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Zeitschrift für alte und neue Glasmalerei und verwandte Gebiete: off. Organ d. Verbandes Deutscher Glasmalereien — 1913

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Nr. 11
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Der neue Stil
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https://doi.org/10.11588/diglit.74067#0244

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großen Gotikern, die während
der letzten Jahrzehnte als be-
sonderes Vorbild gedient
hatten. Die romanische Periode
der Glasmalerei stand der rein
ornamentalen Auswirkung des
buntfarbigen Fensterschmufo
am nächsten. Man hört zwar
bis zur Stunde die alte Fabel,
die Glasmalerei sei aus dem
Mosaik entstanden. Dagegen
betrachte man nur einmal das
die Blüte der Mosaikkunst dar-
stellende Bild in St. Constanza
in Rom (siehe S.83 dieserZeit-
Schrift) und vergleiche damit
die ältesten noch erhaltenen
Glasmalereien. Man wird
dann den tiefgreifenden Unter-
schied,der beide Kunstübungen
trennt, nie mehr übersehen.
Das Mosaik erstrebte Bild-
wirkung, diente dem drei-
dimensionalen System, wäh-
rend die alten Glasgemälde
nur als bunte Fläche wirken
wollten. Der Charakter des
ältesten Fensterschmucks war
so scharf geprägt, daß er um-
gekehrt auf das Mosaik wirkte,
wie wir bei der Betrachtung der
Mosaiken von St.Vittale l, des
Mausoleums derGallaPlazidia
<a. a. O.> dargetan haben.
Man hat an den romanischen
Glasgemälden die prachtvoll
starre Linienführung und das
beredteGeheimnis derFarben^
akkorde, namentlich des mäch-
tigen Zweiklangs Rot=blau mit
vielen klingenden Phrasen ge-
feiert und das Gegenständliche
von allem Darstellerischen los-
gelöst. Nicht auf den Inhalt
sei es den alten Meistern an-
gekommen, sondern lediglich
auf das vergeistigte sinnliche
Leben der Linien, Formen und
Farben. Das ist nun allerdings
eine grobe Entstellung dessen,
was wahr ist. Die alten Künst-
ler wollten stets und aus-
schließlich eine große, religiöse


sinnbildlichung, aber unerhört
wahr. Die Alten griffen nur
zum Meissel oder Pinsel, wenn
es galt, ein Geheimnis der
Religion in sinnliche Erschein
nung treten zu lassen. Vom
lauteren Glauben ihres Her-
zens war jeder Meisselhieb,
jeder Pinselstrich, jeder Farb-
ton, jede Linie geleitet. Aber
sie redeten zu Wissenden, zu
Gleichempfindenden und gleich
naiv gläubigen Seelen. Darum
hatten sie nicht notwendig, im
strengen Realismus des All-
tags einherzuhinken, sondern
sie konnten in den verklärten
Formen eines allseits verstan-
denen Mystizismus, wie einst
ihr Meister, in Bildern und
Gleichnissen zumVolke reden.
Alles warSymbol in derKunst.
Die schlichte Zahl 3 sagte dem
Gläubigen mehr als eine ge-
lehrte Abhandlung über die
christliche Lehre der Dreifaltig-
keit. Wie sollte der, dem die
Symbolik der Zahlen und die
ganze Mystik des Weltalls so
geläufig war, nicht auch die
schlichten Formen und Farben
verstehen, die auf Fenstern
und Mosaiken die größten Ge-
heimnisse der Religion lehrten.
Und damit kein Künstler aus
dem mystischen Kreis der reli-
giösenDarstellungen entgleise,
wachte die Hierarchie über ihre
Tätigkeit,wie E. Male in geist-
voller Weise nachgewiesen
hat, aber nicht in pedantischer
Tyrannis, sondern in lieber
voller und die Kunst förderns
der Fürsorge.
In der absoluten Wahrheit
des religiösen wie künst-
lerischen Bekenntnisses liegt
der große durchschlagende Er-
folg, den die Meister der roma-
nischen Periode auf alle un-
befangenen Gemüter ausüben.
Und der laute Sophismus, der
im Interesse der Gegenwart

Idee, von der sie persönlich bis in die letzte Faser
ihres Herzens durchdrungen waren, zum Ausdruck
bringen. Unbeholfen war in der Regel diese Ver-
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unternommen wird, ist also eine Herabsetzung der
alten Künstler. Je stärker die modernen Künstler
die tiefen Weisheiten der Religionen fassen, desto
 
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