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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 42.1926-1927

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Braungart, Richard: Oswald Poetzelberger: zu seiner Ausstellung in Brakls Kunsthaus, München
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Ottmann, Franz: Kritiker-Bedenken
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https://doi.org/10.11588/diglit.14162#0262

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von Goldstaub und Sonnenstrahlen durchrie-
selten Bilder, daß sie, selbst im Anspruchslose-
sten, weit über die Kunst des Alltags empor-
ragen. So kommt es, daß von diesen Bildern
Wirkungen ausgehen wie sonst fast nur von
Schöpfungen alter Meister. Sie haben, ohne
selbst Fresken zu sein und ohne es sein zu wollen,
doch vieles vom Wesen solcher, von ihrer
stillen, ruhigen Größe, ihrer Einfachheit und
ihrer Zeitlosigkeit.

Oswald Poetzeiberger ist am 26. Februar 1893
in Karlsruhe geboren, als Sohn des bekannten
Malers Robert Poetzeiberger, der damals als
Professor in Karlsruhe gewirkt hat und seit
1900 fünfundzwanzig Jahre lang in gleicher
Eigenschaft an der Kunstschule in Slutlgart
tätig gewesen ist. Studiert hat Poetzelbeiger
nur bei seinem Vater. Ein Onkel von ihm

ist Leo Putz, und es braucht keiner Ver-
sicherung, daß auch dieses verwandtschaftliche
Verhältnis nicht ohne Anregungen geblieben
ist. Weit mehr haben ihm allerdings, auf
Grund seiner künstlerischen und seelischen
Einstellung zu den Dingen, die oben bereits
genannten alten Meister gegeben. Auch der
Besuch einer Schule in Zuoz im Engadin
hat ihm Eindrücke vermittelt, die zu den
tiefsten seines Lebens gehören. Die unver-
gleichliche Großartigkeit, Klarheit und Er-
habenheit dieser Landschaft und ihre bis jetzt
stärkste künstlerische Formwerdung, Seganlini,
haben seinem Denken und Fühlen in entschei-
dender Weise jene Richtung gegeben, der er
bis heute treu geblieben ist und die wohl
im wesentlichen für ihn bestimmend bleiben

Wird. Richard Braungart

KRITIKER-BEDENKEN

Der Kritiker: ein reizbares Instrument, ein durch
Begabung und Schulung empfindlicher Wert-
messer; steckengebliebener Künstler ohne Groll,
produktiv durch ^ erschmelzung mit den an-
deren: in beständiger Gefahr, sich durch den
raschen, spürenden, gleitenden, den lief einboh-
renden, restlos sich hingebenden Blick zu ver-
lieren; in beständiger Gefahr, durch die dau-
ernde Befassung mit einer von der Natur
abgeleiteten Sache sein naives Naturgefühl
einzubüßen. Der Kritiker — oder sollte ich
lieber „Referent" sagen? Das trifft gerade
den empfindlichsten Punkt des Problems: wie
weil darf und soll man hier persönlich sein?
(Darin liegt ja wohl der wesentliche Unter-
schied.)

Eine Frage des Charakters, ebenso wie der Zeit-
slrömung. In einer Zeit des Impressionismus:
höchst persönliches, lyrisch gefärbtes Referat.
Gegengewicht, zur objektiven VS ertung hin-
drängend: Die Milieutheorie. In einer Zeit
objektiver Werte: mehr doktrinäres Kimst-
rich tertum. Gegengewicht, zur subjektiven Wer-
tung hindrängend: die Einfühlungstheorie.
Heute: alles aufs „Erlebnis" zurückgeführt. Also
eine Verschmelzung. Rathenau (Reflexionen):
„Ästhetischer Genuß entstellt, wenn eine ver-

borgene Gesetzmäßigkeit empfunden wird."
Also Gesetz — aber zugleich Empfindung.
Wird das Gesetz bewußt, so mischt sich schon
Wissenschaft darein. Die Empfindung des Ge-
setzmäßigen aber geschieht durch ein aus Er-
fahrung abstrahiertes Kunstgefühl, also wieder
ein Persönliches. Der Kritiker kann sich daher
hinler nichts verschanzen, er muß immer
mit seiner ganzen Persönlichkeit einstehen.
Damit nähern sich Referent und Kritiker zur
fast völligen Einswerdung.

Aber sie werden nicht Eines — so wenig als
Verstand und Gefühl je anders als vor voll-
kommenen Meisterwerken Eines werden. Und
solche bringt unsere Zeit nicht hervor. Oder
fehlt uns nur der Blick dafür? So wird der
Arme von seinem Gewissen im Kreise herum-
getrieben und überall sind Ecken, an die ersieh
stößt. Sollich also auf denStandpunkt desKünst-
lers, gleichsam in sein Haus, eintreten und das
Werk von innen betrachten (Einfühlung)? Oder
von mir aus, also von außerhalb und es in eine
bestimmte Reihe eingliedern? (Historischer
Standpunkt.) Von seinem Wesen aus hat der
Künstler fast immer durchaus Recht, da hört

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