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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 24.1913

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Die Berliner Jubiläums-Kunstausstellung, [1]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.6192#0264

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507

Nekrologe

508

ersten Pfiff schön macht. In einer Bremer Delegierten-
tagung wurde denn auch beschlossen, abzusagen.

Aber nun ereigneten sich allerlei Seltsamkeiten.
Ihr Resultat ist, daß trotz allem eine ganze Reihe von
Künstlerbundleuten am Lehrter Bahnhof erschienen.
Wie es geschah, das »sagt sich nicht«. Soeben ist
festgestellt worden, daß eines der wichtigsten Werke
dieses Kreises: Max Klingers »Pietä« aus der Dres-
dener Galerie ohne, oder vielmehr gegen den Willen
des Meisters nach Berlin kam. Vielleicht gibt es noch
mehr »Enthüllungen« dieser Art.

Jedenfalls ist auf solche Weise eine Retrospektive
zustande gekommen, die zwar Arbeiten verschiedenster
Prägung aufweist, schließlich aber doch ein recht un-
organisches Kompromiß, eine nicht systematisch, sondern
mehr zufällig (und durch was für Zufälle!) entstandenen
Überschau darstellt. Dennoch bildet sie mit den zahl-
reichen Qualitäten, die von ungefähr den Weg zu
ihr fanden, den Schwerpunkt der ganzen Ausstellung.
Bei den Berlinern geht es von Menzels »Gasteiner
Prozession « — die gewiß keines seiner großen Meister-
werke zu nennen ist — und einem Selbstporträt von
Knaus bis zu dem früheren Sezessionisten Leo v. König,
der vom Kurfürstendamm im Zorn geschieden ist und
nun in Moabit mit seinem bekannten Pierrotbilde auf-
taucht. Dazwischen steht allerlei Interessantes: das
wenig bekannte, vorzügliche Bildnis des einstigen
liberalen Parlamentariers Ludwig Loewe von Stauffer-
Bern; eine köstliche frühe Landschaft von Lesser Ury;
das delikate Porträt des Herrn v. d. Knesebeck vom
Grafen Harrach; mehr oder weniger bezeichnende
Stücke von Gussow, Paul Meyerheim, Gude, von
den Bildhauern Begas, Schaper, Brütt. Es ist wenig
Logik und Konsequenz in diesen norddeutschen
Kabinetten. Von Anton von Werner, dessen Kon-
flikt mit der Ausstellungsleitung immer noch in
mystischem Dämmer schwebt — fehlte doch unter
den Geburtstagsgratulanten des Siebzigjährigen am
9. Mai sogar der Kaiser, der ihn einst so gern
ehrte — findet man nur die große Reichstags-
eröffnung von 1888, also ein rechtes Jubiläumsstück,
eine ungemein tüchtige, aber ebenso kühle Arbeit.
Bei den Sachsen herrschen dann, neben dem unfrei-
willigen Führer Klinger Gotthard Kuehl und seine
Schule, dazu das Porträt Wrbas von Otto Gußmann.
Bei den Karlsruhern Hans Thomas volksliedmäßiger
»Gärtner« und das brillante Reiterbild des hessischen
Großherzogs von Trübner, einiges von Dill und
die »Heilige Cäcilie« von Volz. Bei den Stuttgartern
die frische Kunst der süddeutschen Landschafter
sowie ein paar der prachtvollen Eisenbahnszenerien
des allzu früh dahingegangenen Hermann Pleuer.
Bei den Münchenern zwei Köpfe von Leibi (dar-
unter der Geheimrat Seeger), Porträts von Lenbach
und ein gut charakterisierender Uhde (»Der heilige
Abend«), sowie sorgsam ausgewählte Plastik. Auch
ein Wiener Saal ist da, mit liebenswürdigen Dingen,
wie den von der dortigen Sezession her bekannten
»Zwei Frauen« von Rudolf Bacher, wie den Bildern
von Schattenstein, Victor Scharf u. a. Besonders
fesselt die Weimarer Abteilung, wo eine Kollektion

reizvoller phantastischer Skizzen Ludwig von Hof-
manns mit der großen bäuerischen Allegorie »Das
Leben« von Egger-Lienz freilich seltsam genug kon-
trastiert.

Aus Wien kommt auch Ferdinand Schmutzer, der
wieder einmal, wie schon früher, kollektiv vertreten
ist. Aber diesmal weniger glücklich, da er neben
seinen Radierungen eine größere Zahl mittelmäßiger
Aquarelle geschickt hat. Von den graphischen Ar-
beiten stehen das Bild des Vaters und das Selbst-
porträt in ihren sparsamen Linien höher als die
meisten andern, allzu sehr ans Photographische
streifenden Porträts. Auch der Kopf des deutschen
Kaisers ist Schmutzer nicht gelungen. Eine allge-
meine rückschauende graphische Abteilung, die sich
hier anschließt, bringt, ebenso wie eine zeitgenössische,
keine Überraschungen.

Dagegen verlangt die umfangreiche, sogar allzu
groß geratene und wenig übersichtlich gestaltete
»Nationale Architektur-Ausstellung«, die eine Fülle
vorzüglichen Materials zusammenbringt, eine besondere
und ausführliche Würdigung, die vorbehalten sei.
Dann wird auch Zeit sein, damit die tief verstim-
mende »Kaiserliche Architektur-Ausstellung« zu ver-
gleichen, eine Aufreihung von Phothographien, Mo-
dellen und Plänen solcher Bauwerke, an denen
Wilhelm II. seit 1888 »besonderes Interesse« ge-
nommen hat, wie es der Katalog bei dieser »auf
Befehl Seiner Majestät« eingerichteten Abteilung aus-
drückt. Zwei Kollektivausstellungen gliedern sich
diesen Architektursälen an: ein Separatraum Bodo
Ebhardts und drei Kabinette des Berliner Stadtbau-
rats Ludwig Hoffmann.

Als »Clou« der ganzen Ausstellung ist eine riesige
Kollektion von Franz Stuck zurechtgestutzt. Sie um-
faßt, aus öffentlichen und privaten Galerien entlehnt,
eine große Reihe der bekannten Hauptwerke, die
»Sünde«, den »Krieg«, die »Sphinx« usw., diese Er-
zeugnisse einer mächtigen, aber immer unerträglicher
auf äußeren Effekt eingestellten Begabung. Am besten
hält sich Stuck immer noch in seinen leichteren Phan-
tastereien und kleineren Stücken, wie der leidenschaft-
lichen Skizze zum Golgathabilde, den »Spielenden
Faunen«, oder den neuen Studien nach Tilla Durieux
als Circe. Hier ist er bei bescheideneren Ansprüchen
malerisch reicher und ohne das forcierte Pathos, das
sonst so empfindlich stört.

Sehr angenehm wirkt neben Stuck eine zwei
kleinere Säle füllende Sammlung von Bildern Schön-
lebers; vor allem die kleineren älteren Landschaften
sind oft Meisterstücke in Ton und Stimmung, während
die spätere Epoche auch Nieten hervorgebracht hat.
(Schluß folgt.)

NEKROLOGE
In Paris hat der Maler Eugene Cottin Selbstmord
begangen. Cottin war im Jahre 1850 in Straßburg geboren
und hatte in Paris den Unterricht Victor Dupres und
Bonnats genossen. Obgleich er einige Jahre im Salon
ausgestellt hatte, war er dem größeren Publikum doch nur
durch seine ironischen und satirischen Illustrationen bekannt
geworden. Am liebsten zeichnete er die Leute im Palais
 
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