendet sich ab von der lockend nahen-
den Verführerin. Der Gegensatz wird in den
Voluten weitergeführt. In den ersten Ranken
sahen wir einen Schalksnarren und einen
Geigenspieler, hier dagegen ist ein religiöses
Thema angeschlagen: Die Verkündigung. Links
erscheint der Engel mit der Schriftrolle, die
Rechte grüßend erhoben. Maria auf der Gegen-
seite empfängt stehend die Botschaft. Ihre
Linke hält ein Buch, die Rechte ruht auf der
Brust: ecce ancilla Domini! Einer Vase vor
ihr entquellen die symbolischen Lilien. Dort,
wo beide Ranken zusammenstoßen, erscheint
in Halbfigur Gottvater, die Taube fliegt von
seiner linken Seite auf die Jungfrau zu. Auch
auf der Rückseite kommt der Kontrast zum
Ausdruck: Links Kain, mit einem Bündel
Ähren, finster und verschlossen, mit einem
echten Gaunergesicht, rechts Abel, vergnügt
und zufrieden ein Lamm im Arme haltend.
Oben wieder um Gottvater.

Die Darstellungen der linken Wangen sind
ob ihrer Unvollständigkeit nicht bestimmt zu
deuten. Als die Wand die den Chor abschloß, im
XIX. Jahrhundert fiel, wurden dem Gestühle
an dieser Seite vier Wangen hinzugefügt, einige
der alten restauriert und manche Miserikordien
und Vierpässe unter den Klappsitzen ersetzt.
Die äußerste Wange der Südseite ist bis auf
einen Vierpaß vollständig erneuert worden.
Auf der alten Füllung treibt eine Frau an
einer Leine zwei Gänse durch ein Tor einem
Manne zu, anscheinend einem Mönche der
ihr in der Rechten ein Brot darbietet. Die
linke Hand ist ergänzt. Ob man in dieser
Szene eine boshafte Anspielung auf die damals
gern verspotteten Bettelmönche erblicken muß ?
An eine Darstellung aus dem Leben der hl.
Lüftildis, deren Verehrung sich gerade damals
großer Beliebtheit erfreute und in deren Ge-
schichte ein Erlebnis mit Gänsen eine große
Rolle spielt, ist wohl nicht zu denken. — Die
äußerste Wange der Nordseite zeigt in dem einen
Vierpaß eine die Mitte einnehmende, stehende
gekrönte Frauengestalt mit einem Buche in der
ausgestreckten Rechten. Ein kniender Ritter
an ihrer Seite hebt die Hand empor, um zu
schwören oder um nach dem Buche zu greifen.
Der Ritter der anderen Seite ist ergänzt. Auf
der zweiten Szene reicht eine Frau einem vor
ihr knienden Manne in Rüstung und reichem
Mantel einen Helm. Vielleicht handelt es sich um
Szenen aus dem Turnier- und Minneleben. -
Bisher wurden beide Reliefs auf die hl. Elisabeth
bezogen. Links nimmt die Heilige, so lautet die
Deutung, von den beiden Rittern mit der Trauer-
botschaft \ om Tode ihres Gatten zugleich den
Schwur entgegen, ihr und ihren Kindern zu ihrem
Rechte zu verhelfen. Auf der Nebenszene legt
sie vor ihrem Beichtvater, Konrad von Marburg
das Gelübde ab, fortan der Welt zu entsagen.
Diese Deutung ist aber unhaltbar. Man wird
nicht zwei beliebige Szenen aus dem Leben
der Heiligen zur Darstellung genommen haben.
Wenn uns die mittelalterlichen Künstler das
Leben der hl. Elisabeth erzählen, wie auf ihren
Reliquienschreinen und in den Glasgemälden
ihrer Kirche, so wählen sie stets einen Zyklus. —
Die Voluten der nördlichen Wange sind ergänzt
und zeigen auf der Vorderseite Friedrich Barba-
rossa und Otto IV., auf der Rückseite Reinald von
Dassel und Philipp von Heinsberg. (Schluß folgt.)

Bonn. Heribert Reiners.
 
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