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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 24.1913

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Kasseler Brief
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.6192#0168

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315 Nekrologe 316

ein, so daß hinsichtlich des Verkaufs den Künstlern
günstige Chancen sich eröffnen. Auch hat in den
neuen Etat 5000 Mark für Ankäufe die Stadt eingesetzt,
diese aber nicht nur für das laufende Jahr, sondern
es besteht die Absicht, jedes Jahr vor der Hand die
gleiche Summe zu Ankäufen von Werken neuerer
Kunst aufzuwenden und damit den Grund für eine
später zu begründende städtische Sammlung zu legen.

Die Stadt Kassel, die bisher sich des kostbaren Besitzes
alter Kunst erfreuen durfte, abernicht die Pflichten daraus
ableitete, zu denen ein solcher Reichtum eigentlich
ermahnte, wird aber nicht nur hier etwas tun; auch
das neue Landesmuseum wird sich städtischer Bei-
hilfe erfreuen dürfen. Diese großartige Neugründung,
die im Laufe des Sommers der Öffentlichkeit über-
geben werden soll, wird namentlich die (außer in
Fachkreisen) nicht genügend bekannten, bedeutenden
Sammlungen kunstgewerblicherOegenständeauf nehmen,
die man bisher im Erdgeschoß der Gemäldegalerie
fand, ferner die Antiken aus dem Museum Friderici-
num. Dazu kommen neu: ausgewählte Gegenstände
aus dem Besitz des hessischen Geschichtsvereins, bis-
her in Marburg bewahrt, einige erlesene Objekte aus
Schlössern, namentlich von der Löwenburg auf Wil-
helmshöhe; eine reiche, in Jahren unermüdlichen
Suchens vereinigte Sammlung von Gegenständen aus
bäuerlichem Besitz usw. All das, dazu die Fahnen
und Uniformen der kurhessischen Armee, wird der
wundervolle Bau von Theodor Fischer umschließen,
der so viele Diskussionen in der Stadt hervorrief,
weil er so sehr einfach und monumental ist, und
in der eigenartigen Fensterordnung jedem den Zweck
der Anlage verrät. Daß er sich aufs feinste in das
Stadtbild einfügt, diesen kleinen Umstand übersah die
bürgerliche Kritik.

Während so die kunstgewerbliche Sammlung aufs
reichste vermehrt neuem Leben entgegensieht, hat die
Gemäldegalerie nur durch die seit bald Jahresfrist
vollendete Neuordnung sich zu beleben vermocht;
eine wesentliche Bereicherung aber ist bei den
gegenwärtigen Zeiten mit ihren die höchsten Er-
wartungen stets überbietenden Preisen ausgeschlossen.
Das hatte Oskar Eisenmann noch vor zwanzig und
dreißig Jahren gekonnt; in der Gegenwart ist es bei
einem kleinen Etat kaum noch möglich. So kann
eigentlich nur von einer Vermehrung dieses stolzesten
Kunstbesitzes zu Kassel gesprochen werden: von zehn
Ölskizzen Friedrich August Tischbeins. Er gehört
auch zu der Gruppe der Künstler, für deren Nach-
ruhm eine Zeit kommen mußte, die eine für kolo-
ristische Qualität verfeinertes Gefühl besaß. Vielleicht
hatte der eine und andere einmal vor den feinen
Pastellen Halt gemacht, die man im Haag und in
Amsterdam von ihm sieht; aber erst die Leipziger
Porträtausstellung des vergangenen Jahres hat ihm
den gebührenden Platz in der Geschichte der deutschen
Malerei des 18. Jahrhunderts gesichert. Und fast
noch besser als seine ausgeführten Porträts, gewiß
geistvoller sind diese Skizzen, die, durch Feuchtigkeit
unscheinbar geworden, sich in den der Galerie seit Jahren
gehörigen Albums mit Kupfern und Zeichnungen

aller möglichen Tischbeins fanden. Von Hauser ge-
reinigt, konnten sie zuerst im Vorjahre in Leipzig
gezeigt werden und bilden jetzt eine besonders reiz-
volle Gruppe innerhalb der deutschen Bilder des vor-
vorigen Jahrhunderts. Von Wilhelm Tischbein, dem
dank seinen Beziehungen zu Goethe berühmtesten
(doch wahrlich nicht besten) Mitglied der an Künst-
lern so reichen Familie, besaß die Galerie bisher nichts.
Jetzt ist sie durch private Schenkung in den Besitz
von zwei Bildern und einer größeren Zahl von Zeich-
nungen gelangt. Das eine Bild mythologischen In-
halts (Pygmalion) ist eine für den Maler merkwürdig
tonige Skizze »in Rembrandts Manier«, das andere
stellt in der bekannten antikisch stilisierenden Art des
Meisters eine Tochter von ihm dar.

Zum Schluß mag noch einer zur Weihnachtszeit
erschienenen Publikation gedacht sein, weil sie das
sehr beachtenswerte (und leider von Fremden wenig
beachtete) Alte Kassel zum Gegenstand hat. Als
zweites Heft einer Serie »Alt-Hessen« erschienen
(Verlag N. G. Elwert in Marburg), führt diese Publi-
kation die wichtigsten Typen im Bilde vor, und in
einer sehr reizvollen Einleitung skizziert der Verfasser,
Dr. Holtmeyer, die historische Entwicklung der Stadt-
anlage und der einzelnen Häusertypen. Die verstän-
dige Art, wie er, ohne extravagante Forderungen zu
stellen, für Bewahrung des wertvollen Besitzes eintritt,
verdient allenthalben Beachtung, wo die gleichen
Probleme zu lösen sind. Darum ist es mit großer
Freude zu begrüßen, daß er vom 1. Oktober ab den
Posten des Provinzialkonservators in Hessen über-
nimmt, als Nachfolger des Geheimrats von Drach, der
in den Ruhestand tritt. Q. Qr.

NEKROLOGE

Friedrich Offermann f- Dresden ist am 24. Fe-
bruar der Bildhauer Friedrich Offermann, ein geborener
Hamburger, im 54. Lebensjahre gestorben. Er entstammte
der Schule Hähneis an der Dresdener Kunstakademie und
hat teils aus eigenem Antrieb, teils im Auftrage des Staates
und von Gemeinden eine Reihe ansehnlicher Kunstwerke
geschaffen. Zu der ersten Gattung gehören eine lebens-
große Kleopatra, die Vollfigur Schnitter Tod, die Halbfigur
Macbeth, der Meuchelmörder (farbig), ein junges Mädchen
auf einer steinernen barocken Pansfigur, ferner als Kabinett-
stücke ein Don Quixote, die Sonnenblume u. a. m. Für
Marienberg i. Sa. schuf er im Auftrage des Staates das
Standbild Heinrichs des Frommen, für das Hamburger
Rathaus einen Johannes und eine Magdalene, für die Kreuz-
kirche zu Dresden die große Altargruppe, für den Eingang
der Carolabrücke in Dresden die beiden großen Gruppen
die segenbringende und die verderbliche Elbe, ferner Stand-
bilder für die Kgl. Kunstakademie und für das Rathaus zu
Dresden, für die Kirchen zu Zwenkau, Bautzen und Pegau.
In der letzten Zeit wandte er sich wiederholt der Klein-
kunst zu: allerlei Arbeiten für Porzellan, Silber und ähnl.
bekunden einen vornehmen Geschmack. Seine Kunst
wurzelte in einem gesunden und herben Realismus, der
mit den technischen und stofflichen Mitteln wie mit den
inneren Gesetzen des Schaffens genau vertraut war. Offer-
mann war ein feingebildeter Mann und hat im Dresdener
Kunstleben eine ansehnliche Rolle gespielt. Er war in den
1890er Jahren Vorsitzender des Vereins bildender Künstler
Dresdens, später Vorsitzender der Dresdener Kunstgenossen-
 
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