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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 42.1926-1927

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Schürer, Oskar: Neue Werke von Karl Albiker
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Wolf, Georg Jacob: Von Wert und Unwert der Kopien
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https://doi.org/10.11588/diglit.14162#0169

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Wie sie aus dem Kern heraustreibt, in der Epi-
dermis aufwellt unter dem Gegendruck des
Außenraums, im physiognomischen Ausdruck
sich steigert oder erlöst. Ja in der „aufsteigen-
den Nacht" bringt erst diese psychische als
Gegenbewegung der funktionalen den eigent-
lichsten Rhythmus in die Figur: das sich nei-
gende Gesicht, sein schattender Ausdruck,
dämpft alle durch den Körper ansteigende Be-
wegung in jener nächtig beschwichtigenden
Geste des nahenden Traums.
Man begreift, wie solch starke innere Spannung
ins Monumentale aufwachsen muß. Begreift
auch, welcher Form des Monumentalen gerade
diese Spannung sich zuneigen muß. Ein mo-
dern empfundenes Hellas, durchdramatisiert
und durchseelt, bietet diesem Formwillen das
wesensnahe Regulativ. Wir stehen wieder vor
„Pallas Athene", dem Endpunkt jener vierten
Reihe innerhalb der plastischen Emanationen
dieses Charakters. Man stelle diese reife Schöp-
fung den früheren Gliedern der selben Reihe
gegenüber, etwa dem Zeppelin-Denkmal. Bewe-
gung, funktionale wie psychische, hat sich ganz
ins Innere der Gestalt gesammelt. Als Frucht
einer ruhigen auf sich wartenden Reife ist hier
die Gestaltung drangvollen Seelentums geglückt.
Einbindung in Architektur ist nicht mehr not-
wendig, wo die Gestalt so voll innerer Archi-
tektur ist. Ihr inneres Koordinatensystem ist
eingebunden in das System der um sie walten-

den Raumkoordinaten. Sie organisiert den
Platz, in dessen Mitte sie steht, verteilt so Maß
wie Freiheit in die Wandgefüge des Ehrenhofes
(Karlsruhe). Jede Regung der Gestalt, Haltung
des Speers, des Schildes, Stellung der Füße,
Neigung des Kopfes, ist ganz aus dem eigenen
Tenor herausentwickelt und doch gleichzeitig
aufs peinlichste abgestimmt auf die Normen des
umgebenden Raums. Diese Statue ist leibge-
wordene Einung des Innen und Außen. Und daß
sie ganz heutige Einung ist, das weist die Ge-
genüberstellung mit dem hellenischen Typus
der Schirmherrin. Ihr Kosmos ist auf das
ringende Werden gestellt, nicht — wie dort —
auf ein gespendetes Sein.

So hat man hier nochmal den Inbegriff der
Albikerschen Kunst. Ihre ruhige und stete Ent-
wicklung hat sie vor Exzessen moderner Ex-
perimentik bewahrt. Das starke eigene Müssen
sicherte die klare Balm. Es wehrte diesem Bild-
hauer die sensationelleren Erfolge mancher Ge-
nossen. Und doch — hat erst der größere
Abstand diese vornehme Zurückhaltung und
sichere Ruhe als tiefste Kraft erkannt, so wird
man diesen Künstler als einen jener wenigen
würdigen, die die Bildhauerkunst aus der heil-
losen Verwirrung des endenden 19. Jahrhun-
derts in die klare Selbstgewißheit ihres Wesens
geführt haben. Dann wird es AfbikersRuhm sein,
aus persönlichen Gesetzen heraus zu allgemein-
gültigem Stil gelangt ZU sein. Dr. Oskar Schürer

VON WERT UND UNWERT DER KOPIEN

Betritt man eine der großen europäischen Ga-
lerien und sieht, zumal vor jenen Gemälden, die
bei Baedeker mit zwei Sternen bezeichnet sind,
ein malendes Männlein oder Fräulein Zug um
Zug, Strich um Strich, Farbfleck um Farbfleck
ängstlich und befangen nachziehen und nach-
tüpfeln, so mag einen wohl das Gefühl über-
kommen: Zum Teufel, wozu denn dies? Was
soll die Armseligkeit? Wie könnt ihr Hand-
werker im Reich der Kunst es wagen, wenn
auch nur nachbildend, euch an die Meisterwerke
der Großen heranzumachen ? Und es wird einem
wohl auch nötig erscheinen, daran zu er-
innern, daß der heutige Stand der Technik, der
Photographie und der farbigen W iedergabe, eine

um vieles zuverlässigere, technisch-wissenschaft-
lich genauere Reproduktion eines Kunstwerkes
gestattet als die Kopistentätigkeit, die sich mit-
hin als überflüssig, als überwunden, als veraltet
erweist.

Gewiß spricht vieles für diese primäre Empfin-
dung. Nicht ganz zu Unrecht sieht man die
Leistung des Kopisten als etwas Subalternes an.
Ihm mangelt die Kraft eigener Gestaltung, er
reproduziert — und er reproduziert häufig auf
eine rein mechanische Weise, indem er mit
seinem Blick die Epidermis eines Bildes abtastet
und dann das Gesehene auf seine Leinwand
bringt, ohne das organische Werden des Bildes,
wie es bei dem Schöpfer selbst des ärmlichsten

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