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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 24.1913

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Bredius, Abraham: Wie wurde Cuyp während seines Lebens geschätzt?
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.6192#0216

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Nekrologe 412

411

Interessant drei Bilder von Linschoten, über
den ich im zweiten Jahrgang Oud Holland schrieb.
Hierbei ein Evangelist mit einem Engel fl. 4.—.
Ebenfalls eine Ansicht von Scheveningen von Ben-
jamin Cuyp! u. s. f. Solche alte Inventare bringen
eine Fülle von Belehrung. Die Quintessenz dieser
Notizen muß meines Erachtens folgende sein:

Cuyp hat, bis zu seiner Ehe, als ausübender
Künstler gemalt. Dann aber, sehr reich, sehr vor-
nehm, hat er das Verkaufen seiner Bilder aufgegeben
und nur für sich selbst gemalt. Seinen Freunden
mag er ja wohl ab und zu ein Bild geschenkt haben,
aber auf Bestellung hat er kaum mehr gearbeitet. Da-
her die Seltenheit seiner Bilder, außerhalb Dordrecht
bis nach 1700. Erst nach und nach wurden gegen
das Ende des 18. Jahrhunderts seine Bilder höher ge-
schätzt. Noch 1749, Auktion Bürgermeister Pompe
van Meerdervoort aus Dordrecht: die Bekehrung Pauli,
schön gemalt von A. Cuyp: 13 Gulden. Dagegen:
van der Ulft 350 Gulden, Potter 91, Jacob de
Heusch! 105, van Huysum 1215 Gulden. Und
1745, Auktion van der Vugt: Prinz Frederik Hendrik
mit der Flotte vor Dordrecht 1646 von deVlieger
1361/2 Gulden; derselbe Gegenstand, von A. Cuyp:
i38/4 Gulden. Noch 1767 finde ich in einer großen
Sammlung des Rotterdamer Bürgermeisters Leers;
Pferd, Bauern und Hund von A. Cuyp 20 Gulden:
dagegen eine Kopie nach Wouwermans 36 Gulden!

NEKROLOGE
Karl von Lemcke f. Am 7. April ist in München
der frühere Professor für Ästhetik und Kunstgeschichte an
der technischen Hochschule in Stuttgart und Inspektor der
Stuttgarter Gemäldegalerie, Karl v. Lemcke im 82. Jahre
gestorben. L. gehörte noch zu den Männern der älteren
Generation, die dem Ideal einer möglichst vielseitigen
literarisch-ästhetischen Ausbildung nachstreben. Von den
meisten seiner Altersgenossen unterscheidet er sich aber
dadurch, daß er neben der geistigen Ausbildung auch der
körperlichen ihr Recht werden ließ. Sehr verschieden von
dem gewöhnlichen Typus des deutschen Professors von
ehedem, sah er seinen Stolz darin, ein guter Reiter, Turner
und Schwimmer zu sein und in seiner Person das Ideal der
mens sana in corpore sano zu vertreten. Er ist deshalb
auch nicht eigentlich bahnbrechend als Gelehrter geworden.
Sein Streben ging mehr nach einer harmonischen Ausbildung
der ganzen Persönlichkeit, und er hätte wohl selbst am
meisten Einspruch erhoben, wenn man ihn als hervorragen-
den Gelehrten oder gewiegten Bilderkenner hätte bezeichnen
wollen. L. ist am 26. August 1831 in Schwerin geboren
und hat in Göttingen, München und Heidelberg studiert.
Nach seinem im Jahre 1856 bestandenen Doktorexamen
bewarb er sich zunächst um keine Stelle, sondern privati-
sierte in Berlin und Paris, hauptsächlich aber in München.
Hier trat er dem Kreise der Münchener Dichter, die sich
um Heyse und Geibel scharten, nahe und betätigte sich
auch selbst auf dem Gebiete der Poesie, das eigentlich bis
zu seinem Tode sein Lieblingsfeld geblieben ist. Im Jahre
1862 habilitierte er sich für Ästhetik und deutsche Literatur-
geschichte an der Universität Heidelberg, 1867 erhielt er
Titel und Rang eines außerordentlichen Professors. 1871
verließ er Heidelberg und nahm seinen Wohnsitz wieder
in München, wohin es ihn immer am meisten zog und wo
er ja auch seine letzten Jahre verlebt hat. 1873 erhielt er
einen Ruf als Lehrer der bildenden Künste nach Amsterdam,

1876 ging er als Professor der Ästhetik und Kunstgeschichte
an das Polytechnikum in Aachen, von wo er 1885 in der-
selben Stellung als Lübkes Nachfolger nach Stuttgart be-
rufen wurde. Hier übernahm er neben seiner Professur
1897 auch die Inspektion der Kgl. Gemäldegalerie, die er
aber 1901 abgab. 1903 trat er auch von seiner Professur
zurück und lebte von da an als Privatmann in München.
Kunstwissenschaftliche Arbeiten von ihm sind die Bio-
graphien holländischer Künstler in Dohmes Sammelwerk
»Kunst und Künstler« und die zuerst 1876 erschienene
populäre Ästhetik, deren Beliebtheit daraus hervorgeht,
daß sie bis 1890 in sechs Auflagen erschienen ist. Auf dem
Gebiete der Literaturforschung ist er durch eine Geschichte
der deutschen Dichtung neuerer Zeit hervorgetreten, deren
erster Band (von Opitz bis Klopstock) 1867 erschienen ist.
Seine übrigen Werke sind sämtlich poetischer Art. In seiner
Jugend schrieb er Gedichte, in seiner reiferen Zeit mehrere
Romane und Novellen, die unter dem Pseudonym Karl
Manno erschienen: Beowulf, Der Schwan, Ein süßer
Knabe, Gräfin Gerhild, Jugendgenossen usw. Auch ein
Lustspiel »Kinder des Tages« und den Text eines Ora-
toriums »Heinrich der Finkler« hat er verfaßt. Als Galerie-
inspektor hat er das Verdienst, den ersten Katalog ge-
schrieben zu haben, der die neueren Forschungen berück-
sichtigt. Die völlig unzulängliche Ordnung der Galerie
durch eine bessere zu ersetzen, fehlte es ihm damals schon
an Kraft. Seine Abneigung gegen die moderne Richtung,
die in seinen letzten Stuttgarter Jahren in den Künstler-
kreisen zunahm, und seine große Kurzsichtigkeit veranlaßten
ihn schließlich zum Rücktritt. l.

In Düsseldorf starb am 2. April der Maler Theodor
Groll. Er war in Düsseldorf am 9. Februar 1857 geboren
und besuchte, ehe er Maler wurde, die Bauakademie in
Berlin. Der Architektur ist aber Groll insofern treu geblieben,
als er, ein Schüler Kaspar Scheurens, Architekturbilder und
Interieurs bevorzugte. Mit seinen sauber ausgeführten
Gemälden beschickte er regelmäßig die Düsseldorfer Kunst-
ausstellungen. Groll war einer der führenden Leute in
der Düsseldorfer Künstlergesellschaft »Malkasten«.

+ München. Am 6. April starb der ordentliche Pro-
fessor für Geschichte an der hiesigen Universität Dr. Henry
Simonsfeld. Er war 1852 in Mexiko geboren, hatte in
Nürnberg das Gymnasium absolviert, die Universitäten
München und Göttingen besucht, war Assistent an ver-
schiedenen Gymnasien gewesen, hatte sich 1878 an der
Münchener Universität habilitiert und war gleichzeitig As-
sistent an der Hof- und Staatsbibliothek geworden. 1898
wurde er zum außerordentlichen Professor für historische
Hilfswissenschaften, 1912 zum ordentlichen Professor der
Geschichte und insbesondere der historischen Hilfswissen-
schaften ernannt. Simonsfeld hat der Kunstwissenschaft
durch seine Arbeiten über den Fondaco dei Tedeschi und
die deutschvenezianischen Handelsbeziehungen, durch die
Herausgabe der »Mailänder Briefe zur bayerischen und all-
gemeinen Geschichte des 16. Jahrhunderts«, der Baye-
rischen Gemäldesammlung des 18. Jahrhunderts im Schloß
Liechtenstein«, »Aus bayerischen Schloßinventaren von 1603,
1604 und 1680« usw. viele wertvolle Dienste geleistet.

In St. Petersburg verschied am 20. Februar / 5. März
der bekannte Kunstsammler Geheimrat Paul Viktoro-
witsch Delarow im Alter von 62 Jahren. Von Fach Jurist
und als solcher vieler, u. a. der Heidelberger, Fakultäten
Doktor, repräsentierte der Verstorbene den auch in Peters-
burg immer seltener werdenden Typus des Urbanen, inter-
nationalen Kulturmenschen. Ob Musset oder Baudelaire,
ob Heine oder Goethe, ob Dante und Ariost und Alfieri
oder Byron, gleichgültig; sie waren ihm alle substantielle
 
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