DOI Artikel:
Geiger, Willi: Cadix
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.14162#0352
WILLY GEIGER. CADIX. FEDERZEICHNUNG
C ADIX
Mehr als der schönste Fleck italischer Erde, mehr
alsCordoba vmdGranadahatCadix dieSüdlands-
träume meiner Kinderzeit erfüllt. Hier ist die
Sonne so heiß und so nahe, hier wachsen die
ßäume in den Himmel und werfen goldbraune
Schatten, hier steigt man von Granatbäumen
herunter in endlose Geranienfelder und springt
in ein Meer, dessen schimmernde Flut voll ist von
Seltsamkeiten. Hier wandeln zwischen weißen,
hohen Mauern Menschen von stolzer Gewach-
senheit mit der Lust zum Abenteuer in fremd-
artig ausgeschweiften Lidern blitzender Augen,
die melancholisch schauen wie jene von Kame-
len; hier hängen Rosen von den Fenstern, Gly-
zinien von den Balkons und man wandelt durch
Gärten bei Durchschreiten einer Gasse; hier ist
der Himmel blau, grün oder rot, hier öffnet sich
die Erde und schiebt goldbraune Bergkegel her-
vor, auf deren Abhängen die Orangenbäume
erglühen. Es ist nicht anders wie in jenen Träu-
men, die erregtes Blut sich formte.
Man fliegt im Zuge an Salzlagunen und weißen
Pyramiden vorbei und sieht von links und rechts
das Meer bedrängend näher kommen. Immer
schmaler wird die Bahnstrecke. Da bricht das
Meer von beiden Seiten tosend heran, so daß
der Zug auf schmälster Landzunge wie durch
die Wogen zu dampfen scheint. Und nahe vor
dir steigt eine weiße Pracht aus den Wellen.
Freundliche Häuser drehen sich vorbei, Gärten
mit niegeschauten Bäumen rollen sich auf,
Reflexe erglühen auf blankem Metall, schwere
Schatten schneiden in schmerzende Helligkeiten.
Eine dichte Wolke vom Duft der Orangenblüte
und jenem aufgehender Mispeln kreuzt sich mit
dem belebenden Geruch von Kaffee, der irgend-
wo gebrannt wird. Häuser rücken näher anein-
ander, alle mit blumenbesetzten Glaskästen,weiß,
sauber, winkend; eine Frau auf lichtem Balkon,
deren im W inde an jungen Leib gepreßtes Kleid
erbebt wie die Flügel einer der Puppe entschlüpf-
ten Zikade, hat Ausdruck in Miene, als stimmte
sie ganz überein mit dem, was mich gerade er-
füllt. Der Ast eines Eukalyptusbaumes schlägt
vorbei, die Zweige beladen mit den aufgeplatz-
ten Fruchtkapseln, deren schwerer Duft blitz-
artig Sarazenisches zwischen dich und Erschei-
nung stellt. Man betritt diese Stadt immer wieder
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Mehr als der schönste Fleck italischer Erde, mehr
alsCordoba vmdGranadahatCadix dieSüdlands-
träume meiner Kinderzeit erfüllt. Hier ist die
Sonne so heiß und so nahe, hier wachsen die
ßäume in den Himmel und werfen goldbraune
Schatten, hier steigt man von Granatbäumen
herunter in endlose Geranienfelder und springt
in ein Meer, dessen schimmernde Flut voll ist von
Seltsamkeiten. Hier wandeln zwischen weißen,
hohen Mauern Menschen von stolzer Gewach-
senheit mit der Lust zum Abenteuer in fremd-
artig ausgeschweiften Lidern blitzender Augen,
die melancholisch schauen wie jene von Kame-
len; hier hängen Rosen von den Fenstern, Gly-
zinien von den Balkons und man wandelt durch
Gärten bei Durchschreiten einer Gasse; hier ist
der Himmel blau, grün oder rot, hier öffnet sich
die Erde und schiebt goldbraune Bergkegel her-
vor, auf deren Abhängen die Orangenbäume
erglühen. Es ist nicht anders wie in jenen Träu-
men, die erregtes Blut sich formte.
Man fliegt im Zuge an Salzlagunen und weißen
Pyramiden vorbei und sieht von links und rechts
das Meer bedrängend näher kommen. Immer
schmaler wird die Bahnstrecke. Da bricht das
Meer von beiden Seiten tosend heran, so daß
der Zug auf schmälster Landzunge wie durch
die Wogen zu dampfen scheint. Und nahe vor
dir steigt eine weiße Pracht aus den Wellen.
Freundliche Häuser drehen sich vorbei, Gärten
mit niegeschauten Bäumen rollen sich auf,
Reflexe erglühen auf blankem Metall, schwere
Schatten schneiden in schmerzende Helligkeiten.
Eine dichte Wolke vom Duft der Orangenblüte
und jenem aufgehender Mispeln kreuzt sich mit
dem belebenden Geruch von Kaffee, der irgend-
wo gebrannt wird. Häuser rücken näher anein-
ander, alle mit blumenbesetzten Glaskästen,weiß,
sauber, winkend; eine Frau auf lichtem Balkon,
deren im W inde an jungen Leib gepreßtes Kleid
erbebt wie die Flügel einer der Puppe entschlüpf-
ten Zikade, hat Ausdruck in Miene, als stimmte
sie ganz überein mit dem, was mich gerade er-
füllt. Der Ast eines Eukalyptusbaumes schlägt
vorbei, die Zweige beladen mit den aufgeplatz-
ten Fruchtkapseln, deren schwerer Duft blitz-
artig Sarazenisches zwischen dich und Erschei-
nung stellt. Man betritt diese Stadt immer wieder
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