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INNEN-DEKORATION
PROFESSOR EMANUEL VON SE1DL —MÜNCHEN.
LANDHAUS v. SEIDL IN MURNAU.
VOM EINRICHTEN DES BÜRGERLICHEN HEIMS.
T T 7enn zwei Menschen mit dem Willen zu dauernder
V V Gemeinschaft ihren Lebensweg vereinen, so wäre
wohl anzunehmen, daß ihnen beiden in gleichem Maße
an der Ausgestaltung ihrer Wohnstätte, als dem gege-
benen Rahmen ihrer künftigen Gemeinschaftlichkeit, viel
gelegen wäre und daß sie der Aufgabe Verständnis und
den besten Willen zum Guten entgegenbrächten. Gleich-
berufen und gleichberechtigt sollten hier der Mann
wie die Frau die Eigenart ihrer Lebensgestaltung bekennen
können und ihr zum wahrhaften Ausdruck vorhelfen.
Die erste Gelegenheit gegenseitiger Wesensverständigung
und Anpassung ist hier gerade gegeben und ein
Kennenlernen der äußeren Ansprüche und Gewohnheiten
eines jeden ermöglicht. Es ist sicher eine schöne und
interessante Aufgabe, welche zwei Menschen in der
Einrichtung ihres künftigen Heims gestellt ist, aber sie
ist keineswegs eine leichte. Die erste und wesentlichste
Bedingung dabei ist das intensive Eingehen auf die
Persönlichkeit der Bewohner, d. h. die verständige
Rücksichtnahme auf deren Herkommen, wirtschaftliche
und soziale Stellung, auf ihren Beruf, ihre Anschauungen,
Gewohnheiten und Liebhabereien. Nur wo in diesem
Sinne in ehrlicher Weise die Innerlichkeit der Bewohner
die Grundlage bildet für den Ausbau ihrer Wohnstätte,
kann diese ihrer eigensten Wesensart entsprechen und
den Bedürfnissen ihres äußeren Lebens entgegenkommen.
Aber ebenso weit entfernt wie wohl die meisten
unserer Ehen von dem Ideal sind, ebenso abweichend
von den obengesagten Voraussetzungen ist auch noch die
landläufige Einrichtungsweise neu zu gründender Haus-
stände. In den meisten Fällen ist da nicht einmal der
Geschmack oder Ungeschmack der zukünftigen Be-
wohner selbst ausschlaggebend, sondern die Mütter
bestimmen in der Regel, in Gemeinschaft mit tonan-
gebenden Tapezierern und Mobelhändlern, das Wesent-
liche der Einrichtung. Ihre Erfahrung, ihr Geschmack
oder vielmehr ihr Eingehen auf die Tagesmoden schafft
so das Heim für die neuen Menschen, die nächste
Generation, die aus anderer Zeit mit anderen An-
schauungen groß geworden, anders empfindet und
andere Bedürfnisse haben wird. Wie ist das mög-
lich? Einfach deshalb, weil bei uns noch immer in
den breiten Massen, selbst der gebildeten Stände, eine
unglaubliche Gedankenlosigkeit und Gleichgültigkeit
herrscht, in allen Fragen des »äußeren« Lebens! Weil
der Zusammenhang zwischen dieser »Äußerlichkeit« und
dem inneren Leben nur von relativ Wenigen erkannt
ist und weil die planmäßige Entwickelung eines Be-
dürfnisses nach sachlicher und geschmack-
voller Umgebung von unserer Erziehung seit jeher
und heute noch vollständig unberücksichtigt bleibt!
Ungeschmack und Stumpfheit gegen Häßlichkeit konnte
sich in unseren bürgerlichen Wohnungen nur aus diesem
Grunde so breit machen. Auch heute herrscht ja in weiten
Kreisen die Auffassung noch, daß alle Einrichtungs-
fragen der ernsthaften Behandlung eines Mannes un-
würdig seien. Alles Dahingehörige bleibt der Bestim-
mung der Frau allein überlassen. Leider aber steht
INNEN-DEKORATION
PROFESSOR EMANUEL VON SE1DL —MÜNCHEN.
LANDHAUS v. SEIDL IN MURNAU.
VOM EINRICHTEN DES BÜRGERLICHEN HEIMS.
T T 7enn zwei Menschen mit dem Willen zu dauernder
V V Gemeinschaft ihren Lebensweg vereinen, so wäre
wohl anzunehmen, daß ihnen beiden in gleichem Maße
an der Ausgestaltung ihrer Wohnstätte, als dem gege-
benen Rahmen ihrer künftigen Gemeinschaftlichkeit, viel
gelegen wäre und daß sie der Aufgabe Verständnis und
den besten Willen zum Guten entgegenbrächten. Gleich-
berufen und gleichberechtigt sollten hier der Mann
wie die Frau die Eigenart ihrer Lebensgestaltung bekennen
können und ihr zum wahrhaften Ausdruck vorhelfen.
Die erste Gelegenheit gegenseitiger Wesensverständigung
und Anpassung ist hier gerade gegeben und ein
Kennenlernen der äußeren Ansprüche und Gewohnheiten
eines jeden ermöglicht. Es ist sicher eine schöne und
interessante Aufgabe, welche zwei Menschen in der
Einrichtung ihres künftigen Heims gestellt ist, aber sie
ist keineswegs eine leichte. Die erste und wesentlichste
Bedingung dabei ist das intensive Eingehen auf die
Persönlichkeit der Bewohner, d. h. die verständige
Rücksichtnahme auf deren Herkommen, wirtschaftliche
und soziale Stellung, auf ihren Beruf, ihre Anschauungen,
Gewohnheiten und Liebhabereien. Nur wo in diesem
Sinne in ehrlicher Weise die Innerlichkeit der Bewohner
die Grundlage bildet für den Ausbau ihrer Wohnstätte,
kann diese ihrer eigensten Wesensart entsprechen und
den Bedürfnissen ihres äußeren Lebens entgegenkommen.
Aber ebenso weit entfernt wie wohl die meisten
unserer Ehen von dem Ideal sind, ebenso abweichend
von den obengesagten Voraussetzungen ist auch noch die
landläufige Einrichtungsweise neu zu gründender Haus-
stände. In den meisten Fällen ist da nicht einmal der
Geschmack oder Ungeschmack der zukünftigen Be-
wohner selbst ausschlaggebend, sondern die Mütter
bestimmen in der Regel, in Gemeinschaft mit tonan-
gebenden Tapezierern und Mobelhändlern, das Wesent-
liche der Einrichtung. Ihre Erfahrung, ihr Geschmack
oder vielmehr ihr Eingehen auf die Tagesmoden schafft
so das Heim für die neuen Menschen, die nächste
Generation, die aus anderer Zeit mit anderen An-
schauungen groß geworden, anders empfindet und
andere Bedürfnisse haben wird. Wie ist das mög-
lich? Einfach deshalb, weil bei uns noch immer in
den breiten Massen, selbst der gebildeten Stände, eine
unglaubliche Gedankenlosigkeit und Gleichgültigkeit
herrscht, in allen Fragen des »äußeren« Lebens! Weil
der Zusammenhang zwischen dieser »Äußerlichkeit« und
dem inneren Leben nur von relativ Wenigen erkannt
ist und weil die planmäßige Entwickelung eines Be-
dürfnisses nach sachlicher und geschmack-
voller Umgebung von unserer Erziehung seit jeher
und heute noch vollständig unberücksichtigt bleibt!
Ungeschmack und Stumpfheit gegen Häßlichkeit konnte
sich in unseren bürgerlichen Wohnungen nur aus diesem
Grunde so breit machen. Auch heute herrscht ja in weiten
Kreisen die Auffassung noch, daß alle Einrichtungs-
fragen der ernsthaften Behandlung eines Mannes un-
würdig seien. Alles Dahingehörige bleibt der Bestim-
mung der Frau allein überlassen. Leider aber steht