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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 24.1913

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Kölner Kunstbrief
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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXIV. Jahrgang 1912/1913 Nr. 7. 15. November 1912

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
Man abonniert bei jeder Buchhandlung, beim Verlage oder bei der Post. Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. S e e m a n n, Leipzig, Hospitalstr. 11 a.
Abonnenten der Zeitschrift für bildende Kunst erhalten Kunstchronik und Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigen 30 Pf. die Petitzeile; Vorzugsplätze teurer.

KÖLNER KUNSTBRIEF
Als genau vor einem Jahre in den Räumen des
Kölner Kunstvereins anläßlich des fünfzigjährigen
Jubiläums des Wallraf-Richartz-Museums eine Aus-
stellung aus Privatbesitz veranstaltet wurde, durfte sie
von der Leitung mit vollem Rechte als eine Übersicht
über »Kunst unserer Zeit« bezeichnet werden. Andere
Ziele setzt sich eine Nachfolgerin, deren schlichte
Etikette lautet: Kunst des 19. Jahrhunderts in Kölner
Privatbesitz. Obschon eine ganze Reihe ausländischer,
meistens französischer Gemälde diese wiederum vom
Kunstverein veranstaltete Ausstellung ziert, ist der
Gesamteindruck deutsch; es herrscht hier der Geist
der »Deutschen Jahrhundertausstellung«. Manches
wirkt gewissermaßen wie eine Nachlese, und sie ist
um so freudiger zu begrüßen, als auf jener unver-
geßlichen Veranstaltung der rheinische Kunstbesitz
nicht ganz nach Gebühr vertreten schien. Wie in Berlin,
gibt es auch hier Überraschungen; man findet Werke
vergessener Künstler und nicht wenige, die geeignet
scheinen, landläufige Meinungen zu korrigieren. Ein
neuer Name ist beispielsweise Heinrich Wieschebrink,
dessen Frauenbildnis unbedenklich ein Meisterwerk
genannt werden darf. Ich weiß über den Künstler
nur zu sagen, was im Kataloge steht: er ist 1852 in
Düsseldorf geboren und starb bereits 1885 in Kassel.
Ein Düsseldorfer Künstler ohne Düsseldorfer Mal-
manieren. Die feine Zurückhaltung in der Charak-
teristik der ehrwürdigen und gütigen alten Dame, der
exquisite Farbengeschmack, mit dem das Weiß der
Haube, die hellila Haubenbänder, das Schwarz des
Kleides zusammengestimmt sind und die ungewöhn-
lich delikat durchmodellierten Gesichtszüge, das alles
hebt dieses bereits vielbeachtete Brustbild beträchtlich
über das Niveau der rheinischen Malerei in der zweiten
Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Wo verbergen sich
die übrigen Werke Heinrich Wieschebrinks? Ein
anderes, durch reiche kololoristische Vorzüge auf-
fallendes Gemälde ist das »weiße Haus« des wenig
gekannten Franz Gustav Arndt, ein ungemein melodiös
auf ganz weiches Grün, Blau und Schwarz gestimmtes
Kunstwerk aus der auch sonst gut vertretenen Samm-
lung Hermann Hertz. Arndt ist 1842 in Lobsens (Brem-
berg) geboren und nach dem »Thieme-Becker« bereits
vor sieben Jahren in Blasewitz gestorben. Derselben
Sammlung gehört eine ganz frühe Landschaft Karl
Hofers an, ein »Bauerngärtchen« von fast Sperlscher
Liebe der Ausführung, ferner der prächtige Haber-
mann vom Jahre 1873, dem man jüngst in der Ber-
liner Auktion Küthe begegnete. Andere reich ver-
tretene Kölner Sammlungen sind die der Frau Emil
Ölbermann und der Herren Feinhals, Meirowsky und
R. Schnitzler. Die zuerst genannte ist vornehmlich an

Bildern der Barbizon-Schule reich: genannt seien die
Landschaften von Corot, Rousseau, Diaz und Daubigny.
Fast ausschließlich Ferdinand Hodler gewidmet ist die
Sammlung des Herrn Max Meirowsky, während die
an neueren Düsseldorfern reiche Feinhalssche Kunst-
sammlung diesmal durch die ganz vortreffliche Aus-
wahl von Zeichnungen von Constantin Guys auffällt.
Daß in Köln ein Leibi nicht fehlen darf, ist selbst-
verständlich: »Die Kritiker« (1868) aus dem Besitze
der Frau Joest sind zu berühmt, als daß hier mehr
als ein Hinweis nötig wäre. Sie sind der Haupt-
schmuck einer Wand, die auch sonst viel Erlesenes
bringt, die »Überraschte Venus«, ein ganz locker
gemaltes Frühwerk Böcklins, die »Segelfahrt« (1878)
von Hans Thoma, einen kleinen feinen Trübner,
»Rastende Kavallerie«, von Ludwig Knaus und Gabriel
Max je eine versöhnlich stimmende Probe ihrer Kunst
und, was mir als rechtes Verdienst der Ausstellungs-
leitung erscheinen will, eine Reihe köstlich unbefangener
und von hoher Malkultur zeugender kleiner Land-
schaften des jetzt sechzigjährigen Düsseldorfers Ernst
te Peerdt, meistens aus den Sammlungen Hertz und
Schnitzler. Ob dieser Künstler jemals in Düsseldorf
selbst geschätzt werden wird, wie er es verdient? In
der Kunsthalle ist er immer noch unvertreten . . . Von
deutschen Bildern möchte ich wenigstens noch er-
wähnen die beiden Landschaften vom alten J. A. Koch,
die in ihrem schlichten Aufbau und dem ungewöhn-
lich harmonischen Kolorit den Vorrang vor all den
gar zu »komponierten« Bildern der Jahrhundert-
ausstellung verdienen, ferner die Damenbildnisse von
Carl Sohn, die pittoreske Gewitterlandschaft Schirmers,
Feuerbachs »Römerin« und ein herrliches Stilleben
Schuchs aus der Sammlung Schnitzler. Ein sehr be-
merkenswerter Courbet »Blick auf Omans«, zwei
Landschaften des jetzt wieder vielgenannten Paul
Guigou(f 1871), eine brillante »Familienszene« Eugene
Isabeys, Bilder von Meissonier und Neufville, und
schließlich mehrere Werke von Paul Gauguin ver-
treten die Kunst Frankreichs. Für sich steht Segan-
tinis bekanntes Ave Maria-Bild, von dem wohl nur
wenige wußten, daß es in Köln bewahrt wird.

Kein eng umschriebenes Programm also! Eine
Ausstellung, die ohne Voreingenommenheit hier und
dort, mit dem einzigen Maßstabe der Qualität, zu-
sammengestellt ward. Sie ist durchaus das Verdienst
von Dr. Hagelstange, der sich damit nicht nur erneut
den Dank der rheinischen Kunstfreunde zu eigen ge-
macht hat, sondern zugleich auch seinen Gegnern,
die vor kurzem eine ebenso ungerechtfertigte wie in
den Mitteln verwerfliche Preßkampagne gegen ihn in
die Wege geleitet hatten, eine vielsagende Antwort
gibt. Merkwürdigerweise gibt es in Köln, vornehm-
 
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