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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 42.1926-1927

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Schumann, Paul: Ausstellung der Akademie zu Dresden
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https://doi.org/10.11588/diglit.14162#0387

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AUSSTELLUNG DER AKADEMIE ZU DRESDEN 1927

Vom Jahre 1765 bis 1895 gab es in Dresden
mit Ausnahme weniger Jahre in der Napoleo-
nischen Kriegszeit alljährlich eine akademische
Ausstellung. Dann traten an ihre Stelle die Aus-
stellungen, die Gotthardt Kühl so genial orga-
nisierte, daß sie ein Erziehungs- und Bildungs-
mittel nicht bloß für Dresden, sondern Tür ganz
Deutschland wurden. Nach Kühls Tode traten
an ihre Stelle die Ausstellungen der Künstler-
vereinigung Dresden, die dem entschiedenen
Fortschritt dienten. In diesem Jahre ist der
Künstlervereinigung der städ tischeAusstellungs-
Palast verlorengegangen. Da tritt die Staat-
liche Kunstakademie wieder mit ihren Aus-
stellungen ein. Sie will von Zeit zu Zeit das
Stärkste und Beste, was an künstlerischem Leben
in Dresden vorhanden ist oder in der Jugend
neu auftaucht, ausstellen; sie will mit ihren
auswärtigen Mitgliedern und mit andern nam-
haften deutschen Künstlern einen Ausstellungs-
austausch pflegen, aber ohne Mitwirkung von
Gruppen, Vereinen, richtungs- oder kunstpoli-
tischen Einstellungen.

Anfang Mai wurde die erste dieser Ausstel-
lungen im Ostbau der Staatlichen Gemälde-
galerie feierlich eröffnet. Sie ist verbunden mit
einer Gedenk-Ausstellung für Olto Gußmann,
den Monumentalmaler der Akademie, der im
vorigen Jahr im Alter von 57 Jahren zu früh
verstorben ist. Außer dieser Gedenkausstellung,
die 95 Ölgemälde, Kartons, Entwürfe u. a. um-
faßt, bietet die Ausstellung ein Dutzend Werke
vonMalerndes 19. Jahrhunderts und n6Werke
lebender deutscher Künstler, darunter 2 t Bild-
werke. Ist schon dieser gemäßigte Umfang der
Ausstellung wohltuend, so ist es ebensosehr die
Qualität der Ausstellung. Qualität nicht ver-
standen wie jetzt so oft als der modernsten Rich-
tung angehörig, sondern als gute Malerei, die
mehr Aussicht auf dauernden Wert verbürgt
als die Zugehörigkeit zur neuesten Richtung.
Daß die Gedächtnis-Ausstellung für Gußmann
die Teilnahme der Besucher in erster Linie in
Anspruch nimmt, erscheint nicht sonderbar
bei der feinfühligen Auswahl, die Robert Sterl
getroffen hat. Gußmann war in Dresden in den

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ersten Jahren seiner Tätigkeit der tonangebende
Monumental-Maler; seitdem aber die Architek-
tur ruhte, malte er vor allem kleine Tafelbilder,
die fast alle das Thema Das Weib umschreiben.
Letztere sind in der Ausstellung reich vertreten,
aber auch von der farbigen Dekorationskunst,
die Gußmann so großartig beherrschte, wird
eine Andeutung gegeben, soweit dies ohne den
zugehörigen Raum, dem sie so genial angepaßt
ist, möglich ist. Karton-Fragmente aus Dresd-
ner Kirchen, aus dem Ständehaus, Kartons zu
Glasgemälden, Vorstudien und fünf farbige
Zwickel für die Kuppel des Dresdner Rathauses
zeigen die Entwicklung von Gußmanns Wollen
und stets sich steigerndem Können auf diesem
Gebiete, zeigen, wie er sich der Architektur an-
schmiegt und einordnet, das Gegenteil von Her-
mann Prelis Auffassung, der seine Gemälde
ein Sonderleben innerhalb der Architektur leben
ließ. Die kleinen Gemälde der Frau aber zei-
gen Gußmanns Feingefühl für die Schönheit
der Form, für die Harmonie des leuchtenden
reifen Kolorits, die angeborene Kultur des
Auges, die weitab liegt von jeder Sinnlichkeit.
So haben wir in der Gußmann-Ausstellung
durchweg das Empfinden einer Kunst unserer
Zeit oline Aufgehen in dem gerade allgemein
Modernen.

Neben Gußmanns Gemälden, die man bisher
niemals in solcher Fülle geschaut hat, bilden die
Werke von Malern des ig.Jahrhunderts einen
Glanzpunkt der Ausstellung. Vor allem die Bild-
nisse von Ferdinand von Rayski, Großmutter
und Enkelin von Julius Scholz, sind Meister-
leistungen vornehmster Art und zeigen den Ex-
pressionisten, die jetzt umkehren, das Ziel ihres
neuen Wegs. Caspar David Friedrich, Gille,
Klinger, Kühl, Richter, Schnorr von Carolsfeld,
Fritz von Uhde aber zeigen die volle Sicherheit,
mit der diese Meister ihrenY\ eg gingen.
Unter den lebenden Künstlern, die mit Figuren-
bildern vertreten sind, machen sich die Meister
der Dresdner Akademie besonders bemerkbar:
da ist Robert Sterl mit seinen impressionistisch
gemalten farbig starken Lastträgern, Paul Röß-
ler mit seiner malerisch glänzenden Tänzerin,

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