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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 24.1913

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Bayersdorfer, W.: Münchener Brief, [2]
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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXIV. Jahrgang 1912/1913 Nr. 33. 16. Mai 1913

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
Man abonniert bei jeder Buchhandlung, beim Verlage oder bei der Post. Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E.A.Seemann, Leipzig, Hospitalstr. 11 a.
Abonnenten der Zeitschrift für bildende Kunst erhalten Kunstchronik und Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigen 30 Pf. die Petitzeile; Vorzugsplätze teurer.

MÜNCHENER BRIEF
IL*)

Unter den Erwerbungen, die für die modernen
Sammlungen des Staates gemacht wurden, steht an
erster Stelle das 1869 gemalte Bildnis der Frau Gedon
von Wilhelm Leibi, das man trotz seiner frühen Ent-
stehungszeit mit Recht als eines seiner besten, an
malerischen Qualitäten reichsten Werke, ja geradezu
als ein Unikum bezeichen darf. Da schon Tschudi
unseren ehedem noch geringen Bestand an Leibis
durch das Bildnis Schuchs und die Skizze mit dem
Maler Sattler und dem Hund vermehrt hatte, kann sich
die Neue Pinakothek nun getrost neben andere Samm-
lungen stellen und ist wenigstens in diesem Fall gegen
den Vorwurf geschützt, daß gerade die besten der in
München oder Bayern tätig gewesenen Maler schlecht
in ihr vertreten seien. Daß der Ankauf ermöglicht
wurde, ist außer der Firma Heinemann, die im Inter-
esse der Staatssammlungen verschiedene höhere An-
gebote von Auswärts ausgeschlagen hatte und das
Werk um ca. 200000 Mark abgab, wieder der Be-
reitwilligkeit reicher Privatleute zu danken, wie über-
haupt anerkannt werden muß, daß das Mäzenatentum
in Bayern im Zunehmen begriffen ist. Die zweite
wichtige Erwerbung betrifft unsere graphische Samm-
lung, die dank der reichen Spende (30 000 Mark) des
amerikanischen Sammlers Hugo Reisinger in den Be-
sitz von 85 Zeichnungen Hans von Marees gelangt
ist. Die Blätter waren bisher Eigentum von Böcklins
Schwiegersohn Peter Bruckmann in Fiesole und ent-
halten ziemlich zu gleichen Teilen Kompositions- und
Aktstudien, sowie einige Porträts (Fiedler, Frau Bruck-
mann) und bedeuten in ihren guten Stücken eine
sehr wertvolle Bereicherung der graphischen Samm-
lung, die mit Freuden zu begrüßen. Indessen soll
nicht verschwiegen werden, daß auch manches schwache
Blatt mit untergelaufen, was dem Kunstreferenten
des Münchener sozialdemokratischen Organs Veran-
lassung zu einem heftigen und insofern ungerecht-
fertigten Angriff gegen die Direktion der Sammlung
gab, als dieselbe gar nicht die Möglichkeit einer
Auswahl hatte, da der Ankauf über ihren Kopf hin-
weg durch das Ministerium erfolgt war. Außer den
Marees-Zeichnungen ist zurzeit auch ein Teil der
übrigen Neuerwerbungen der graphischen Sammlung
ausgestellt, stimmungsvolle, sorgfältig durchgeführte
Zeichnungen Eugen Kirchners, eine Anzahl von Stu-
dien und Skizzen Fritz von Uhdes, köstliche Studien
zu Zeichnungen für die »Fliegenden Blätter« von
Oberländer, einige sehr lebendige Blätter von L. Corinth,
eine liebevoll durchgeführte Baumstudie Toni Stadlers

*) Vgl. Kunstchronik Nr. 28.

(Geschenk des Künstlers), ein paar gute Köpfe von
Knaus, Zeichnungen von J. Weiser, die sich nicht
über den Durchschnitt erheben, desgleichen solche
von G. Minne, die, wie auch oft seine Plastiken eine
etwas sehr weiche Empfindung verraten und drei vor-
zügliche Blätter von Sfauffer-Bern, die seine außer-
ordentliche Sicherheit in der Linienführung und Hand-
habung des Bleis in glänzender Weise erkennen lassen.
Ferner sind zu nennen eine Anzahl Blätter von
Schwind mit sehr zarten, manchmal kaum mehr er-
kennbaren Zeichnungen, ein Skizzenbuch mit Tier-
studien von Ludwig Voltz, Feder- und Rötelskizzen
von Hubert Wilm (Geschenk des Künstlers), zwei
Aquarelle des alten J. J. Dorner und schließlich einige
geschickte Landschaftsstudien in Aquarell und eine
Mönchsstudie in Blei von dem im vorigen Jahr ver-
storbenen August Holmberg.

An Ausstellungen in den modernen Kunstsalons
bot der vergangene Winter manches Interessante.
Eine Feuerbachausstellung bei Heinemann hat von
anderer Seite schon ihre Besprechung in der Kunst-
chronik (Nr. 19) erfahren. Hierzu ist nachzutragen,
daß gerade auch die nahezu 70 Zeichnungen von
besonderem Wert waren, weil an ihnen die Eigen-
tümlichkeiten der Feuerbachschen Kunst, namentlich
bei einem Vergleich mit den Bildern, zu denen sie
die Vorstudien bilden, recht deutlich erkennbar sind.
So zeigen die Zeichnungen für die Amazonenschlacht,
so groß ihre Schönheit und so viel Feinheit der
Empfindung sich in ihnen ausspricht, daß Feuerbach
doch nur selten zu einer wirklichen Belebung des
Modells kam, daß ihm die Fähigkeit und Kraft fehlte,
die betreffende Figur mit dem angestrebten drama-
tischen Gehalt zu erfüllen. Ging er dann an die
Zusammensetzung des ganzen Bildes, so ergab sich
eine Summe oft sehr schöner Einzelfiguren und
Gruppen, die jedoch meist leblos, das gestellte Modell
nicht vergessen lassen und nur äußerlich, nicht aber
durch eine wirklich dramatische Gestaltung mit ihren
Nachbargruppen und der Gesamtheit des Bildes ver-
bunden sind. Unter den weiteren Ausstellungen bei
Heinemann hebe ich eine Kollektion Landschaften
des in Dachau lebenden, aus Triest gebürtigen Giulio
Beda hervor, der sich in den letzten Jahren sehr er-
freulich entwickelt hat. Seine Arbeiten verrieten schon
immer ein ernstes Schaffen, hatten ursprünglich aber
eine schwere, dickflüssige Farbe ohne Licht und zeigten
die Silhouette der Landschaft manchmal wie auf den
Himmel geklebt. Inzwischen ist Beda viel heller und
farbiger geworden, auch reichhaltiger in seinen Motiven
und hat in seinen jüngsten Landschaften, hauptsäch-
lich einigen Winter- und Herbstlandschaften aus der
Dachauer Gegend, einheitliche, stimmungsvolle Werke
 
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