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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 42.1926-1927

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Stransky, Joseph: Ein wiedergefundenes Meisterwerk Hans Thomas
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https://doi.org/10.11588/diglit.14162#0428

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EIN WIEDERGEFUNDENES MEISTERWERK

HANS THOMAS

In Henry Thodes „Thoma" (Klassiker der
Kirnst) findet sich auf Seite 20 des Textes eine
kleine Zeichnung „Thomas Mutter im Stüb-
chen". „Nach einem 1871 gemallen Bilde, das
jetzt in unbekanntem Besitz in Amerika." Im
Text selbst wird Thoma zitiert: „In der Som-
merausstellung aber verkaufte ich mehrere der
in Bernau gemalten Bilder an einen Engländer
.namens Thomas Lee — zu allerdings kleinen
Preisen —, leider sind die Bilder, nach denen
ich Nachforschungen anstellte, sowie ihr Be-
sitzer nicht mehr aufzufinden; ich hörte nur
die Vermutung, daß derselbe nach Amerika ge-
gangen sei."

Thode hat anscheinlich nicht von Thoma er-
fahren, daß 1895 diese Nachforschungen, so-
weit wenigstens das Hauptwerk dieser Gruppe
in Betracht kommt, von Erfolg gekrönt wur-
den. Der hier wiedergegebene Brief des Meisters
spricht für sich selbst:

Oberursel b. Frankfurt a. M., Juli 1895.

Sehr geehrter Herr!

Es hat mir sehr leid getan, daß ich bei Ihrem
Besuche hier nicht zu Hause war—allerdings da
ich leider nicht englisch kann, wäre die Unter-
haltung doch ganz schwierig gewesen. — Das
Bild, welches Sie vor 20 Jahren in München ge-
kauft haben, ist mir eines meiner liebsten Bil-
der — sogar so lieb, daß ich es nur ungern und
nur meinen damaligen ungünstigen materiellen
Verhältnissen wegen zum Verkaufe gab. —
Das Bild ist das Bild meiner Mutter mit der
ganzen Umgebung, in der sie sich damals in
einem kleinen Städtchen befand — es ist also

kein erfunden arrangiertes Bild — ich habe es
so recht eigentlich für mich selbst gemalt —
seitdem dachte ich auch oft daran, wo es wohl
hingeraten sein könnte. —

Nun ist meine Freude aber recht groß, da ich
das Bild in so guten Händen weiß — bei einem
Besitzer, der mir sogar einen lieben Besuch zu-
gedacht hatte. —

Sollten Sie wieder einmal nach Frankfurt kom-
men, so bitte ich sehr, Ihren Besuch doch ja zu
wiederholen, wenn der Sprache wegen die Unter-
haltung auch sehr dürftig sein dürfte, — das
Auge hat ja auch eine Sprache — und auch die
Malerei ist ein Ausdrucksmittel, durch das die
Seelen sich verständigen und erkennen.

Mit den besten Grüßen!
Ihr ergebener

Hans Thoma.

Das Bild blieb aber trotzdem für Thoma ver-
schollen, denn der Besitzer dachte nicht daran,
sich von seinem Schatze zu trennen. Nun ist
der Schreiber dieser Zeilen der Hüter des Bil-
des geworden, das hier zum ersten Male repro-
duziert wird,

Das Bild, 1,05 m hoch und 80 cm breit, ist
prachtvoll erhalten, licht, strahlend in der Farbe,
der dunkelblaue Rock der Mutter ist besonders
schön, der Vortrag ist breit und ungemein to-
nig. Das Gemälde erinnert in der Behandlung
des Lichtes an den „Sonntagsfrieden" der Ham-
burger Kunsthalle, nur daß es noch edler in der
Qualität und noch wärmer im Gefühl ist.

Josef Stransky

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