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Zeitschrift für alte und neue Glasmalerei und verwandte Gebiete: off. Organ d. Verbandes Deutscher Glasmalereien — 1913

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Nr. 3
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Fischer, Josef Ludwig: Glasgemälde und Mosaikschmuck in den Neubauten der Münchener Universität
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Memminger, Karl: Bemerkungen zu den Naumburger Domfenstern
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https://doi.org/10.11588/diglit.74067#0061

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einer banalen Sentimentalität, die größte Gefahr
der modernen Glasmalerei, vermeidet. Wir haben
auf S. 27 zwei dieser Scheiben abgebildet. Sie sind
ähnlich wie bei den Gemälden von W. Köppen in
größere halbkreisförmige Fenster eingelassen und
sind rechts und links von kleineren, mit Symbolen

ausgefüllten Scheiben umgeben. Sämtliche Glas-
malereien der Universität haben in der tüchtigen
Glasmalereianstalt von Josef Kreuzer = München
eine der Bedeutung der Entwürfe würdige Aus-
führung bekommen.
München. Josef Ludwig Fischer.

BEMERKUNGEN ZU DEN NAUMBURGER
DOMFENSTERN.

Im Gegensatz zu verschiedenen anderen Glas-
malereien, die allbekannt sind und in steter kunst-
geschichtlicher Erörterung stehen,
führen die Naumburger Fenster ein
mehr stilles Dasein. Wohl hat sie
der langjährige Forscher und gründ-
liche Kenner des Naumburger Doms,
Architekt K. Memminger in Naum-
burg, schon vor mehr denn 10 Jahren
im «Christlichen Kunstblatt» be-
sprechen und nachgewiesen, daß sie
in der Zeit des zweiten Dombaus
— über die Entwicklung des Baus
hat Memminger ein ausgezeichnetes
Werkdien: «880 Jahre Baugeschichte
desNaumburgerDoms»geschrieben,
— in der Zeit zwischen 1237 und
1242 entstanden sind, aber das
Nähere über ihren Schöpfer konnte
bis jetzt nicht festgestellt werden.
Der Westdior enthält fünf Fenster,
die durchweg restauriert und ergänzt
sind. Jedes der einmal geteilten
Fenster erhielt zehn bezw. acht Feh
der, in die Einzelfiguren komponiert
waren. Soweit auf ihnen Heilige dar-
gestellt wurden, hielt man sich an die


bekanntesten, in der ganzen christ- n + ~
liehen Kirche verehrten Gestalten, so bürg um 1230
daß auch aus ihnen keinerlei Schluß
auf die Heimat desGlasmalers gezogen werden kann.
Die drei mittleren Fenster zeigen die allegorischen
Figuren der Tugenden und Laster und für jegliche
dieser Eigenschaften ein hervorragendes Beispiel aus
der christlichen bezw. heidnischenWelt. Dabei ergibt
sich das folgende, sonst unbekannte System:

Mittleres Fenster

Linkes Fenster

Petrus
fides
perseverantia
Paulus
Simon Magus
infidelitas
inconstantia
Nero
Jacobus maior mansuetudo
sapientia
Simon
Herodes
insolentia
insipientia
Zaroes
Johannes
caritas
pax
Thaddaeus
Domitian
avaritia
discordia
Arfaxat
Andreas
fortitudo
iustitia
Jacobus minor
Aegeus
timor
injuria
?

Das rechte Fenster enthält:

Philippus
Bartholomäus
Asträges
Matthaeus
Hirtacus
Thomas
Mesdeus

misericordia
intolerantia
benignitas
invidia
patientia
ira
spes
desperatio

Man sieht, die Beziehung der
Apostel zu den einzelnen Tugenden,
bekannter und unbekannter Heiden
zu den Lastern ist keineswegs von
zwingender Logik, immerhin wird sie
auf ein bestimmtes Vorlagewerk
zurückgehen. An der Basis der Fen-
ster sind in Medaillons die Brust-
bilder von zehn Naumburger Bi-
schöfen angebracht, und zwar von
Hildwart bis Bertold! (1003—1161).
Zu diesen Fenstern schreibt uns
Herr Architekt Memminger:
Auf dem Gebiete der Schrift-
stellerei über alte Glasmalereien be-
gegnet man vielfach der irrigen
Meinung, als ob:
1. Das Mittelalter nur etwa hand-
große Glasscheiben herzustellen ver-
mocht hätte.
2. Nur 3 Farben, rot, blau, gelb
verwendet habe.

3. Von jedem Streben nach Plastik in der Glas-
malerei frei gewesen sei.
4. Die Stärke der Glasscheiben alter Fenster be-
trüge nur 2~3 mm, selten mehr, ginge aber zu-
weilen auf 1 mm herab.
Alle diese Behauptungen werden durch die 5
Fenster des Westchors am Naumburger Dome
widerlegt. Wie in meiner kleinen Schrift : «880 Jahre
Baugeschichte des Naumburger Domes» nachge-
wiesen ist, wurde der Dom, mit Einschluß des
Westchors, zwischen 1220 bis 1242 erbaut, und
zwar der Westdior zwischen 1237 und 1242. Gleiche
zeitig mit den Fenstermaßwerken des letzteren sind
auch die Glasmalereien versetzt, denn die Tafeln

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