Wir haben bei der Besprechung des Glasgemäldes
von Schulze ® Jost, Berlin angemerkt, daß es nur
in dem entsprechenden Raum seine volle Wirkung
entfalten kann. Es ist vielleicht der größte Fehler
der I. B.=A., daß sie bei der Hinzuziehung der Glas-
malerei zu wenig darauf geachtet hat, daß kein Glas-
gemälde für sich allein wirken, sondern sich in den
Charakter des Baues, den es zieren wird, organisch
einfügen muß. Auf der I. B.=A. erscheint die Glas-
malerei, leider z. T. auch die Baukeramik, als selbst-
ständiges Kunstgewerbe. Die I. B.=A. wäre die
schönste Gelegenheit gewesen, den Charakter und
Ursprung der Glasmalerei, als unerläßlichen Be-
standteil des Bauprogammes und Raumbilds zu
demonstrieren und wäre es nur in Zeichnungen
und Modellen geschehen, die einem Glasgemäldebei-
gefügt worden wären. Schwache Versuche finden
sich in der Dorfkirche und in der Sächsischen Halle,
nur in dem Magdeburger Raum mit Thorn=Prikkers
Ornamentfenster und besonders in dem Pollich-
Stadler=Haus ist eine innere Einheit zwischen dem
Charakter des Baues und der Glasmalerei zur
Wiedergabe gebracht worden. Die Diele und das
Treppenhaus dieses interessanten Hauses zeigt einen
sehr vornehmen und feinen Fenstersdimuck. Es sind
kleine ovale Genreszenen, die mit Schwarzlot und
Jean Cousinfarbe, dem Ersatz für das Rotlot der
Alten, gemalt sind. Diese lustigen Bildchen, die nach
Olbertz' Entwürfen von Schulze ® Stockinger aus-
geführt wurden, reihen sich ausgezeichnet in das
Raumbild, dem sie durch ihr mildes Licht und ihre
warme Stimmung erst die vollendeteWirkung geben.
(Schluß folgt) J. L. Fischer, München.
DIE DEKORATIVEN AUFGABEN DES MOSAIKS.
(Fortsetzung des Artikels in Nr. 6)
Seit das Christentum das Mosaik zu pflegen be-
gönnen hatte, zierte es fast nur noch die Wände.
Mehr wie die Antike hat das Christentum den ge-
waltigen Reichtum an dekorativer Ausdruckskraft
erkannt, der dem Mosaik eigen ist. Kommt dazu
die Erwägung, daß das Mosaik dauerhafter und
satter in den Farben ist — und wir begreifen, warum
die frische unmittelbare Kunst der ersten christ-
liehen Jahrhunderte bis hinein ins zehnte und elfte
so hartnäckig am Mosaik festgehalten hat. Wie
stark die Freude am Mosaik bereits den ersten
Christen im Blute lag, kann man am besten daran
ermessen, daß sie in den Katakomben, ihren Be-
gräbnis= und zu Zeiten der Christenverfolgungen
Kultstätten Mosaikschmuck anbrachten, obwohl
niemals der Sonne leuchtender Strahl oder auch
nur des verhängten Himmels matter Schimmer das
Mosaik zum Glanz bringen sollte. Mit wahrem
Jubel ergriff daher die durch das Mailänder Edikt
des Kaisers Konstantin von den Katakomben an
das Tageslicht einer Staatsreligion heraufgerufene
christliche Kirche die Gelegenheit, alle in ihr
schlummernden künstlerischen Regungen der Würde
des Gottesdienstes und der Schönheit des Tempels
dienstbar zu machen und so weit als nur immer
möglich auszubilden. Viele Geschlechter sind über
die Entwicklung des Mosaiks hingegangen, Zeiten
üppigster Erfindung und Schaffenskraft wechseln
mit Perioden trauriger Öde und Dürre, allein durch
sämtliche Schulen und Richtungen zieht ein Ge-
danke, der die großen Künstler, wie die einfachen
Handwerker hält, die monumentale Wirkung, die
dem Mosaikschmuck eigen ist. Konnte es etwas
Eindrucksvolleres geben, als wenn sich die Muschel
des Apsis im feierlichen Blau zahlloser Würfeldien
wölbte, wenn sich von diesem Hintergrund die
Personen und Szenen abhoben, deren man am
Altar, der davor stand, gedachte. Darum ist auch
die Entwicklung vom sogenannten Weißgrund-
und Landschaftsstil zum Blaugrundstil so sehr ver-
ständlich. Julius Kurth hat in seinem Buch «Die
Mosaiken von Ravenna», über das wir in der
nächsten Nummer des näheren handeln werden
und aus dem wir heute eine Abbildung zur Ver-
öffentlichung bringen, diese Entwicklung an den
Mosaiken Ravennas vortrefflich dargelegt. Der
sogenannte Weißgrundstil ist für unsere Betrachtung
der bedeutendste, wie er auch für die absolute
Wertung als vollkommenste dasteht. Er verfügt
über wenig Farbtöne, aber über ein ausgesprochenes
Formengefühl, wimmelt von Ornamenten, die er
aus der Pflanzen= und Tierwelt entlehnt. Heutzu-
tage kennt man nicht mehr viel von dieser Art
Mosaik. Es ist auch nicht viel erhalten und das
wenig erhaltene, wie die Mosaiken im Mausoleum
der Constantia <S. Costanza) in Rom, ist wenig
bekannt. (Siehe die Abbildung.) Aber die Tat-
sache, daß gerade diese fast nur ornamentale Art
des Mosaiks — biblische Stoffe sind in sehr
diskreter Weise eingefügt, ohne jedoch irgend^
wie in herrschender oder gar vordringlicher Art
aufzutreten — zum Schönsten gehört, was die
christliche Kunst hervorgebracht hat, sollte lehren,
daß die Durchschlagskraft des Mosaiks im Orna-
mentalen, im Dekorativen besteht, daß es also nicht
notwendig ist, sich unter Mosaik schwere Kompo-
sitionen mit überlebensgroßen Figuren vorzustellen
und folgerichtig die edle Kunst des Mosaiks dem
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von Schulze ® Jost, Berlin angemerkt, daß es nur
in dem entsprechenden Raum seine volle Wirkung
entfalten kann. Es ist vielleicht der größte Fehler
der I. B.=A., daß sie bei der Hinzuziehung der Glas-
malerei zu wenig darauf geachtet hat, daß kein Glas-
gemälde für sich allein wirken, sondern sich in den
Charakter des Baues, den es zieren wird, organisch
einfügen muß. Auf der I. B.=A. erscheint die Glas-
malerei, leider z. T. auch die Baukeramik, als selbst-
ständiges Kunstgewerbe. Die I. B.=A. wäre die
schönste Gelegenheit gewesen, den Charakter und
Ursprung der Glasmalerei, als unerläßlichen Be-
standteil des Bauprogammes und Raumbilds zu
demonstrieren und wäre es nur in Zeichnungen
und Modellen geschehen, die einem Glasgemäldebei-
gefügt worden wären. Schwache Versuche finden
sich in der Dorfkirche und in der Sächsischen Halle,
nur in dem Magdeburger Raum mit Thorn=Prikkers
Ornamentfenster und besonders in dem Pollich-
Stadler=Haus ist eine innere Einheit zwischen dem
Charakter des Baues und der Glasmalerei zur
Wiedergabe gebracht worden. Die Diele und das
Treppenhaus dieses interessanten Hauses zeigt einen
sehr vornehmen und feinen Fenstersdimuck. Es sind
kleine ovale Genreszenen, die mit Schwarzlot und
Jean Cousinfarbe, dem Ersatz für das Rotlot der
Alten, gemalt sind. Diese lustigen Bildchen, die nach
Olbertz' Entwürfen von Schulze ® Stockinger aus-
geführt wurden, reihen sich ausgezeichnet in das
Raumbild, dem sie durch ihr mildes Licht und ihre
warme Stimmung erst die vollendeteWirkung geben.
(Schluß folgt) J. L. Fischer, München.
DIE DEKORATIVEN AUFGABEN DES MOSAIKS.
(Fortsetzung des Artikels in Nr. 6)
Seit das Christentum das Mosaik zu pflegen be-
gönnen hatte, zierte es fast nur noch die Wände.
Mehr wie die Antike hat das Christentum den ge-
waltigen Reichtum an dekorativer Ausdruckskraft
erkannt, der dem Mosaik eigen ist. Kommt dazu
die Erwägung, daß das Mosaik dauerhafter und
satter in den Farben ist — und wir begreifen, warum
die frische unmittelbare Kunst der ersten christ-
liehen Jahrhunderte bis hinein ins zehnte und elfte
so hartnäckig am Mosaik festgehalten hat. Wie
stark die Freude am Mosaik bereits den ersten
Christen im Blute lag, kann man am besten daran
ermessen, daß sie in den Katakomben, ihren Be-
gräbnis= und zu Zeiten der Christenverfolgungen
Kultstätten Mosaikschmuck anbrachten, obwohl
niemals der Sonne leuchtender Strahl oder auch
nur des verhängten Himmels matter Schimmer das
Mosaik zum Glanz bringen sollte. Mit wahrem
Jubel ergriff daher die durch das Mailänder Edikt
des Kaisers Konstantin von den Katakomben an
das Tageslicht einer Staatsreligion heraufgerufene
christliche Kirche die Gelegenheit, alle in ihr
schlummernden künstlerischen Regungen der Würde
des Gottesdienstes und der Schönheit des Tempels
dienstbar zu machen und so weit als nur immer
möglich auszubilden. Viele Geschlechter sind über
die Entwicklung des Mosaiks hingegangen, Zeiten
üppigster Erfindung und Schaffenskraft wechseln
mit Perioden trauriger Öde und Dürre, allein durch
sämtliche Schulen und Richtungen zieht ein Ge-
danke, der die großen Künstler, wie die einfachen
Handwerker hält, die monumentale Wirkung, die
dem Mosaikschmuck eigen ist. Konnte es etwas
Eindrucksvolleres geben, als wenn sich die Muschel
des Apsis im feierlichen Blau zahlloser Würfeldien
wölbte, wenn sich von diesem Hintergrund die
Personen und Szenen abhoben, deren man am
Altar, der davor stand, gedachte. Darum ist auch
die Entwicklung vom sogenannten Weißgrund-
und Landschaftsstil zum Blaugrundstil so sehr ver-
ständlich. Julius Kurth hat in seinem Buch «Die
Mosaiken von Ravenna», über das wir in der
nächsten Nummer des näheren handeln werden
und aus dem wir heute eine Abbildung zur Ver-
öffentlichung bringen, diese Entwicklung an den
Mosaiken Ravennas vortrefflich dargelegt. Der
sogenannte Weißgrundstil ist für unsere Betrachtung
der bedeutendste, wie er auch für die absolute
Wertung als vollkommenste dasteht. Er verfügt
über wenig Farbtöne, aber über ein ausgesprochenes
Formengefühl, wimmelt von Ornamenten, die er
aus der Pflanzen= und Tierwelt entlehnt. Heutzu-
tage kennt man nicht mehr viel von dieser Art
Mosaik. Es ist auch nicht viel erhalten und das
wenig erhaltene, wie die Mosaiken im Mausoleum
der Constantia <S. Costanza) in Rom, ist wenig
bekannt. (Siehe die Abbildung.) Aber die Tat-
sache, daß gerade diese fast nur ornamentale Art
des Mosaiks — biblische Stoffe sind in sehr
diskreter Weise eingefügt, ohne jedoch irgend^
wie in herrschender oder gar vordringlicher Art
aufzutreten — zum Schönsten gehört, was die
christliche Kunst hervorgebracht hat, sollte lehren,
daß die Durchschlagskraft des Mosaiks im Orna-
mentalen, im Dekorativen besteht, daß es also nicht
notwendig ist, sich unter Mosaik schwere Kompo-
sitionen mit überlebensgroßen Figuren vorzustellen
und folgerichtig die edle Kunst des Mosaiks dem
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