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Zeitschrift für alte und neue Glasmalerei und verwandte Gebiete: off. Organ d. Verbandes Deutscher Glasmalereien — 1913

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Nr. 11
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Der neue Stil
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https://doi.org/10.11588/diglit.74067#0243

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DER NEUE STIL.
Aus langem, trägen Winterschlaf ist sie nunmehr
erwacht, die hohe Kunst der Glasmalerei. Berge
von falschen Empfindungen und konventionellen
Formen haben
sie festgehalten
und ein Flam-
menmeer arro-
ganter Selbst-
sucht und eines
wohlgefälligen
sogen. Künstlern
tums hat sie um-
säumt. Wo blieb
der kühne Held,
der über diese
Hindernisse die
ewig Jungfräu-
liehe zu neuen
Taten erweckte?
Nun ist er hin-
durchgedrungen,
und sieghaft
herrscht die Göt-
tin wieder in
ihrem Reich.
Neue Großtaten
entstehen, das
Alte, das Tra-
ditionelle, das
Pygmäenhafte
sinkt langsam,
aber sicher, in
Helas finsteres
Gefild.
Wie einfach
hört sich dieses
oft wiederholte
Epigramm!Wer
verstünde nicht
seinen Sinn? Und
wer wollte gar so
verblendet sein,
um nicht tagtäg-
lich seine Wahr-
heit bestätigt zu
sehen.Leprogres
est en marche.
Der neue Stil
ist da.

gläubigen von der neuen Lehre zu überzeugen.
Wir haben bereits in der Neujahrsnummer dieses
Jahrgangs auf die romanisierenden Tendenzen in
der modernen
Glasmalerei hin-
gewiesen und
auch die Ursache
dieser allgemein
angenommenen,
nur mit verschie-
denem Geschieh
in Praxis umge-
setzten Theorie
erklärt, DasStre^
ben unserer Zeit
nach Monumen-
talität und Kraft,
die absoluteVer-
neinung aller
Weichheit oder
gar Weichlichkeit
hat von selbst auf
die romanische
Formensprache
gelenkt. Wenn
man also von
einem neuen Stil
sprechen will, so
muß festgestellt
werden, daß der
neue Stil nicht
von einem oder
mehreren über
Nacht geschaffen
worden ist, son-
dern daß er sich
von selbst, als
Zeichen der Zeit,
entwickelt hat.
Daß freilich der
eine Glasmaler
schneller, der an-
dere langsamer
dem Podien
neuer Kräfte ge-
folgt ist, soll nicht
vergessen wer-
den, obgleich
diese Tatsache


Glasgemälde nach einem Entwurf von Karl Schulz, Dresden ; ausgeführt von Bruno Urban, Dresden,
I. B.=A. Leipzig. Für das Figürliche ist lediglich ein Fleischton gewählt. Nur in den von der Taube
ausgehenden Strahlen, sowie in dem das Wasser vorstehenden Grund sind einige kräftige Farben
eingefügt.

Was ist denn nun dieser neue Stil? Um ihn recht
begreiflich zu machen, wird man zunächst auf die
alten Meister hingewiesen. Insbesondere die Künst-
ler der romanischen Periode müssen als Eideshelfer
aufstehen, um die etwa Zweifelnden oder gar Un-

für diesen Zusammenhang völlig belanglos ist.
In einem Punkt blieb es allerdings beim alten.
Man regte sich an den großen Meistern vergangener
Zeiten an, nur sind es zur Abwechslung die Meister
der romanischen Periode, im Gegensatz zu den

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