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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 24.1913

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Winkler, F.: Einige niederländische und deutsche Werke des 15. und 16. Jahrhunderts auf der Ausstellung 1912 in Granada
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.6192#0062

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103

Nekrologe

104

In den Nebenräumen des Hauses Meersmann war
ein Teil der Sammlung des Besitzers zu sehen. Unter
den oft unbedeutenden Bildern fiel ein Triptychon
mit der Kreuzabnahme in Hochformat und Halb-
figuren auf, deren Vorbild nicht erhalten ist, aber un-
zählige Male kopiert wurde (das Exemplar der Samm-
lung Lavandal-Wien, das auf der Brügger Leihausstellung
1902 war, ist das bekannteste). Die Tafel der Samm-
lung Meersmann ist unzweifelhaft von jenem überaus
tätigen Meister des Abendmahls (Lüttich, Brüssel usw.),
der neben dem von Friedländer erstmalig zusammen-
gestellten Antwerpener Meister von 1518 am ehesten
aus der Blesgruppe herauszuschälen sein wird. Das
Triptychon in Granada steht auf der Höhe des Ab-
schieds Christi in Glasgow1). Die Bilder des Abend-
mahlsmeisters finden sich auffällig zahlreich in Spanien
in guter Qualität. Wie Friedländer den Meister von
1518 in Antwerpen lokalisierte — hoffentlich findet
diese Skizze bald eine Fortsetzung in einer kritischen
Sichtung der Blesgruppe von Friedländers kundiger
Hand — so läßt sich dies auch für unseren Abend-
mahlsmeister nachweisen. Er ist ebenfalls ein Ant-
werpener Kind: ein großer Schnitzaltar im Cinquan-
tenaire-Museum in Brüssel, der nach Mitteilung von
Joseph Destree zweifellos Antwerpener Arbeit ist —
die Marke soll sich darauf befinden — hat Flügel,
die zu den besseren, seinen Stil leicht verratenden
Erzeugnissen seiner Werkstatt gehören. Entlehnungen
aus Dürers großer Holzschnittpassion ermöglichen
eine Datierung. Der Meister hat den Altar — wie nach
dem Stil zu erwarten war — frühestens im zweiten
Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts gearbeitet. Mit den
Jahren 1515—1540 etwa wird man sein Schaffen um-
grenzen dürfen. f. winkler.

NEKROLOGE

Am 30. Oktober verschied ganz plötzlich der Direktor
des Amsterdamer Kupferstichkabinetts E. W. Moes. Ob-
wohl Moes schon längere Zeit leidend war, so kam sein
Tod doch ganz unerwartet. Sein früher Hingang bedeutet
für die ihm unterstellt gewesene Anstalt wie für die hol-
ländische Kunstforschung einen schweren Verlust. Moes
verfügte auf dem engeren Gebiete der holländischen Kupfer-
stich- und Oemäldekunde über ein nicht gewöhnliches Maß
von Wissen, und er hatte dank einem ausgezeichneten Ge-
dächtnis diese Unmenge Detaiikenntnisse auch stets zu
seiner Verfügung. Seiner besonderen Vorliebe erfreuten
sich einige kunsthistorische Hilfswissenschaften: Porträt-
kunde und Genealogie; für diese Fächer war er gleichsam
eine wandelnde Enzyklopädie. Durch die Nutzbarmachung
archivalischer und literarischer Quellen hat sich Moes um
die holländische Kunstgeschichte große Verdienste erworben.
Moes war von einer erstaunlichen Arbeitskraft und einem
eisernen Fleiß; Ruhe und Erholung waren Wörter, die
seinem Ohre fremd waren, und daß er immer in fieber-
hafter Tätigkeit war und sich keine Muße gönnte, wird
mit seinen frühen Tod herbeigeführt haben. Leider sollte
es ihm nicht beschieden sein, die Früchte seiner rastlosen

1) Andere nahezu gleichwertige Werke des ungleich-
mäßig arbeitenden Künstlers sind z. B. eine Anbetung der
Könige in Brüssel, Christus am Kreuz in der National
Gallery, Christus vor Kaiphas im Kaiser-Friedrich-Museum
(Nr. II, 202).

Arbeit selbst zu pflücken. Charakteristisch für seine Art
zu arbeiten sind die Biographien holländischer Künstler
im Thieme-Beckerschen Künstlerlexikon; wie hier das oft
sehr umfangreiche Material zu einem übersichtlichen und
knappen Lebensbild verarbeitet ist, ist vorbildlich. Moes
war ein Mann der nüchternen Tatsachen, sie allein hielt
er für wertvoll, und nur mit ihnen arbeitete er; ästhetische Er-
örterungen oder allgemein-kulturhistorische Betrachtungen
überließ er anderen. Er gehörte nicht nur als Forscher,
sondern auch als Sammler zu jener Kategorie, die Voll-
ständigkeit, auch im weniger Wertvollen für das Wichtigste
hält. Während der kurzen Zeit, durch die er der Sammlung
des Kupferstichkabinetts vorstand, wurden verschiedene
fruchtbare Katalogisierungsarbeiten in dieser Sammlung
zum Abschluß gebracht; einen großen Teil dieser zeit-
raubenden und undankbaren Arbeit verrichtete er selbst,
so widmete er dem Zettelkatalog für die von ihm außer-
ordentlich ausgebreitete Sammlung von Porträts sowie auf
die topographischen Abbildungen seine meisten Kräfte. Dann
wurde von ihm der Realienkatalog auf die im Stich dar-
gestellten Gegenstände und Vorgänge in Angriff genommen
und sehr gefördert. Seiner Initiative verdanken ferner die
periodischen Ausstellungen im Kupferstichkabinett, wodurch
die interessantesten Stücke auch dem größeren Publikum
zugänglich gemacht wurden, ihre Entstehung. Neben der
amtlichen Tätigkeit, die schon hohe Anforderungen an ihn
stellte, entfaltete Moes auch eine umfangreiche publizistische
Wirksamkeit. Eine seiner ersten Arbeiten war seine Ent-
gegnung auf Lautners Rembrandtbuch »Ein moderner
Herostrat, Amsterdam 1891«. 1890 begann er die Heraus-
gabe des großen zweibändigen Werkes »Iconographia Ba-
tava«, für die sicherlich einen neuen dritten Band füllende
Ergänzungen unter seinen nachgelassenen Papieren vor-
liegen. 1896 erschien die erste Lieferung seines Werkes
• De Amsterdamsche boekdrukkers en uitgevers in de ze-
ventiende eeuw«, ein Muster bibliographischer Arbeit,
das von Teil II, Seite 210 an von C. P. Burger fort-
gesetzt wurde. Von weiteren in Buchform erschienenen
Publikationen seien hier noch genannt seine Monographie
über Frans Hals (»Frans Hals. Sa vie et son oeuvre.
Bruxelles 1909«), die auf eingehenden archivalischen
Studien beruhende Geschichte der Anfänge des Rijks-
museums, die er in Gemeinschaft mit van Biema ver-
öffentlichte (De nationale Konst-Gallery en het Koninklyk
Museum. Amsterdam 1909), und zwei große Abbildungs-
werke (»Oude Schilderkunst in Nederland. s'Gravenhage
1910—1911«) in Gemeinschaft mit Prof. Dr. W. Martin und
das Amsterdamer Handzeichnungenwerk, eine Auswahl der
wichtigsten und schönsten Zeichnungen in vorzüglichen
Faksimiledrucken (Oude teekeningen van de Hollandsche
en Vlaamsche school in het Ryksprentenkabinet te Amster-
dam. s'Gravenhage 1904). Seit 1911 gab er mit dem
Delfter Architekturprofessor K. Sluyterman ein reich illu-
striertes Werk über die Schlösser in Niederland heraus
(»Nederlandsche Kasteelen en hun historie«), das aber nicht
mehr zum Abschluß gekommen ist; den umfangreichsten
Teil, die Geschichte der Schlösser und die Genealogie der
Familien hat er hierin selbst behandelt. Moes war Mit-
arbeiter verschiedener in- und ausländischer Fachzeitschriften,
von Oud-Holland war er seit 1893 mit Bredius Mitredakteur.

Moes war am 5. September 1864 geboren, nach Voll-
endung seiner Studien an der Amsterdamer Universität
wurde er 1886 zum Archivar der Stadt Rotterdam ernannt.
Diese Stelle vertauschte er 1890 mit der eines zweiten
Bibliothekars an der Universitätsbibliothek in Amsterdam.
Zum Kupferstichkabinett ging er erst 1898 über, anfangs
als zweiter Direktor; 1903 rückte er zum ersten Direktor auf.

m. d. h.
 
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