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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 24.1913

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Bayersdorfer, W.: Münchener Brief, [2]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.6192#0250

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479

•Wettbewerbe — Ausgrabungen — Ausstellungen

480

manchem seiner Werke an einer zu weit gehenden, fast
larmoyant wirkenden Weichheit zu kranken, die gerade
bei Plastiken wie dem Bismarck am wenigsten am
Platz sein dürfte. Leo Sambergers Porträtkunst hat
ihren Ausgang von Lenbach genommen und unter
den Frühwerken seiner 120 ausgestellten Arbeiten
hat manches den geistigen Vater beim besten Willen
nicht verleugnen können. Die außerordentliche Treff-
sicherheit seiner Porträts, die in der Betonung ge-
wisser Charakteristika des Darzustellenden zeitweise
fast die Karikatur streift, entwickelt sich schon früh
und hat in Bildnissen wie Gabr. v. Seidl, Welti, Ge-
heimrat von Reber, Wenglein u. a. oder den be-
kannten Kohlezeichnungen, deren die graphische
Sammlung eine Kollektion besitzt, Bewundernswertes
geschaffen. Was hingegen in der Ausstellung an
religiösen Kompositionen oder Figuren aus früher
Zeit, an allegorischen Köpfen oder historischen Porträts
zu sehen war, läßt einen Beruf des Künstlers für
dieses Gebiet nicht glaubhaft erscheinen.

W. BA YERS DORFER.

WETTBEWERBE
In der Eingangshalle des Dienstgebäudes des Kgl.
Ministeriums des Innern in Dresden sollen die beiden
Aufgänge zu den Haupttreppen mit je zwei Bildwerken
geschmückt werden. In dem Wettbewerb, den der Akade-
mische Rat im Auftrage des Ministeriums des Innern hierfür
ausgeschrieben hatte, gingen von 23 sächsischen Bildhauern
54 Entwürfe ein. Erwünscht waren namentlich Tiere oder
Tiere in Verbindung mit Menschen. Von der selbstver-
ständlichen Anschauung ausgehend, daß in der monumen-
talen architektonischen Halle naturwahre Darstellungen von
Tieren unmöglich sind, hat der Akademische Rat als Preis-
gericht alle solche Entwürfe, wie sie sonderbarerweise
auch eingegangen sind, unberücksichtigt gelassen und nur
solche Entwürfe prämiiert, die monumentale, stilisierte
Formen aufweisen. Je einen ersten Preis von 500 Mark
erhielten Otto Pilz, Hermann Fritz und Hanns Jäger, je
einen zweiten Preis von 300 Mark Glatter und Brenner
sowie Paul Berger; für einen ebensolchen ist auch noch
Edmund Möller vorgeschlagen. Der Akademische Rat hat
indes keinen der prämiierten Entwürfe als zur Ausführung
geeignet gefunden, schlägt daher dem Ministerium vor,
unter den Prämiierten einen zweiten Wettbewerb zu ver-
anstalten. Der Vorschlag erscheint nicht sehr erfreulich für
die jungen Bildhauer, die jeder schon etwa 800—1000 Mark
in dem Wettbewerb angelegt, also in dem Preis nicht
einmal ein genügendes Entgeld für ihre Arbeit erhalten
haben. Sollen sie für die 500 oder 300 Mark noch einmal
die schwierige und zeitraubende Arbeit leisten mit der
Gewißheit, daß fünf von den sechs umsonst arbeiten?
Gerechter wäre es offenbar, wenn man zweien der mit
ersten Preisen ausgezeichneten Künstler je zwei Bildwerke
übertrüge und dabei genau die Wünsche des Akademischen
Rates für deren Ausführung übermittelte, dem dritten einen
anderen Staatsauflrag gäbe. Die Aufträge sind für einen
zweiten Wettbewerb zu geringfügig.

AUSGRABUNGEN
Entdeckung einer alt-römischen Niederlassung
in Rockbourne, Hampshire (England). Lord Shaftes-
bury, dem der Grund und Boden dort gehört, gab die
Erlaubnis zu den erfolgten Ausgrabungen. Das Resultat
derselben ist folgendes: Man entdeckte die Reste und Über-

bleibsel eines von Graben und Wall geschützten Land-
hauses; einen Getreidespeicher mit Wärmevorrichtungen,
ein Backhaus nebst einer beträchtlichen Menge von Korn,
Ochsen- und Pferdeknochen. Ferner wurden aufgefunden:
Töpferwaren aller Art, darunter sogenannte »New-Forest«-
und »Samische Urnen«, Krüge, Purbeck-Marmorgefäße,
Spinnräder, Messerklingen und Münzen aus der Zeit von
Gallienus bis Konstantin. Endlich ist als interessantester
Fund eine Tragbahre aus der Bronzezeit, und gleichfalls
aus dieser Periode stammend eine Aschenurne mit Pfeil-
spitze hervorzuheben. o. v. Schleinitz.

AUSSTELLUNGEN

X Berliner Ausstellungen. Wie allgemein erwartet
und auch an dieser Stelle in der vorigen Nummer als er-
forderlich bezeichnet wurde, haben nun die »Zurück-
gewiesenen« der Berliner Sezession ihrem öffent-
lichen Protest gegen die Maßnahmen der Jury eine Aus-
stellung ihrer abgelehnten Werke folgen lassen. Wenige
Häuser neben dem Sezessionsgebäude, am Kurfürstendamm,
haben sich die Refuses angesiedelt, d. h. nicht die Ge-
samtheit der Sechsundzwanzig, sondern nur etwa die Hälfte
der so streng behandelten Mitglieder, denen sich noch
einige Gäste angeschlossen haben. Einige sind inzwischen
auf Reisen gegangen, einige haben bereits gleich nach der
Ablehnung über ihre heimgekehrten Werke anderweitig
verfügt, manche wollten wohl auch aus verschiedenen
Gründen nicht mittun. In einzelnen Fällen sind überdies
noch an Stelle der refüsierten Dinge andere Arbeiten des-
selben Künstlers eingefügt — das ist natürlich völlig un-
statthaft und hätte unbedingt unterbleiben müssen. Kann
man sich so kein vollständiges Bild davon machen, was
alles die Jury der Sezession in die Wolfsschlucht ge-
schleudert, so bleibt doch genug übrig, um zu erkennen,
daß sie manches befremdliche Urteil gefällt hat. Was von
vornherein klar war, erweist sich nun zur Evidenz: daß
in der Sezession vieles aufgenommen wurde, was nicht
um einen Deut besser ist; ja, daß in diesem improvisierten
Salon der Refuses manches treffliche Stück zu finden ist
— neben manchem, versteht sich, dessen Ablehnung man
durchaus begreift und billigt. Da ist etwa ein Porträt
Meier-Graefes von Eugen Spiero, das eine ganze Anzahl
der Porträts in der Sezession weit hinter sich läßt. Eine
frisch und pikant gemalte Karnevalszene von Finetti, ein
kleines Bildnis des Malers Paul Baum von Ernst Oppler,
ein derb hingesetztes Ziegenbild von Herstein, ein bel-
gischer »Fischmarkt« von Bischoff-Culm, ein Gartenaus-
schnitt von J. Oppenheimer — ich hebe nach genauer Ab-
wägung diese Einzelstücke heraus — hätten sich dort nicht
zu verstecken brauchen. Das luftige, wenngleich noch
etwas harte Bild eines »Neubaus« von dem Orlikschüler
Büttner, die tüchtige, in die Nähe Röslers weisende Land-
schaft von Beyer, eine helle Berliner Straße von Westphal
sind gleichfalls Stücke von Qualität und gutem Niveau, die
eine Zurückweisung kaum verdient hätten. Eine große
Komposition der Ehebrecherin vor Christus von Maseck
ist nicht nur eine schöne Talentprobe, sondern schlechthin
wertvoller als mehrere Figurengruppen in der Sezession.
Eine ringende Begabung wie Max Neumann, der sich von
Beckmann anregen ließ, könnte man unterstützen. Eine
Büste von Alexander Oppler ist nicht im mindesten »ab-
lehnungsreif«. Und wenn man in der Sezession die Jugend
zuließ: warum hat man ein so temperamentvolles und
originelles Bild wie die »Tigerjagd« von Haslcr beiseite
gestellt? Selbstverständlich handelt es sich hier nicht durch-
weg um weltenstürmende Meisterwerke. Aber aus solchen
besteht ja auch nicht die Sezessionsausstellung; kann sie
 
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