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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 42.1926-1927

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Werner, Bruno E.: Die Jubiläums-Liebermann-Ausstellungen in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.14162#0417

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DIE JUBILÄUMS-LIEBER MANN -AUSSTELLUNGEN IN BERLIN

Der Maler Max Liebermann hat seinen 80. Ge-
burtstag gefeiert. Die europäische Welt, der nur
langsam die große Bedeutung der deutschen
Kunst aufgeht, ehrte ihn in Glückwunsch-Tele-
grammen und Jubiläumsaufsätzen. Ein paar
Bilder in England, Holland, Schweiz und skandi-
navischen Ländern, der Wirtshausgarten im
Musee de Luxembourg. das Selbstporträt im
Palazzo Pitli waren bisher die einzigen sicht-
baren Dokumente, daß das Ausland schon vor
dem Krieg eine Ahnung von der Wichtigkeit
Max Liebermanns gehabt hat.
Seine Vaterstadt Berlin, die in wechselseitiger
Dankbarkeit mit dem Künstler verbunden ist,
feierte ihn in drei Ausstellungen. Die Akademie
der Künste zeigte mit 100 Gemälden eine Reihe
der stärksten Schöpfungen ihres Präsidenten,
deren Auswahl zwar ein begrenztes, aber ein
höchst gewähltes und denkwürdiges Bild eines
reichen künstlerischen Schaffens bot. Die Ver-
leger Bruno und Paul Cassirer führten in zwei
Ausstellungen die Pastelle und die Zeichnungen
Liebermanns vor.

Die drei Veranstaltungen boten einen Anlaß,
sich wieder einmal die Frage vorzulegen, was
der Künstler Max Liebermann für uns und für
die Geschichte der Malerei bedeutet. Uber seine
Entwicklung ist viel, über sein Wesen ist man-
ches gesagt worden. Es bleibt übrig, Anmer-
kungen dazu zu machen, was er der jungen
Generation zu sagen hat und was nach deren
Meinung das Wesentliche an Liebermann ist,
das unsre Zeit überdauert.
Von einem solchen Standpunkt gemessen, würde
auch manche Kritik an dem Maler laut werden,
denn die Distanz ist noch nicht groß genug
und der Künstler noch zu gegenwärtig, als daß
er den Diskussionen des Tages ganz zu entreißen
wäre. Aber ein Jubiläum einer großen Persön-
lichkeit erfüllt dann seinen Sinn, wenn man auf-
weist, was ist und dauert, und nicht, wenn man
ausspricht, was man vermißt.

*

„Nicht auf die Form kommt es an, sondern auf
das Leben, das der Künstler der Form einzu-

hauchen imstande ist." Diese klugen Worte, die
der Künstler in einem Vorwort dem Verzeich-
nis seiner Akademieausstellung voraussetzte,
verraten am deutlichsten V\ esen und Bedeutung
Liebermanns.

Auf das Leben ist es ihm Zeit seines Daseins
angekommen, ob er in Berlin als Schüler von
Steffeck arbeitete, ob er an der Kunstschule von
Weimar tätig war, ob er sich in Holland oder
in Barbizon aufhielt. Er fährt nach Holland und
entdeckt hier die Unmittelbarkeit von Franz
Hals und anderen, die ohne Pathos, ohne Meta-
physik derAlltäglichkeit und dem unverschleier-
ten Leben auf den Leib gerückt sind. Italien
hingegen, wo ein entrückter Idealismus nach
formalistischen Zielen strebte, kann ihn nicht
halten, und 1878, in einer Zeit, wo dieses Land
noch die Sehnsucht der deutschen Künstler war,
kehrt er nach kurzem Aufenthalt nach Deutsch-
land zurück.

So nimmt es nicht wunder, daß er auch München
bald verläßt und 1884 endgültig nach Berlin
übersiedelt. Diese Stadt, in der die Parole „Ran
ans Leben" im ausgehenden ig. Jahrhundert
herrschend wurde, deren Atmosphäre zuweilen
ein wenig brutal und unbedenklich ist, die je-
doch immer von einer unsenlimentalen, erfreu-
lich sauberen Luft umspült wurde, mußte für
ihn den stärksten Anziehungspunkt bilden. Die-
selben unromantischen, klugen, gespannten,
klaren Züge wie diese Stadt weist Lieber-
mann auf.

Der Begrilf der fliegenden Sekunde, der ver-
gänglichen Zeit, der in Berlin die charakteri-
stische Hast und den hitzigen Lebenshunger
erzeugt, führte Max Liebermann zu einer
Malerei, die den flüchtigen Eindruck, den jagen-
den Augenblick zu bannen versucht. Nicht auf
die Darstellung des Wesens in seiner stati-
schen Existenz kommt es dem Künstler an. Er
findet die Dauer vielmehr in der Bewegung, im
raschen Wechsel eines ewig wiedergeborenen
Augenblicks.

Es ist fast ein dionysischer Zug in diesem nüch-
ternen kühlen Maler, den sonst sein ganzes

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