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Zeitschrift für alte und neue Glasmalerei und verwandte Gebiete: off. Organ d. Verbandes Deutscher Glasmalereien — 1913

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Nr. 4
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Fischer, Josef Ludwig: Die Entwicklung der Kunstverglasung
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Ein Glasfenster von Max Pechstein
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https://doi.org/10.11588/diglit.74067#0081

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eines Teppichs
Ähnlichkeit ha-
ben. Seitdem das
Cistercienser-
kapitel des Jahres
1134 die figür-
liehe Glasmalerei
für den ganzen
Orden verboten
hatte, warf sich
die Kunst des
Ordens auf die
durch dasVerbot
nicht berührte
Grisaillen= und
Kunstvergla-
sung,soweit man
nicht in einzelnen



Detail aus einem Fenster zu Regensburg 14. Jahrhundert. Sog. Teppichmuster. Kunstverglasung
mit Anwendung des Schwarzlot.

versehen. Aus
einem solchen
Fenster, einem
Glasgemälde des
Domes zu Re-
gensburg, ist die
nebenstehende
Abbildung ent-
nommen. Sie ist
gleichzeitig ein
Beispiel für jene
Art der Bunt-
verglasung, bei
der die Zeichn
nung des Blei-
netzes durch
Schwarzlot un-
terstützt wird.

Konventen milder dachte und den Beschluß nach ver-
schiedenen Seiten hin dehnte. Jedenfalls schuf dieses
Verbot die Blütezeit der Kunstverglasung und es ist
bezeichnend, daß die deutsche Glasmalerei ein be-
sonderes Verständnis für diesen Zweig des Kunst-
gewerbes hatte. Nur in wenigen Orten wurde die
Kunstverglasung für sich allein verwendet. Meistens
war sie in Verbindung mit einem größeren Aus-
stattungsprogramm, in dem die figürliche Glas-
malerei eine große Rolle spielte. Als im Zeitalter
der Gotik die Fenster in ungemessene Höhe sich
reckten, bot die Kunstverglasung das bequemeAus-
hilfsmittel, die dem menschlichen Auge schwer unter-
scheidbaren und daher für Aufnahme figürlicher
Glasmalerei ungeeigneten Flächen mit Schmuck zu

Mit dem Aufkommen der Renaissance und der
darauffolgenden Stile war es mit einer blühenden
Kunstverglasuug so gut wie vorbei, zudem man
in der Butzenscheibe einen bequemen, allerdings
etwas nüchternen Ersatz hatte. In neuerer Zeit
erst griff man wieder den alten Gedanken auf. Die
Gründe waren rein materielle, Billigkeitsgründe.
Kein Wunder, daß die nur mit klingendem Metall
angefaßte Kunst sich spröde zeigte und leider in
mannigfache Geschmacklosigkeiten ausartete. Erst
als sich ernste Künstler der Sache annahmen, rötete
sich der Morgen für eine Neubelebung der Kunst-
verglasung. Wie sich dies im einzelnen vollzog,
werden wir in dem nächsten Artikel sehen.
(Fortsetzung folgt.) Josef Ludwig Fischer.

BIN GLASFENSTER VON MAX PECHSTEIN

Vor dem neuen Glasfenster Pechsteins kommt
dem beschaulichen Betrachter die Erinnerung an die
klassisch große Zeit des « dunklen » Mittelalters. Ein
überlebensgroßer Mensch steht da, der in der Selbst-
verständlichkeit ungehemmt strömenden Lebens
seine Seele von sich abfließen läßt wie einen Bronnen
in das Becken ungekannter Gnade: Köstlichkeiten,
die nur erlesene, schmucklose Geister als solche
anerkennen: ein Blau, ein Rot, Dunkel=orange und
Violett. Und Leben ist da, das dem Menschen
ewig fremde, das Andere und drängt sich mit gra-
ziösen klingenden Kurven an den Menschen, als
wolle es in ihn einfließen, um in dem Glanz seiner
Seele mit in das Absolute einzugehen/ so vertraue
lieh und doch ohne Rührseligkeit.
Es ist ein Weib. Das rechte Bein ist geknickt,
während das linke straff gespannt dasteht. Beide

Arme sind mit einer Senkung der linken Schulter er-
hoben undscheinen dasKopftuch aufrichten zu wollen
wie eine Sonne oder einen bethlehemitischen Stern.
Wären wir im «dunkeln» Mittelalter, wir würden
diesemWeibedenNamen einerHeiligen geben und es
würde als Genoveva am Münsterchor in unserem
Leben wandeln. So wird es namenlos als einStück von
uns allen irgendwo in einer gleichgültigenVilla enden.
Die Gesamtfläche (Höhe 1,85 m : 0,88 m Breite)
ist durch ein segmentartiges Ornament umrandet
und verkleinert. In der Höhe dreimal, in der Breite
zweimal schwingen die Bögen vom Rand herkom-
mend in die Fläche hinein, blau=rot=weiß, und lassen
zwischen ihren weißen Rändern eine grüne Fläche,
von der sich die Figur blau, mit violetten Armen
und rotem Tuch abhebt. Die grüne Fläche ist durch
freischwingende Pflanzenornamente belebt.

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