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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 42.1926-1927

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Wolf, Georg Jacob: Willy Preetorius: zu seiner Ausstellung in der Galerie Heinemann, München
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Delius, Rudolf von: Wirklichkeit und Traum in der Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.14162#0279

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Ägypten", eine „Grablegung", eine in der Land-
schaft ruhende junge Frau ist darzustellen, und
sogleich nimmt die Landschaft den Charakter
dieses Motivs in der Stimmung an. Oder ist es
vielleicht umgekehrt? War die Landschaft das
Primäre und schien sie in ihrer ausdrucksvollen
Art dem Künstler dazu berufen, solchen Dar-
stellungen zur Folie zu dienen? Da das Schallen
eines so temperamentvollen Künstlers wieWilly
Preetorius aus rätselhaften Tiefen der Persön-
lichkeit quillt, ihm selbst wohl oft unergründ-
lich, so wird er sich über diese Dinge selbst nur
schwer Rechenschaft zu geben vermögen. Auf
alle Fälle entstanden mit solchen Bildern Y\ erke,
die von wundervoller Einheit und Geschlossen-
heit sind, Landschaft und Staffage eins, die Ge-
stalten wie herausgeboren aus der Natur und
diese Natur ihr Saal, ihre Atmosphäre, der einzig
mögliche Raum, wo sie atmen können.
Willy Preetorius, 1883 in Mainz geboren, in

Darmsladt herangewachsen, zuerst Architekt,
darin in Weimar zum Maler ausgebildet (neben
L. v. Hofmann wirkte dort besonders das Vor-
bild Theodor Hagens auf ihn), heute in Mün-
chen wirkend und schallend, nachdem er sich
in dem stillen Ammerseedorf Unterschondorf,
Pfitzner benachbart, ganz gefunden — dieser
Künstler ist kein einseitiger Theoretiker und
Spintisierer. W er ihn etwa aus der hier ver-
suchten Analyse seines Schaffens als solchen
erkennen will, geht irr. Er ist tief und ver-
sonnen, philosophisch gerichtet, wie jeder, dem
es mit seiner Lebensarbeit ernst ist. Aber er
ist praktisch genug, um vor jeder Aufgabe seines
Faches im weitesten Sinne zu bestehen. Selbst
wenn Hans Plitzner wünscht, daß er Für die
„Rose vom Liebesgarten" oder für den „Pale-
strina" die dekorative Inszenierung übernimmt,
wird er diesem Auftrag gerecht und erfüllt ihn
mit Freude und vollem Gelingen. Georg Jacob Wolf

WIRKLICHKEIT UND TRAUM IN DER MALEREI

LTnter den Malern tobt immer noch der Kampf
zwischen Impressionismus und Expressionis-
mus, zwischen Realismus und Idealismus, oder
wie ich es am liebsten mit deutschen Worten
ausdrücken möchte, zwischen Gestaltung der
Wirklichkeit und Gestaltung des Traumes.
Der Konflikt und Gegensatz ist unleugbar da,
jede Richtung und Schule weist ihre Theorie
vor. Aber nun möchte ich versuchen, das
ganze Problem einmal anders zu betrachten,
von einem Standpunkt höchster Kulturhöhe
aus, und die überraschende Tatsache wird klar
werden: die Gegensätze sind nur vorhanden in
Zeiten der Zerrissenheit, sobald der ganze heile
gesunde Künstlermensch sich zersetzt, dann
lösen sich diese feindlichen Gegensätze los und
treten schroff auseinander. Diese Parteikünstler
sind Fragmentmenschen einer Epoche, der die
Totalität verlorenging. InZeilen vollkommener
Kunst sind diese beiden Richtungen zusammen-
gehörige Tätigkeiten eines organischen Ganzen.
Impressionismus und Expressionismus verhal-
ten sich dann wie Einatmen und Ausatmen, sie
sind gar nicht abzusondern. Jedes Genie besitzt
an sich diese beiden Pole, es ist Realist und

Idealist zugleich. Der große Künstler saugt
die Wirklichkeit ein mit zitternd gespannten
Organen, aber dann verwandelt er sie in sich
durch die Flammen sehies Geistes und gebiert
neu daraus das Werk, das nun freischwebend
ist wie der Traum.

In der Malerei, und besonders in der Land-
schaftsmalereiist heute dies Ringen und Kämp-
fen sehr deutlich zu sehen, dieser Streit um
etwas, das eben kein Streit sein sollte. Jeder
Parteikünstler, der auf die eine Seite schwört,
ist in sich verkümmert. Er ist ein typischer
Fragmentmensch, der nicht mehr die große
Bogenlinie eines Ganzen zu halten vermag. So
ficht ein Glied gegen das andere, statt daß sie
zusammen dem Herzen und der Seele dienten.
Am schnellsten und schönsten wird uns das
Problem durchsichtig, wenn wir eine Kultur
zur Betrachtung heranziehen, wo eben die Land-
schaftsmalerei klassisch vollendet war. Diese
äußerste Vollendung haben wir in dem China
der Sungzeit (1000—1300 n. Chr.).
Wie arbeilet der Sungkünstler, wie steht er zur
Wirklichkeit, wie steht er zu der Traumwelt
seines Innern? Nehmen wir ein besonderes

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