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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 42.1926-1927

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Wolfer, Oskar: Bernhard Pankok als Porträtmaler
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Wolf, Georg Jacob: Amtliche Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.14162#0357

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erscheinen, als wollten sie sich öffnen und ihren
verborgenen Gehalt enthüllen. Aber das Er-
arbeiten des Ausdrucks ist anstrengend und von
Arbeit belastet. Der Drang, den geheimen Sinn
des Eindrucks der Dinge zu enträseln, bedingt
eine außerordentliche Anspannung des Geistes,
und immer von neuem taucht im Künstler der
Zweifel darüber auf, ob es gelingen wird, die
noch schwankenden, vom Gefühl ergriffenen
Gehalte der Erfahrung in Festigkeit zu bannen
und in die Form einzufangen.
Bei derSchöpfungeinesPorträts steht derMensch
dem Menschen als ein fluktuierender Komplex
von Eindrücken aller Sinne, von Sympathien
und Antipathien, von Urteilen und Vorurteilen
gegenüber. Aus dem weitverzweigten Geflecht
seiner Eindrücke vollzieht der Künstler die Ab-
straktion des rein Anschaulichen aus der unge-
klärten Y\ irklichkeit. Das Naturgegebene er-
fährt eine künstlerische Umbildung, der Sinn
der bloßen Erscheinung als solcher, ihre Reize,
ihre inneren Notwendigkeiten werden heraus-
gearbeitet. Das seelische Element hat in der bil-
denden Kunst eine andere Bedeutung als in der
Dichtkunst. Für die Dichtkunst ist das seelische
Leben der Stoff der künstlerischen Umgestal-
tving. Innerhalb der bildenden Kunst kann jedoch
das Seelische nur der körperlichen Erscheinung
folgen. Durch die künstlerische Vereinheit-
lichung der sinnlichen Gegebenheit läßt die kör-
perliche Erscheinung im Beschauer die Vor-
stellung einer Seele erklingen. Erst wenn der
Eindruck des Seelischen erreicht ist, geht eine
Verwebung, eine Durchdringung des Körper-
lichen vor sich. Die Erscheinung ist um so

strenger stilisiert, dem Geometrischen nahe-
gebracht, je weniger der Ausdruck des See-
lischen gesucht wird oder gelingt. Bis in die Zeit
der Renaissance hinein ist die geometrische Ge-
staltungsart noch keineswegs verschwunden. Die
Seelenhaftigkeit als zusammenfassende Funktion
tritt erst bei Rembrandt völlig in die Er-
scheinung.

Auch Bernhard Pankok weiß von der Schwere
des Irdischen, das von der Stofflichkeit des Sinn-
lichen umlagert ist. Er sucht die Erregungen
seiner Eindrücke zur Form zu bändigen. Seine
Kunst läßt sich nicht vom Gefühl fortreißen,
sondern nimmt es als Rohstoff. Immer ist er
bestrebt, das verborgene Individuelle in den von
ihm zur Darstellung kommenden Menschen
aufzufinden und in prägnanter Form zur Dar-
stellung zu bringen. Dieser Künstler ist der
Worte von Paul Valery eingedenk: „Vergiß
niemals, daß ein Werk eine beendete, fest-
stehende und materielle Sache ist." Jedes künst-
lerische Erlebnis ist nicht nur eine Bereicherung
unseres Gefühls, sondern darüber hinaus eine
Berührung mit einer Wahrheit und einer W irk-
lichkeit. Die Bemühungen dieses Künstlers gehen
in erster Linie dahin, das wirklich Sichtbare am
Menschen herauszustellen und seine Porträts
mit Leben zu füllen. Er weiß, daß das Erleben,
um sich selbst zu vollenden, zur künstlerischen
Gestaltung fortschreiten muß. Nur auf diesem
Wege können sich für ihn die Geheimnisse
der Dinge enthüllen. So ist seine Arbeit er-
folgreich dem Dienst der Anschauung und der
Gestaltung, der Herausarbeitung des Sinnes
der Erscheinungen gewidmet. Oskar Wolter

AMTLICHE KUNST

Wenn hier von amtlicher Kunst die Rede
ist, so sollen die gnädigen Schleier, die über
die Kunstpflege und Kunstgesinnung gewisser
staatlicher und städtischer Behörden gebreitet
sind, beileibe nicht gelüftet werden. Es ist
eine feststehende Tatsache, daß selbst sonst
ausgezeichnet beratene und vorbildlich wir-
kende Amter gründlich versagen, sobald ihnen
eine Angelegenheit der Kunst unter die Finger
gerät. Von der staatlichen und städtischen

Auftragserteilung in Kunstdingen ließe sich
ein schlimmes Lied singen, namentlich wenn
es sich um die Lösung plastischer und male-
rischer Aufgaben handelt. In Hinblick auf
die Architektur liegen die Verhältnisse gün-
stiger, denn an den öffentlichen Baubehörden
sind heute — im Gegensatz zu den Zeiten
vor vierzig und fünfzig Jahren — Fachleute
tätig, die doch ebenso wohl Künstler als
Beamte sind.

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