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Zeitschrift für alte und neue Glasmalerei und verwandte Gebiete: off. Organ d. Verbandes Deutscher Glasmalereien — 1913

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Nr. 5
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Drei süddeutsche Glasgemälde aus der Mitte des 15. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.74067#0101

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DREI SÜDDEUTSCHE GLASGEMÄLDE AUS DER MITTE
DES 15. JAHRHUNDERTS.

Auf der Tafel bringen wir drei Scheiben zur AL
bildung, die sich im Besitz des Herrn A. Huber in
Sibibrugg bei Zürich befinden. Die eine stellt die
Szene der Dornenkrönung dar. Sie ist unter einen
großen Rundbogen komponiert und spielt vor einem
dreiteiligen Fenster ab. Der Boden ist in perspek-
tivische Verkürzung gezeichnet. Auf dem Pendant
sehen wir den Zug, der eben aus einem Stadttor
herauskommt und sich um die Person des kreuz-
tragenden Christus gruppiert. Das Mittelbild zeigt
die drei Marien. «Es standen aber bei dem Kreuze
Jesus seine Mutter und die Schwester seiner Mutter,
Maria des Kleophas Frau und Maria von Magdala.»
(Evangelium des Johannes, Kapitel 19, Vers 25.>.
Darüber, in einen Kleeblattbogen komponiert, be-
findet sich das Brustbild des Propheten Jeremias,
der als der besondere Vorausverkündiger des
Leidens Jesu Christi gilt. Er ist von Wolken-
bändern umgeben und hält mit der Linken ein Schrift^
band, auf dem die Worte stehen: yermia pro
frotea # ano dn # XLIIII. Diese Schrift ist fehlerhaft
und insbesondere mutet zunächst die Jahreszahl 44
(1444) etwas seltsam an, da man das Glasgemälde
gerne für einige Dezennien jünger halten würde. Die
drei Scheiben stellen den Überrest eines größeren
Zyklus' dar. Wahrscheinlich bildete die Scheibe
mit den drei Marien einen Seitenflügel, zu dem ein
zweiter mit der Kreuzigungsszene und ein dritter
mit Johannes und den anderen Personen unter dem
Kreuze gehörten.
Über die Provenienz dieser Scheiben ist nichts
bekannt geworden. Daherkönnenlediglich stilistische
Vergleiche über den Ort der Entstehung Anhalts-
punkte geben. Nach unserem Dafürhalten ist Bayern
ausgeschlossen. Wir wüßten nicht, was an bayrischen
Glasmalereien aus den Jahren 1420 — 1480 auch nur
entfernt Ähnlichkeit mit diesen Arbeiten hätte. Es
ist ja allerdings sehr wenig erhalten/ allein dieses
Wenige reicht hin, um den Gedanken an Bayern
auszuschließen. Man könnte daher an den Kreis
denken, der kunstgeschichtlich mit dem Wort ober-

rheinisch charakterisiert wird. Auch für diese Schulen
haben wir zu wenig Vergleichsmaterial. Die Schulen
Witz und Moser bieten wenigstens keinen Anhalts^
punkt. Dagegen erscheint mir als sehr wahrschein-
lieh, daß der Glasmaler unserer drei Scheiben jene
Arbeiten gekannt hat, die man dem Ulmer Bild-
hauer Hans Multscher zuweist. Wir haben an
diesem Ort keine Veranlassung, auf die Frage des
näheren einzugehen, ob der Bildhauer Multscher
zugleich auch Maler war, obwohl wir unsere An-
schauung, die von Männern wie Curt Habicht, sehr
voreilig als abgetan erklärt wird, auch hier wieder-
holen, daß nämlich der Maler des Berliner und
Sterzinger Altars mit dem Bilhauer Multscher nicht
identisch ist. Wie dem auch sei, diese zwei großen
Malereizyklen gehen unter dem Namen des Hans
Multsdier und können daher unter dieser Bezeichn
nung verglichen werden. Siehe z.B. Baum, Ulmer
Kunst, Tafel 4—23 und Heidrich, die altdeutsche
Malerei,Taf.30—35. Der eine der genannten Altäre,
dessen Flügel jetzt im Kaiser=Friedrich=Museum
zu Berlin aufbewahrt sind, stammt laut Aufschrift
aus dem Jahre 1437. Ursprünglich hat er wohl eine
Kirche im württembergischen Obersdiwaben geziert.
Der andere Altar läßt sich ebenfalls genau, nämlich
auf die Jahre 1456—58 datieren. Seine Flügel be-
finden sich heute im Rathaus zu Sterzing. Von
beiden Altären ist jener Flügel erhalten, der die
Kreuztragung darstellt (siehe Baum, Tafel 10
und 23, Heiderich, Tafel 32>. Die Anordnung ist
beidesmal die gleiche: Im Vordergrund Christus
nach rechts, den Kopf leicht nach rückwärts ge-
wendet. Er wird von einem Schergen geschleppt
und hinten am Kreuze sucht Simon von Cyrene
zu helfen. Die hinter Christus befindliche Szene,
in der Maria mit Johannes verspottet wird, sind
ebenfalls beidesmal gleich. Genau so präsentiert
sich unser Glasgemälde. Im einzelnen sind die An-
lehnungen unverkennbar, so ist besonders der Kopf
des Johannes auf dem Glasgemäde aufs engste mit
dem Johanneskopf des Berliner Altarflügels ver-

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