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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 24.1913

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Der X. internationale kunstgeschichtliche Kongress in Rom
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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXIV. Jahrgang 1912/1913 Nr. 5. 1. November 1912

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
Man abonniert bei jeder Buchhandlung, beim Verlage oder bei der Post. Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Oewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E.A.Seemann, Leipzig, Hospitalstr. 11 a.
Abonnenten der Zeitschrift für bildende Kunst erhalten Kunstchronik und Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigen 30 Pf. die Petitzeile; Vorzugsplätze teurer.

DER X. INTERNATIONALE KUNSTGESCHICHT-
LICHE KONGRESS IN ROM

Von dem Verlauf und den Darbietungen des
Kongresses, der soeben vom 16. bis 21. Oktober in
Rom tagte, hat wohl jeder der Teilnehmer eine
Fülle erfreulicher und bedeutender Eindrücke mit
nach Hause genommen. Und diese Teilnehmerschar
war sehr groß; sie ist wohl mit 500 nicht zu hoch
geschätzt. Der Kongreß hatte auch ein durchaus
internationales Gepräge, und der wesentliche Zweck
aller Kongresse — Anbahnung "und Festigung persön-
licher Beziehungen und ein intimer Meinungs-
austausch — ist denn auch voll erreicht worden.
Der Dank für dieses Gelingen gebührt vor allem dem
römischen Organisations-Komitee; geradezu Furore
machte der Dolmetsch des Kongresses, unser verehrter
Mitarbeiter Professor Hermanin, der alles, was deutsch
gesprochen wurde, mit frappanter Bravour in kon-
zentriertester Klarheit auf Italienisch wiedergab.

Unter den verschiedenen Festlichkeiten, die ge-
boten wurden, sei der Empfang auf dem Kapitol um
deswillen hervorgehoben, weil man dabei das reizvolle
Vergnügen genoß, in den beleuchteten Statuensälen
(wie Thode später in seinem Vortrag geistreich sagte:
»bei unsern steinernen Wirten«) sich ergehen zu können.
— Merkwürdig war ein ländlich-römischer Schmaus
im Circolo degli artisti, wo sich ein ganzes Schwein
am Rost präsentierte und dazu die Dudelsäcke die
etwas »hirtenhafte« Stimmung dieses Gastmahles
würzten. — Von wirklich ernster Wichtigkeit waren
aber die Zugänge, die den Kongressisten zu einigen
sonst gar nicht oder nur mit Schwierigkeit sichtbaren
Dingen gewährt wurden. Wir konnten also in der
Farnesina Sodomas Hochzeit der Roxane sehen, im
Palazzo Farnese den Carracci-Saal, beim Fürsten Doria
seine Privatgemächer mit erheblichen Bilderschätzen,
im Quirinal Melozzos berühmte Freske; und schließlich
hatten sich für uns sogar die sonst undurchdringlichen
Pforten der Villa Albani geöffnet, so daß, wenn auch
nur für wenige Stunden, der herrliche Park und die
berühmten Torlonia-Sammlungen besichtigt werden
konnten. Manche Archäologen sind nur deshalb Mit-
glieder des kunsthistorischen Kongresses geworden
und haben d ie ganze Taxe von 25 Frcs. gezahlt, um
die neidisch verschlossene Athena Albani, das große
griechische Reiterrelief, den Äsop und anderes mehr
in den herrlichen Hallen und Sälen der Villa Albani
zu sehen und den Manen Winckelmanns in dem dunklen
Hain zu huldigen.

Im Anschluß an den Kongreß, der im Palazzo
Corsini tagte, war außerdem eine Mostra bibliografica
und eine Ausstellung photo - mechanischer Repro-

duktionen zur Illustration kunsthistorischer Werke ver-
anlaßt worden, die sich großer Beachtung erfreute.

Negativ lautete leider der Geschäftsbericht des
Professor Kautzsch über die Fortschritte, die die Er-
füllung der Aufgaben gemacht hat, die den Kongreß
schon seit langem beschäftigen. Es ist bisher nicht
möglich gewesen, die Internationale Bibliographie der
Kunstwissenschaft, die man auf dem vorigen Kongreß
in München in Form gebracht zu haben glaubte,
durchzuführen; der Verleger der Fröhlichschen Biblio-
graphie, mit der man zusammengehen wollte, ist in
Schwierigkeiten geraten, aber es besteht wenigstens
Hoffnung, dieses Unternehmen doch wieder flott zu
machen. Auch die Schaffung einer Photographien-
Zentrale mußte vorläufig zurückgestellt werden. Ebenso
ließ sich der generelle jederzeitige Eintritt für Kunst-
historiker in allen deutschen, speziell auch kleinen
Sammlungen bei der Vielfältigkeit der Instanzen nicht
erzielen. Die Förderung der auf Studienreisen befind-
lichen Gelehrten durch Provinzialkonservatoren usw.
soll wenigstens hierfür einen gewissen Ersatz bieten.
Und schließlich ist auf die weitere Behandlung der
auf dem vorigen Kongreß angeregten Frage des Ver-
hältnisses zwischen Autoren und Verlegern überhaupt
verzichtet worden.

Als Verhandlungsgegenstände des Kongresses waren
im voraus bezeichnet worden,: 1. Die Stellung der
Kunstgeschichte unter den Geisteswissenschaften und
der Unterricht darin. 2. Die Geschichte der inter-
nationalen Kunstbeziehungen, speziell die der italie-
nischen Kunst zu der Kunst anderer Völker durch die
Jahrhunderte. 3. Organisation der wissenschaftlichen
Arbeit im Gebiet der Kunstgeschichte, Fürsorge für
Kunstdenkmäler usw. Im weiteren Rahmen dieses
Programms war ein jeder der ungefähr 80 Vorträge
entworfen, die vormittags in vier Sektionen, nach-
mittags in Plenarsitzungen stets vor größerer, inter-
essierter Zuhörerschaft gehalten wurden. Einem späteren
Aufsatz an dieser Stelle bleibt die Wertung der wissen-
schaftlichen Resultate dieses Kongresses vorbehalten.
Bei der Unmöglichkeit, allen Vorträgen beizuwohnen
oder die Protokolle einzusehen, kann die Bericht-
erstattung jetzt nur einzelne der gehaltenen Vorträge
kurz angeben, wobei durch die Auswahl absolut keine
Kritik geübt werden soll.

In den Plenarsitzungen huldigte zunächst Corrado
Ricci zur Trecentenarfeier des Todes von Federico
Barrocci den Manen dieses, wenn auch nicht großen,
doch eine bedeutende Wirkung ausübenden Meisters,
dessen Kunst er noch durch ein neues von ihm ent-
decktes Bild, das er in dem Saal hatte aufstellen lassen,
vor Augen führen konnte. Er betonte den Cinquecento-
charakter der Kunst des Barroccio, der auf das Seicento
 
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