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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 24.1913

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Bülow, J. von: Paris auf der juryfreien Kunstschau in Berlin
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.6192#0137

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253

Nekrologe — Personalien — Wettbewerbe — Denkmalpflege

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Figürliches darstellen, zeigen sie futuristische Spielereien,
die den Snob interessieren mögen, Kunst hat mit dieser
ausgesprochenen Literatur nichts mehr zu tun. Am
besten wirkt noch Braque in einer kleinen Landschaft,
aber man weiß bei diesem nie, wem er gerade nach-
empfindet.

Franc Burty sucht sich diesem Kubismus in einem
Stilleben zu nähern, welches im übrigen die beste seiner
Leistungen ist. In einem Akt denkt man bis zum
Gürtel, daß er zeichnen kann, von da abwärts verliert
sich jedes Verständnis. Seine Arbeit grenzt schon
stark ans Dilettantische.

Sehr originell sind Skulpturen des Spaniers Agero,
vor allem ein kleiner Holzkrieger, bei dem ich be-
sonders die Verwertung des Materials schätze. Auch
eine in Bronze gehaltene Plakette, eine Männerfigur
darstellend, ist raffiniert, wo hingegen der Stierkampf,
aus Eisen getrieben, recht trivial erscheint.

Die Landschaften des Portugiesen Cardoso, dessen
kubistische Zeichnungen ich bereits erwähnte, sind
lustige Versuche, die modernste Malerei ins Kunst-
gewerbliche hinüber zu führen, wobei sie schließlich
auch wohl enden wird. Denn mit dieser rein ver-
standsgemäßen Auflösung jedes malerischen und zeich-
nerischen Problems muß man schließlich zum Teppich
kommen. Am stärksten tritt dies an einem kleinen
Stilleben hervor, auch in den Einzelheiten der Land-
schaften, wo man nicht weiß, ob man eine Blüte,
einen Schmetterling oder eine Flugmaschine vor sich
hat. Immerhin ist er farbig reizvoll und unter-
scheidet sich so angenehm von den eigentlichen Ku-
bismen mit ihrem langweiligen Grau.

Zum festen Stamm Pariser Künstler, die aus Deutsch-
land kommen, gehört Sophie Wolff. Sie ist ent-
schieden eine der stärksten Begabungen unter unsern
heutigen Frauenkünstlerinnen. Es ist erfreulich an ihr,
wie sie ständig sucht und sich die neuen Ideen,
welche die Pariser Kunst aufwirft, zu assimilieren
unternimmt. In ihren Stilleben ist sie lichter ge-
worden, sie tändelt im Frieszschen Sinne mit den
Farben, wobei sie immer harmonisch und gehaltvoll
bleibt. Ein bildhauerischer Versuch von ihr ist nicht
ohne Interesse, die kleine Büste ist sympathisch, aber
doch zu malerisch gesehen, was bei ihr kein Wunder ist.

Sophie Blum-Lazarus gehört ebenfalls zu den
Deutschen, die durch langjährigen Aufenthalt in Paris
zur französischen Kunst zu zählen sind. Sie be-
schränkt sich weise auf ein kleines Format. In ihren
Pastellen sucht sie neuerdings wie Sofie Wolff die
gemilderte moderne Richtung und wahrt auch hier
den ihr eigenen guten Geschmack, der aus ihrem
Stilleben dem Kenner Pariser Salons längst bekannt ist.

Auch eine Deutsche ist Emilie Gemmel aus Paris,
sie hat Landschaften, die mit jenen Marchands zu-
sammen zu nennen sind; wenn man die Natur in
dieser Art geschmackvoll vereinfacht, wird man nicht
auf Einwände stoßen.

Diesen jüngsten Pariser Kunstversuchen gegenüber
ist es wohl angebracht, zum Vergleich unsere deut-
schen Hypermodernen heranzuziehen, zumal diese un-
leugbar auf französischen Einfluß zurückgehen. Die

neue Sezession kann ihre Verwandtschaft mit Cezanne,
van Gogh, Gauguin, insbesondere letzterem, nicht ab-
streiten, wenn auch die Beziehungen ziemlich äußer-
lich sind, in Anbetracht der seltenen Erscheinung der
Werke dieser Meister in Berlin. Man sollte vielleicht
besser von einer Anregung sprechen, wie von einer
Beeinflussung. Was die neue Sezession angenehm
von den Franzosen scheidet, ist, daß sie noch Farbe
will, mißglückt sie auch manchmal, wie in dem
Preußisch-Blau Cäsar Kleins, so ist doch wenigstens
der Wunsch zu loben. Das fraglos stärkste Talent
in ihr, Tappert, erreicht in seinen Bildern oft feinste
Harmonie. Auch hier tritt die Teppichwirkung überall
in den Vordergrund, die Bilder Morgners haben bereits
gänzlich auf Form verzichtet, ein Kaleidoskop, ein
Perser Teppich erreichen ähnliches, aber da sie hierzu
keinen Umweg machen, besseres.

Man wird aus dem Bilde, das die modernste
Kunst uns hier gibt, noch wenig Schlüsse machen
können, das gärt alles noch viel zu sehr, da ist viel
zu viel Spielerei, das sich unter das Echte mischt,
immerhin ist der Wille zur Kunst da und darum be-
steht die Hoffnung, daß sich aus der Menge von
Talenten auch einmal das Genie herausschälen wird,
das heute noch fehlt.

NEKROLOGE
Viareggio bei Pisa. Der Maler Guglielmo Amedeo

Lori ist im 43. Jahre gestorben. Schüler von Giovanni
Costa und Francesco Gioli, hat er in seinen poetischen
Bildern die großartigen Schönheiten der melancholischen
Pisaner Landschaft geschildert.

Florenz. Der Florentiner Bildhauer Emilio Zocchi

ist in seinem 76. Lebensjahr gestorben. Leider entspricht
sein größtes Werk, die verrufene Reiterstatue König Victor
Emanuels im Centro von Florenz, den sonst tüchtigen
Schöpfungen dieses Künstlers nicht. Wer die reizende
Bacchusstatue von ihm kennt, die 1873 in Wien einen
hohen Preis erhielt und sein Franklin-Denkmal in New York,
kann sich eine bessere Meinung von seiner Tüchtigkeit
machen. pe(t. h.

PERSONALIEN
Ein Lehrstuhl für byzantinische Kunst und
Archäologie ist jetzt bei Gelegenheit der Neuorganisation
der Universität Athen errichtet worden. Die neue Pro-
fessur wurde Dr. Adamantios Adamatiou übertragen; er
hat sich seit Jahren der Erforschung der Geographie und
Geschichte des griechischen Mittelalters gewidmet.

WETTBEWERBE
In dem großen Wettbewerb für den Neubau des
ungarischen Nationaltheaters in Budapest hat jetzt
die Jury, der von deutschen Künstlern Martin Dülfer in
Dresden und Max Littirjann in München angehörten, die
Entscheidung gefällt. Den ersten Preis von 10000 Kronen
erhielt Medgyaszay Istvan. 38000 Kronen wurden an
Preisen unter neun Künstler verteilt. Auch die übrigen
Preisträger sind sämtlich Ungarn, da der Wettbewerb nur
für solche offen war. Für den Bau stehen drei Millionen
Kronen zur Verfügung.

DENKMALPFLEGE
Bologna. Die Befürchtungen, die man wegen des
größten bolognesischen Turmes der mittelalterlichen Torre
 
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