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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 24.1913

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Hermanin, Federico: Römischer Brief
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https://doi.org/10.11588/diglit.6192#0107

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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXIV. Jahrgang 1912/1913 Nr. 14. 3. Januar 1913

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
Man abonniert bei jeder Buchhandlung, beim Verlage oder bei der Post. Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A.Seemann, Leipzig, Hospitalstr. 11 a.
Abonnenten der Zeitschrift für bildende Kunst erhalten Kunstchronik und Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigen 30 Pf. die Petitzeile; Vorzugsplätze teurer.

RÖMISCHER BRIEF

Oiacomo Bonis Tätigkeit, die sich vom Forum
aus auch auf den Palatin erstreckt hat, fängt an in
diesem neuen Revier die besten Früchte zu tragen.
Auch hier, wie schon auf dem Forum, waren wir an
ein bestimmtes, seit Jahren unverändertes Bild gewöhnt
und von wichtigen Funden in neuerer Zeit sind nur
die Ausgrabungen Oattis und Vaglieris zu verzeichnen,
die zur Entdeckung einer vorgeschichtlichen Ansiede-
lung geführt hatten.

Bonis Forschungen haben auch diese ältesten An-
siedelungen ins Auge gefaßt als äußerstes Ziel, aber
er konnte und wollte natürlich von der späteren Bau-
tätigkeit, die den palatinischen Hügel neben dem
kapitolinischen zum berühmtesten des Septimontiums
gemacht hat, nicht absehn, und so hat er einen großen
organischen Plan entworfen, an dessen Ausführung
er kräftig arbeitet. Von den rauhen Behausungen der
ältesten Palatinbewohner bis zu den strahlenden Pa-
lästen der Welt-Kaiser, das ist sein Losungswort.
Bonis Plan ist es also, den Palast aufzufinden, den
der Architekt Rabirius ungefähr im Jahre 91 n. Chr.
auf dem Palatin erbaute, und die Änderungen dieses
Baues durch die Arbeiten von Jahrhunderten bis
auf Maxentius und Konstantin zu verfolgen. Boni
will auch den neronianischen Bau erforschen und die
älteren Wohnungen zurück bis auf Augustus, und
einen klaren Blick gewinnen über die alten Straßen,
welche den Palatin durchkreuzten und die Privat-
häuser, die darauf standen, und Männern, wie
Leaurus und Crassus, Catilina und Clodius, Cicero
und Hortensius gehörten. Zu den interessantesten
Problemen gehört die Erforschung des Terrains, auf
welchem die großen Prunksäle des domitianischen
Palastes stehn.

Jetzt sind große Ausgrabungen planmäßig begonnen
worden und die glänzenden Resultate übersteigen die
kühnsten Erwartungen. Boni hat hier, wie schon auf
dem Forum, das System der Forschung nach Schichten
angewandt, und ist es ihm auf diese Weise gelungen,
schichtweise übereinander gebaute Häuser zu entdecken.
Seine erste Forschung spielte sich sozusagen auf der
Oberfläche des historischen Hügels ab, da wo wir
gewohnt waren, die Überreste des Palastes der Flavier
mit ihren mächtigen, leider fast bis auf die Grundfesten
zerstörten Mauern zu besuchen. Unter der Basilika
hat man die großen Behälter zur Konservierung der
lebendigen Fische gefunden, die Vivaria piscium, in
die zum Teil auch Seewasser gebracht wurde, um
die Erhaltung von Muränen und anderen feinen Meer-
fischen zn ermöglichen. Wie wir sehen werden, ge-
hörten die Vivaria zum großen Haus Kaiser Neros,
welcher hier vor den Flaviern hauste und sie wurden

durch die Neubauten dieser neuen Herren des Palatins
zerstört. Neros Haus hatte aber schon andere Wohn-
stätten zerstört, deren Überreste Boni gefunden hat.
Im Tablinum, der Aula Regia des Palastes, hat Boni
die Pfeiler gefunden, auf denen der Sockel des Kaiser-
throns ruhte. So glaubt er auch im Lararium die
Arae entdeckt zu haben, die Domitian und Eliogabalus
da geweiht hatten.

Ganz und gar verändert ist das Aussehen des
großen Peristylium, wo man auf das ganz erhaltene
mächtige Impluvium gestoßen ist. Man hat die Nischen,
welche die Wände schmückten, entdeckt und die
Wasserröhren. Ein kleiner innerer, abgegrenzter Raum
in achteckiger Form zeigt uns, daß bald das Implu-
vium als zu groß angesehen wurde und beschränkt
werden mußte. Während unter dem Triclinium inter-
essante Bauten ans Licht gekommen sind, hat man
im Triclinium selbst große Bruchstücke des herrlich
gearbeiteten Gebälks gefunden und daneben sind auf
der Seite von Villa Mills nicht nur ein Nymphäum
in Form und Schmuck dem auf der Kapitolsseite,
das man seit langem kennt, ähnlich, sondern auch
Wohn- und Wirtschaftsräume zum Vorschein ge-
kommen.

Diese nah unter der Oberfläche gemachten Ent-
deckungen haben aber nur einen geringen Wert im
Vergleich zu dem, was Boni an älteren Wohnhäusern
in tieferen Schichten gefunden hat. —

Wie ich schon oben bemerkte, hatten die Vivaria
piscium aus Neros Zeit dem Bau Domitians weichen
müssen, und schon dieser neronische Bau stand auf
einem älteren wohl aus der Zeit Julius Cäsars stam-
menden, und diesem Haus war wiederum ein anderes
aus republikanischer Zeit zum Opfer gefallen. Nirgends
sonst hat man wohl eine solche Übereinandertürmung
gefunden, wenn man bedenkt, dass unter dem republi-
kanischen Haus Boni auf die Favissae Palatinae ge-
stoßen ist; diese dunklen Höhlen, welche durch orga-
nische und unorganische Überreste klar als älteste
Wohnungsstätten sich unserem erstaunten Auge kund-
geben.

Das durch den neronianischen Bau zerstörte Haus,
welches, wie wir schon oben andeuteten, wohl un-
gefähr in die Zeit Julius Cäsars zu setzen ist, bewahrt
ganz köstliche Überreste reicher Dekoration, und ist
diese Dekoration höchst eigentümlich und interessant,
weil sich darin klar und deutlich ägyptische Motive
zeigen. Trotz der Zerstörungen Neros und Domitians
sind nicht nur große Wandflächen erhalten, sondern
auch ein weites Stück der Wölbung eines großen
Saales, in den dann später die Vivaria hineingebaut
wurden. Auf den Wänden haben die Dekorationen
die Form von Kandelabern, welche mit den Federn
 
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