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Zeitschrift für alte und neue Glasmalerei und verwandte Gebiete: off. Organ d. Verbandes Deutscher Glasmalereien — 1913

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Nr. 8
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Ehrismanns Glasmalereien in der neuen Magdalenenkirche zu Strassburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.74067#0173

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EHRISMANNS GLASMALEREIEN IN DER NEUEN
MAGDALENENKIRCHE ZU STRASSBURG.

Es ist unendlich viel verloren gegangen, als in
einer Augustnacht des Jahres 1904 die altehr-
würdige St, Magdalenenkirche, deren Grundstein
1478 in Gegenwart des berühmten Geiler gelegt
wurde, in den Flammen
zusammenstürzte. Nur
der Chor blieb stehen
und auch von diesem nur
die nachten Wände, -die
Feuersteinseben Ge-
mälde sind vernichtet
worden und ebenso die
noch kostbareren Glas-
fenster, die nun wohl
mit ziemlicher Sicherheit
dem Meister der Ulmer
Fenster, Hans Wild,
zugeschrieben werden
dürfen. Nicht bloß Franz
Zettler und Paul Frankl
sind dieser Ansicht, son-
dern auch der Künstler,
von dem ich nachher zu
sprechen habe, ist auf
Grund eindringlicher,
vergleichender Studien
mit Photographien zur
Überzeugung gekom-
men, daß die Fenster der
alten Magdalenenkirche
— sie trugen die Zahl
1480/81 — von Hans
Wild stammen. Und
zwar hält er sie wegen
ihrer größeren maleri-
sdien Sicherheit und
Formbeherrschung für


Thomas von Aquin. Detail aus den Glasgemälden von Jos. Ehrismann.
Höhe 80 cm.

sein reiferes Werk, das er daher später datieren
möchte. Bs ist jammerschade, daß sich solche Unter-
suchungen — statt an die leuchtenden Herrlichkeiten
der Fenster selber — nur an die paar Photographien
halten können, die Pfarrer Schickele in dem Album
«Die Magdalenenkirche in Straßburg» 1896 heraus-
gegeben hat.

Wenn uns Straßburger etwas über diesen Ver-
lust trösten kann, so sind es die sechs neuen Chor-
fenster, die Josef Ehrismann für die neu erbaute
Kirche geschaffen hat. Josef Ehrismann, das ist
ein Name, der in der
Kunstwelt bis jetzt noch
kein großes Aufsehen
gemacht. Dieser junge
Elsässer, der erst von
seinem Münchener Stu-
dium herkommt, ist in
weiteren Kunstkreisen
wohl so gut wie unbe-
kannt. Br fängt eben
erst an zu schaffen. Aber
diese Anfänge sind so
verheißungsvoll, daß wir
stolz auf ihn sind. Seinen
ersten Versuch in Glas-
malerei hat er in der alten
elsässischen Abteikirche
Altdorf gemacht. Dann
wurde ihm der Auftrag,
die Fenster der neuen
Kirche von Kronenburg
herzustellen, und als er
die ersten fertigen ein-
fügte, gab es etwas wie
Erstaunen, nein: ein
regelrechtes,großäugiges
Erstaunen ob dieser
merkwürdigen, farben-
und lebenstrotzenden
Malerei. Über gemalte
Kirchenfenster zu er-
staunen oder gar zu
diskutieren, war man in

Elsaß gar nicht mehr gewohnt, -wenn einer ein
Fenster irgend einer Kirche gesehen hatte, hatte er
ungefähr alle gesehen — wenn wir die alten Fenster
ausnehmen. Ehrismann ist, soviel ich weiß, der erste
bei uns, der aus den Kirchenfenstern wiederum
lebendige, persönliche Gestalten — Individuen, nicht
Typen und Symbole — zu uns herunterschauen läßt.

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